Dino Toppmöller soll bei Eintracht Frankfurt viele junge Spieler entwickeln. Und gleichzeitig hohe sportliche Erwartungen erfüllen. Ein schwieriger Spagat für einen jungen Trainer. Doch er wächst mit der Aufgabe.
Aus Träumen werden schnell Erwartungen und Ansprüche. Vor allem bei großen Traditionsvereinen. Diese Erfahrung musste Dino Toppmöller in seinem ersten Jahr als Chef-Trainer in der Fußball-Bundesliga machen.
Mit Vorschuss-Lorbeeren bedacht, war er mit viel Pathos im vergangenen Sommer bei Eintracht Frankfurt empfangen worden. Ein junger, frischer und sympathischer Typ, früher selbst Eintracht-Spieler, Sohn des früheren Eintracht-Trainers Klaus Toppmöller und zuvor Assistent des heutigen Bundestrainers Julian Nagelsmann beim FC Bayern. Dieses Bild war schon fast zu passend, um wahr zu sein.
Latente Unzufriedenheit
Doch über das Jahr hinweg schien man in Frankfurt irgendwie nicht so recht zufrieden zu sein. Es herrschte meist eine latente Unzufriedenheit am Frankfurter Stadtwald. Und viele Außenstehende fragten sich: wieso eigentlich? Schließlich beendete die Eintracht die Saison als Tabellensechster und qualifizierte sich für die Europa League. Zudem waren die davorliegenden Teams mit Ausnahme des VfB Stuttgart, der als Vize-Meister fast alle düpierte, die Clubs, mit denen sich die Eintracht noch nicht messen kann: Leverkusen, die Bayern, Dortmund und Leipzig.
Es ist zudem gerade mal sieben Jahre her, dass die Frankfurter sich erst in der Relegation vor dem Abstieg in die 2. Bundesliga retteten. Und dieser sechste Platz in der Vorsaison war nach einem fünften Rang 2020/21 seitdem auch die zweitbeste Platzierung. Ja sogar die zweitbeste seit 30 Jahren, seit Papa Toppmöller mit der Eintracht einen Sensations-Start hingelegt hatte, dann im Frühjahr schon entlassen wurde und Frankfurt am Ende auch Fünfter wurde. Auch das hat Sohn Dino schon übertroffen, er hat seine erste Saison in Frankfurt überstanden.
Doch es war vieles auf den Prüfstand gekommen in der Sommerpause. Weil eben niemand so recht zufrieden war. Das lag vor allem daran, dass die Hessen in den vergangenen Jahren zu einer echten Pokal-Mannschaft geworden waren. Im DFB-Pokal holte die Eintracht 2018 den Pott, erreichte 2017 und 2023 das Endspiel und scheiterte 2020 im Halbfinale knapp am FC Bayern. Im Europacup setzte Frankfurt 2022 durch den Gewinn der Europa League ein absolutes Highlight, hatte 2019 schon das Halbfinale gegen Chelsea erreicht und stand 2023 in der K.o.-Runde der Champions League.
Die Konstanz fehlte im Vorjahr
Das alles beflügelt eben Träume und Ansprüche bei einem Club mit einer solch riesigen Fan-Schar und einer solch großen Tradition mit vielen Erfolgen in der Vergangenheit. Und Toppmöller hatte es in seinem ersten Jahr eben nicht geschafft, in den Pokal-Wettbewerben für Euphorie und Highlights zu sorgen. Im DFB-Pokal war im Achtelfinale gegen Drittligist Saarbrücken Endstation, in der Conference League in der ersten K.o.-Runde gegen Royal Union Saint-Gilloise aus Belgien. Zudem ließ sich das Liga-Abschneiden durchaus auch negativ interpretieren. Der Europacup-Einzug war eine Zitterpartie, der Fünfte Dortmund lag 16 Punkte entfernt, Frankfurt erzielte mit 51 Treffern weniger als der 14. Mönchengladbach und kassierte mit 50 Toren nur eines weniger als die bis zum Schluss im Abstiegskampf steckenden Mainzer. Die Bilanz von nur einem Sieg in den letzten neun Saisonspielen sorgte zudem dafür, dass die Eintracht ein Gefühl der Ernüchterung in die Sommerpause trug.
Es war also, darauf kann man sich einigen, eine durchwachsene Saison. Keine schlechte, deshalb ist Toppmöller ja auch weiterhin Trainer. Aber eben auch keine sehr gute. Wofür es natürlich Gründe gab. Vor allem den, dass die Frankfurter am allerletzten Tag der Transfer-Periode ihren starken Stürmer Randal Kolo Muani für 100 Millionen zu Paris Saint-Germain verkauften. So spät, dass kein wirklicher Ersatz mehr geholt werden konnte. Die gesamte auf Kolo Muani ausgerichtete Spielweise war nach zwei Bundesliga-Spielen hinfällig. Zum 1:0-Sieg gegen Darmstadt am ersten Spieltag hatte Kolo Muani, der für Frankreich im WM-Finale 2022 spielte und im EM-Halbfinale 2024 traf, noch den Siegtreffer erzielt. Plötzlich war er weg.
