Die bizarrste Auferstehung des Sommers: Wolverine ist zurück. Eigentlich ist er vor sieben Jahren im Marvel-Film „Logan“ gestorben. Jetzt feiert er in „Deadpool & Wolverine“ sein Comeback. Durch „Wolverine“ wurde Hugh Jackman weltberühmt. Aber er hat weit mehr auf dem Kasten als nur den Mutanten mit den Wolfsklauen.
Mit einer Sache hatte Hugh Jackman laut eigener Aussage definitiv nicht mehr gerechnet: „Mit Wolverine hatte ich wirklich ganz und gar abgeschlossen. Ich habe ihn in neun Filmen gespielt, bis man ihn in ‚Logan‘ zu Grabe getragen hat. Mein Agent meinte, dass ich Wolverine bloß in Frieden ruhen lassen sollte. Ich stimmte ihm zu. Aber da kam Ryan Reynolds ins Spiel. Und wollte mich unbedingt für seinen dritten ‚Deadpool‘-Film haben… Ryan ist nicht nur mein bester Freund, sondern auch ein großer Fan von Wolverine. Immer wieder hat er dem Studio vorgeschlagen, die beiden Superhelden gemeinsam auftreten zu lassen. Doch Marvel-Mastermind Kevin Feige sprang auf seine ‚Deadpool & Wolverine‘-Idee überhaupt nicht an. Ryan ließ aber nicht locker. Immer wieder sagte er zu mir, wie toll es doch wäre, wenn wir als Deadpool-Wolverine-Team einen Film machen würden. Und da passierte es: Während einer Autofahrt zum Strand dachte ich nochmal darüber nach – und plötzlich war ich Feuer und Flamme dafür. Immerhin ist Logan alias Wolverine meine absolute Lieblingsrolle. Ich legte also eine Vollbremsung hin, rief Ryan an und sagte: Ich mache es! Ryan war erst einmal völlig perplex. Und meinte dann, er wäre gerade auf dem Weg ins Studio, um den Film noch einmal zu pitchen – und mit mir an Bord müsste es jetzt einfach klappen. Er behielt Recht. Wir bekamen von Feige sofort grünes Licht.“
Flashback ins Jahr 2000. Da besetzte Regisseur Bryan Singer den noch relativ unbekannten Hugh Jackman in seiner Marvel-Comic-Verfilmung „X-Men“ als Logan/Wolverine, einen Mutanten mit Selbstheilungskräften; sein Skelett ist mit Adamantium verstärkt, seine Wolfsklauen nach Bedarf ausfahrbar. Zusammen mit anderen Mutanten bildet Logan Jugendliche aus, die ihrerseits mit Superkräften ausgestattet sind. Der Film wurde ein riesiger Erfolg. Bisher folgten zwölf weitere „X-Men“-Filme, neun davon – bis „Logan“ (2017) – mit Hugh Jackman. Das Franchise hat weltweit über sechs Milliarden Dollar eingespielt.
„Wolverine ist mir ans Herz gewachsen“
„Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass mir Wolverine mit den Jahren immer mehr ans Herz gewachsen ist. Und das nicht nur, weil ich durch diese Rolle einen großen Karriere-Schub bekommen habe. Sondern weil ich die Figur auch immer wieder neu entdecken und weiterentwickeln konnte. Das ist für jeden Schauspieler ein Geschenk. Jetzt spiele ich Wolverine noch einmal, weil mich das Drehbuch total begeisterte und ich absolutes Vertrauen zu Ryan Reynolds und zu unserem Regisseur Shawn Levy hatte.“ Mit einem breiten Grinsen fügt er hinzu: „Und weil ich Ryan an jedem Drehtag vor laufender Kamera verprügeln konnte.“
Hugh Jackman räumt auch noch ein, dass er sich diesmal besonders intensiv auf die Rolle vorbereitet hat. „Denn als ich Wolverine zum ersten Mal spielte, war ich Anfang 30, und schon damals war das ein ultraharter physischer Kraftakt, der mir mit den Jahren immer schwerer fiel. Die vielen Prellungen und blauen Flecken, die ich mir bei den Stunts geholt habe, konnte ich irgendwann gar nicht mehr zählen. Und jetzt, mit 55, war das natürlich eine noch viel größere Herausforderung. Deshalb habe ich diesmal ein besonders rigoroses Fitness-Programm absolviert.
