Das Deutsche Theater startet am 8. September in die Spielzeit 2024/2025. Für Ende September sind gleich drei Premieren geplant: „Das Schiff der Träume (fährt einfach weiter)“, „Blue Skies“ und „Herz aus Polyester“.

Nachhaltigkeit, Klimaschutz und dann auch noch ein übermotivierter junger Dramaturg. „Klar, Mülltrennung“, aber eigentlich, seufzt Iris Laufenberg, habe sie für so was „nach einer anstrengenden Spielzeit keine Zeit“ gehabt. Laufenberg ist seit einem Jahr Intendantin des Deutschen Theaters (DT). Das „Jahr des Kennenlernens“ sei kein einfaches gewesen, sagt die Frau, die zuvor das Schauspielhaus Graz geleitet hat. „Das Ziel ist es, die Herzen des Publikums zu erobern. In Berlin, einer Stadt mit vielen Angeboten, ist das schwierig“, erklärt sie.
Boyle-Roman als Bühnenfassung
Vielleicht schließt sich das ja nicht aus: ein „nachhaltiges Theater“ und ein Theater, das die Herzen der Zuschauerinnen und Zuschauer erreicht. Das sieht zumindest Johann Otten so. Der Dramaturg würde sich vermutlich nicht als „übermotiviert“ bezeichnen. Motiviert ist er aber schon. „Klima“, sagt er, „ist kein Thema sondern eine Dimension.“ Er nickt in Richtung seiner Chefin: „Ja, wir haben mit banalen Dingen wie Mülltrennung angefangen.“ Aber das Theater hat auch eigene Bienen und bald auch einige Solarpanels auf dem Dach. Und ab 28. September „Blue Skies“ auf dem Spielplan.
In seinem gleichnamigen Roman macht der US-amerikanische Schriftsteller T.C. Boyle den Klimawandel zu etwas Persönlichem. Oder wie es Johann Otten formuliert: T.C. Boyle arbeitet „nicht mit dem erhobenen Zeigefinger sondern mit Beziehungen“. „Von der Spaltung einer Gesellschaft zwischen naivem Weiter-so und apokalyptischer Schockstarre erzählt T.C. Boyle anhand einer Familie, die an Ost- und Westküste Amerikas durch einen Riss geteilt ist“, erklärt der Dramaturg.
Der Regisseur Alexander Eisenach überträgt den Roman auf die Bühne – „allerdings und ganz bestimmt ohne lebendige Schlangen“, wie das Theater betont. Dafür aber mit gefährlichen Fragen: „Was wäre, wenn das Ende schon näher ist, als wir es wahrhaben wollen? Und es trotzdem niemand bemerkt?“
Der Hinweis mit den Schlangen erklärt sich durch einen Blick in die Handlung: Cat und Todd führen ein angenehmes Leben. Sie besitzen ein tolles Strandhaus in Florida. Als Vertreter für einen großen Rumkonzern kommt Todd gut herum und verdient mit Partys, auf denen zu Werbezwecken viel Alkohol getrunken wird, genug Geld, um Cat, auch als wenig erfolgreiche Influencerin, ein sorgloses Leben zu ermöglichen. Wären da nur nicht der steigende Meeresspiegel und die zunehmend häufiger vorkommenden Sturmfluten, dank derer der Tesla auf der Auffahrt ganz hässliche Rostblüten bekommt.
Dass es so nicht weitergehen kann, daran wird Cat regelmäßig von ihrem Bruder Cooper ermahnt, dem als Insektenforscher in Kalifornien spürbar der Forschungsgegenstand verschwindet. An der sich anbahnenden Katastrophe haben schließlich auch zwei Königspythons in Cats Strandhaus ihren Anteil. „Die zwangsläufige Apokalypse ist nicht mehr unumstößlich“, lautet die Erkenntnis daraus. Den Stoff fand auch Iris Laufenberg so faszinierend, dass sie entschied, mit dieser Premiere die Spielzeit der DT-Kammerspiele zu eröffnen.