Die Eintracht war nun finanziell gut aufgestellt, aber befand sich in einer seltsamen Situation. Sie hatte einen Kader, der so gut war, dass Verstärkungen nur noch durch sehr teure Spieler möglich gewesen wären. Diese hätten aber das Gehaltsniveau (zu) deutlich angehoben. Also ging Sportchef Markus Krösche den Weg, weitere Kolo Muanis zu suchen. Weitere Spieler, die man für eine überschaubare Ablöse mit hohen Renditeversprechen verpflichtet. Und so wurde Toppmöller, bei seiner ersten Cheftrainer-Station in der Bundesliga mit gerade mal 42, zum Chef-Ausbilder für Talente der gehobenen Klasse.
Das erklärt auf jeden Fall einen großen Teil der mangelnden Konstanz im Spiel der Frankfurter. Zumal ausgerechnet die erfahrenen Führungsspieler wie Torhüter Kevin Trapp oder Nationalspieler Mario Götze in der Rückrunde in Formtiefs schlitterten. Die Talente, die die Eintracht, Krösche und Toppmöller inzwischen versammelt haben, sind aber schon extrem vielversprechend. Abwehrspieler William Pacho (22) aus Ecuador wird schon mit einem Marktwert von 35 Millionen Euro notiert, er war für neun Millionen gekommen. Der ebenfalls im Vorjahr für neun Millionen geholte schwedische Mittelfeldspieler Hugo Larsson (20) wird nun mit 28 Millionen geführt. Der algerische Offensivspieler Farès Chaïbi (21) hat sich von 10 auf 18 Millionen gesteigert. Toppmöller hat also durchaus schon Werte geschaffen. Dem Franzosen Hugo Ekitiké (22), der für 16,5 Millionen im Winter kam und nun bei 20 Millionen steht, trauen viele in dieser Saison den großen Durchbruch zu.
Und der Kader wurde noch jünger. Aus Nürnberg kam das Mega-Talent Can Uzun (18), von Ferencváros Budapest der Ungar Krisztián Lisztes (19), dessen gleichnamiger Vater einst schon die Bundesliga verzückte, vom FC Kopenhagen der Däne Oscar Hojlund (19), der jüngere Bruder von ManUnited-Star Rasmus Hojlund. Dazu kehrten die Abwehrspieler Aurele Amenda (20) und Nathaniel Brown (21) sowie die Offensivspieler Paxten Aaronson (20) und Igor Matanovic (21) von teilweise erfolgreichen Leihen zurück.
Wenn Letzterer „im Training im 16er an den Ball kommt, ist es fast immer ein Tor“, berichtete Toppmöller nach den ersten Vorbereitungs-Wochen. Doch ist das nicht alles ein bisschen zu viel der jungen Wilden, um tatsächlich noch besser abzuschneiden als auf Rang sechs?
Die Bosse erhöhen den Druck
Also sind vor allem auch die älteren und erfahreneren Profis gefragt. „Ich stelle mich immer vor meine Spieler, hätte mir in der vergangenen Saison aber in der einen oder anderen Situation mehr Führung erhofft“, sagte Toppmöller in einem großen „kicker“-Interview. Die Entscheidung über den neuen Kapitän nach dem Karriere-Ende von Sebastian Rode zögerte er deshalb lange heraus: „Ich will sehen, wer Verantwortung übernimmt, vorweggeht und positive Energie in die Gruppe bringt. Wir haben einige geeignete Kandidaten im Team.“ Und wie sah er die Kritik an sich selbst und seiner Mannschaft im Allgemeinen? „Was die Platzierung betrifft, kommt mir unsere Leistung zu schlecht weg“, sagte Toppmöller: „Es gab schon Momente, da fand ich einen Teil der Kritik überzogen und auch befremdlich.“
Auch Nationaltorhüter Trapp habe den Eindruck geteilt, „dass in den vergangenen drei, vier Monaten eine Schwere auf uns lag. So, als würde jeder einen Rucksack mit sich herumschleppen.“ Doch er wolle sich „nicht über Kritik von außen beschweren“, sondern analysieren, „wie wir unsere Arbeit verbessern können und wo wir ansetzen können, damit erst keine Kritik aufkommen kann.“
Doch auch intern gab es eine kritische Aufarbeitung. „Das Besondere an diesem Klub ist, dass sich die Menschen damit identifizieren, wenn man mehr rausholt, als man eigentlich im Tank hat. Da geht es um Willen, Mentalität, Bereitschaft. Das müssen wir wieder mehr liefern“, sagte Vorstandssprecher Axel Hellmann in der „Frankfurter Rundschau“.
Grundsätzlich habe Hellmann recht, bestätigte der Trainer. Und will sich nun „ein Vorbild an der Nationalmannschaft nehmen“, bei der sein ehemaliger Chef Julian Nagelsmann frischen Wind reingebracht hat. Das DFB-Team habe bei der EM vorgemacht, „wie man Fans durch Leidenschaft und gierige Auftritte, mit einem entsprechenden Wir-Gefühl begeistern und mitnehmen kann.“ Die beste Voraussetzung sei geschaffen: „Wir haben jetzt einfach eine bessere Mannschaft als im letzten Jahr.“
Und somit könne man „mehr Power auf den Platz bringen, mehr Tore schießen und attraktiver spielen. Als früherer Offensivspieler gewinne ich lieber 5:4 als 1:0. Tore sind das Salz in der Suppe.“
Talente soll Toppmöller natürlich weiterhin entwickeln. Ein schwieriger Spagat. Doch auch eine spannende und reizvolle Aufgabe.