Hugh Jackman ist es gelungen, sich von dieser überlebensgroßen Rolle dennoch nicht vereinnahmen zu lassen. Er ist ein Mann mit vielen Talenten: Als Entertainer feierte er am Broadway Triumphe, 2009 führte er singend und tanzend durch die Oscar-Nacht, im Kino spielte er Hauptrollen in so unterschiedlichen Filmen wie in Baz Luhrmanns Monumentaldrama „Australia“ (2008) wo er sich als Viehtreiber in Nicole Kidman verliebt. In der Musical-Verfilmung „Les Misérables“ (2012), beeindruckt er als Ex-Sträfling Jean Valjean nicht nur durch sein kraftvolles Spiel sondern auch durch seine Gesangskünste. In dem düsteren Selbstjustiz-Thriller „Prisoners“ (2013) ist er ein verzweifelter Vater, der nach seiner entführten Tochter sucht. Und in dem Biopic-Musical „Greatest Showman“ (2017) verkörpert er mit Verve und Grandezza den Zirkus-Tycoon P.T. Barnum.
Hugh Jackman wurde am 12. Oktober 1968 in Sydney, Australien, geboren. Als Jugendlicher spielte er viel Rugby, Cricket und war ein hervorragender Leistungsschwimmer, was seiner Physis sichtlich zugutekam (2008 kürte ihn das US-Magazin „People“ zum „Sexiest Man Alive“). Von 1988 bis 1991 studierte er in Sydney Kommunikationswissenschaften mit dem Ziel, Zeitungsreporter zu werden. Noch während des Studiums belegte er Schauspielkurse – und beschloss, es als Schauspieler zu versuchen. 1995 wurde er in der australischen TV-Serie „Correlli“ besetzt. Während der Dreharbeiten lernte er Deborra-Lee Furness kennen. Die beiden waren von 1996 bis zur Scheidung 2023 verheiratet. 2000 adoptierten sie Sohn Oscar, 2005 Tochter Ava. Die Scheidung kam ziemlich überraschend, da Hugh Jackman bei fast jeder Gelegenheit von seiner Frau schwärmte und immer betonte, wie wichtig ihm eine intakte Familie ist. Wie man hört, wird Jackman seinen Lebensmittelpunkt nun von New York nach London verlagern, um näher bei seiner Mutter und Schwester zu sein. Sein Vater, der viele Jahre an Alzheimer litt, starb 2021. Was Hugh Jackman sehr mitnahm, da er seinem Vater besonders nahe stand.
Auf die Frage, wie man es eigentlich aus einem Vorort von Sydney nach Hollywood schafft, antwortet Hugh Jackman wie aus der Pistole geschossen: „Mit unverschämt viel Glück! Und weil ich durchgehalten habe. Und fest an diesem Traum festhielt, Schauspieler zu sein. Wie oft stand ich in zwielichtigen Theatern auf wackeligen Musical-Bühnen und sang und tanzte mir die Seele aus dem Leib – vor gerade einmal 100 Leuten. Oder hatte nur bessere Statistenrollen im Fernsehen oder beim Film. Aber ich war immer erfüllt davon, spielen zu können. Und daran hat sich bis heute nichts geändert!“ Nachdenklich fährt er fort: „Ich war ja schon fast 30, als bei mir langsam der Erfolg einsetzte. Das hat mir sicher geholfen, nicht unter die Räder zu kommen. Denn ein gewisses Quantum an Lebenserfahrung und Reife ist in diesem Beruf sicher eine gute Voraussetzung, damit einem der Ruhm nicht zu Kopf steigt. Aber eigentlich bringt einen jedes Filmset wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Da heißt es nicht: ‚Jetzt bist du wer‘, sondern eher ‚Jetzt musst du wer sein!‘“
„Dem Gegenüber wirklich zuhören“
Dieses sich immer aufs Neue beweisen zu müssen – und es zu können – zeichnet jeden überragenden Künstler aus. Baz Luhrmann zum Beispiel schwärmt heute noch von Jackmans Wandlungsfähigkeit und von dessen Bereitschaft, sich mit Haut und Haar in die jeweilige Rolle hineinzuversetzen. Denn wie jeder gute Schauspieler spielt er nicht die Figur, die er darstellt, sondern ist sie. „Das Geheimnis, eine Person glaubwürdig darzustellen, ist, dass man seinem Gegenüber wirklich zuhört und auf das reagiert, was er sagt. Statt bloß auf den eigenen Einsatz zu warten und dann den Text abzuspulen.“ Die Voraussetzung für solch ein Miteinander vor der Kamera ist ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen – und null Eitelkeit. Es überrascht also nicht, dass sich Hugh Jackman selbst als dünnhäutig und sensibel beschreibt.