Die erste Premiere der Spielzeit 2024/2025 läuft ein paar Tage vorher, am 26. September, auf der Hauptbühne: „Das Schiff der Träume (fährt einfach weiter)“. Inspiriert ist das Stück vom gleichnamigen Film von Federico Fellini aus dem Jahr 1983. Einen Film auf die Bühne zu bringen, sei ambitioniert, findet Iris Laufenberg. „Fellinis Drehbuch ist nicht dialoglastig. Der setzt auf Bilder“, erklärt die Intendantin. Es sei also schnell klar gewesen: „Ein Autor muss her!“ Und der Autor kam: Thomas Perle. „Ein Fellini – es geht um den Tod einer Diva – das muss ich einfach machen“, habe er sich gedacht. Die Texte erarbeitet er zusammen mit denen, die sie auch sprechen: den Schauspielerinnen und Schauspielern.
Letztes Geleit für eine tote Diva
Und das soll unter der Regie von Claudia Bauer auf die Bühne gebracht werden: Die Diva ist tot. Testamentarisch hat sie verfügt, dass ihre Asche auf ihrer Geburtsinsel mitten im Meer verstreut werden soll. Eine bourgeoise Trauergemeinschaft macht sich am Vorabend des Ersten Weltkriegs mit dem Luxusdampfer Gloria N. auf, der besten Opernsängerin aller Zeiten die letzte Ehre zu erweisen. An Bord ist die Crème de la Crème der Opernwelt. Die Expedition wird zur Irrfahrt durch das offene Meer mit ungewissem Ausgang.
„Fellinis bildstarkes Meisterwerk ,Das Schiff der Träume‘ wird zur Groteske, wenn ein Sängerinnen- und Sängerwettstreit im glühenden Heizkeller vor der schwitzenden Arbeiterklasse stattfindet, eine blinde Prinzessin die Farben von Musik sehen kann, der Geist von Edmea Tetua aus der Totenwelt beschworen wird, ein Huhn von einem russischen Bass-Bariton in der Küche hypnotisiert und munter italienische Opernarien zur Versöhnung der Klassen und Kulturen gesungen werden. Fellinis filmische Parabel ist ein Totenoratorium für die Diva, deren Wiederkehr ersehnt wird in einer Welt, die von Kapitalismus, Globalisierung, Krieg und Werteverfall gezeichnet ist“, erklärt die DT-Dramaturgie dazu.

Die dritte Premiere der neuen Spielzeit ist die Uraufführung von Sarah Calörtschers Stück „Herz aus Polyester“. Die Autorin, Dramaturgin und Musikerin hat für dieses erste Theaterstück in diesem Jahr den Kleist-Förderpreis bekommen. Calörtscher hat sich eine apokalyptische Geschichte ausgedacht: Die Ressourcen auf der Erde sind beinahe vollständig aufgebraucht und eine geheimnisvolle Krankheit bringt alles Leben zum Stehen. Auf den Straßen türmen sich die plastifizierten Körper derer, die nicht fliehen konnten. Durch die Körper der Infizierten fließt das Blut langsamer, und die Bewegungen werden träger, wenn das Plastik, das sich mikroskopisch klein im Körper befindet, alle Poren verschließt und den Organismus zum Stillstand bringt.
Die einzige Hoffnung liegt auf dem Mars. Um herauszufinden, welche der verbliebenen Erdlinge es verdienen, vor der Plastifizierung und der untergehenden Erde gerettet zu werden, wurde von denen, die bereits auf dem Mars leben, ein Algorithmus geschaffen. Dieser soll eine ausgewählte Gruppe Erdlinge auf ihre Eignung für die Marskolonie prüfen. Doch plötzlich fängt der Algorithmus an, sich sonderbar zu verhalten und eigene Überlegungen zu den Erdlingen, ihrer Not und auch seinem geheimnisvollen Erschaffer anzustellen. Das ganze inszeniert Daniel Foerster ab dem 27. September in der DT-Box.