Als sich seine Eltern scheiden ließen, war er erst acht Jahre alt. „Mein Vater war der Fels in der Brandung meines Lebens. Er war eher der stille Typ, aber wenn er mal etwas sagte, dann hatte das Hand und Fuß. Auch mit meiner Mutter verstehe ich mich inzwischen ganz gut. Aber meine Mutter war es, die damals meinen Vater verlassen hat – und nicht etwa umgekehrt. Das prägt einen fürs ganze Leben.“ Und dann erzählt er von einem Erlebnis, das lange zurückliegt, ihn aber, wie er sagt, ganz gut charakterisiert: „Als Kind war ich sehr ängstlich. Ich hatte Angst vor großen Höhen. Ich hatte Angst das Haus zu verlassen – und später dann alleine ins neue Haus meiner Mutter zu gehen. Ich habe lieber den ganzen Nachmittag dort am Zaun gewartet, obwohl ich Durst und Hunger hatte. Und ich habe diese Ängstlichkeit an mir gehasst wie die Pest! Seitdem lauert diese Furcht, irgendwann dann doch aufzugeben, in meinem Hinterkopf.“
Schauspielerei gegen die Angst
Auch um diese Angst besser in den Griff zu kriegen, wählte er die Schauspielerei. Und erlebte schon bald, wie er daraus auch Kraft ziehen konnte – für den Beruf und fürs Leben. „Es beflügelt mich, wenn ich spüre, dass mir bei meiner Arbeit etwas gelungen ist. Aber als Schauspieler geht man immer auf sehr dünnem Eis. Da gibt es kein Metermaß, mit dem man nachmessen kann, wie weit man gesprungen ist. Da gibt es kaum objektive Kriterien. Die Grenzen sind immer fließend. Ich sehe oft erst viele Jahre später, dass mir da oder dort etwas gelungen ist. Meine Fehler werden mir allerdings sehr schnell bewusst. Es gibt auch einige Filme, von denen ich hoffe, dass sie für immer in der Versenkung verschwinden. Und trotz aller Mängel: Die Ambition, es beim nächsten Mal viel besser zu machen, bleibt.“
Mit dem großen Erfolgsdruck, den Hollywood auf jeden seiner Stars ausübt, geht Hugh Jackman auf ganz eigene Weise um: nämlich spielerisch. „Ich vermisse bei Kollegen und Mitmenschen oft das Spielerische, das Sich-selbst-Entdecken, das Nicht-auf-Erfolg-ausgerichtet-Sein. Man muss doch nicht immer nur Höchstleitungen bringen. Auch wenn man nicht zu den Besten gehört, ist man doch noch lange kein Versager.“
Diese wunderbare „Leichtigkeit des Seins“ ist Hugh Jackman und Ryan Reynolds deutlich anzumerken: Wie sie sich in „Deadpool & Wolverine“ (Filmtipp siehe Seite 84) die Bälle zuwerfen, das zeugt von großem schauspielerischen Können, tiefer Freundschaft – und von der Lust, auch bei der Arbeit zu spielen – und Spaß zu haben.