Viggo Mortensen ist Regisseur und Drehbuchautor des Films „The Dead Don’t Hurt“, in dem er selbst die Hauptrolle spielt. Es gelingt ihm, die Zuschauer auf eine ganz subtile und zugleich tiefgreifende Art zu berühren.

Wir finden uns in einem Wildwest-Setting der USA wieder. Im beschaulichen Örtchen Elk Flats in Nevada zu Zeiten des auslaufenden 19. Jahrhunderts. Vivienne, eine Frau, die wir in den folgenden zwei Stunden noch genauer kennenlernen werden, liegt auf dem Sterbebett. Neben ihr der schweigsame Holger, der sie schließlich wortlos im Beisein eines kleinen Jungen begräbt. Was passiert ist, und wie es zu dieser Tragödie kam, erfahren wir nun stückchenweise mithilfe verschiedener Zeitsprünge.
Im Vordergrund steht die Liebesgeschichte zweier Menschen, die sich in San Francisco durch Zufall über den Weg laufen, ins Plaudern geraten und sich verlieben. Vivienne LeCoudy (Vicky Krieps), eine eingewanderte Frankokanadierin spricht französisch, hat eine bewegte Vergangenheit. Ihren Vater hat sie schon früh verloren. Ihre innere Stärke ist sofort spürbar in der Art wie sie dem noch unbekannten Mann gegenübertritt, nachdem sie gerade erst ihrem bisherigen Liebhaber den Laufpass gegeben hat. Dieses Selbstbewusstsein imponiert Holger Olsen (Viggo Mortenson) sofort. Auch er ist ein Einwanderer mit dänischen Wurzeln. Die beiden landen nach der ersten Begegnung im Bett und Holger beschließt, erst einmal zu bleiben.

Peu à peu bauen sich die beiden ein gemeinsames Leben auf, auch wenn beide stolz und stur sind, auf ihrer Unabhängigkeit beharren. Holger setzt einiges daran, dass sich Vivienne wohlfühlt, doch das Geld der beiden ist knapp. Darum glaubt der ehemalige Soldat, dass es eine gute Idee ist, sich dem Militär auf Seiten der Union anzuschließen und für unbestimmte Zeit in den Bürgerkrieg zu ziehen und für die Freiheit der Sklaven zu kämpfen.
Ein schweres Schicksal
Was gut gemeint ist, entpuppt sich vor allem für Vivienne als harte Bewährungsprobe. Zuhause zurückgeblieben muss sie gleich mehrere Kämpfe ausfechten. Nicht nur, dass sie sich gegen den korrupten Bürgermeister Rudolph Schiller (Danny Huston) und seinen skrupellosen Geschäftspartner, den mächtigen Rancher Alfred Jeffries (Garret Dillahunt) behaupten muss. Sie muss sich auch gegen den gewalttätigen, völlig übergeschnappten Weston Jeffries (Solly McLeod) zur Wehr setzen. Niemand im Ort ist sicher vor seinen verbalen Attacken, Wutausbrüchen und tätlichen Angriffen. An Vivienne scheint er einen Narren gefressen zu haben, was ihr eines Abends teuer zu stehen kommt. Doch wie so oft, kommt er ungeschoren davon, denn er steht unter dem Schutz seines Vaters Alfred, dem sich im Städtchen niemand entgegenzustellen wagt. Die Jahre ziehen ins Land und Vivienne zieht ihren Sohn alleine groß, bis Holger nach vielen Jahren des Wartens endlich wieder zurückkehrt.

Die Thematik, dass Männer aus den unterschiedlichsten, nicht immer nachvollziehbaren Gründen freiwillig in den Krieg ziehen, ist an sich schon ein bewegender Stoff, wenn da eine große Liebe zurückbleibt, die warten muss, bis das gemeinsame Leben weitergeht. Doch Vivienne ist keine traurige Frau, die nichts tut, als zu warten. Sie nimmt ihr Leben selbst in die Hand. Und doch meint es das Schicksal letztlich nicht gut mit ihr…
Mit diesem Film ist es Viggo Mortenson erneut gelungen, den Zuschauer zu berühren. Ein Gefühl zu hinterlassen, das bleibt. Einen Film zu schaffen, der nicht direkt abgehakt ist, sobald der Abspann läuft. Er gehört aber auch zu den Filmen, die man gesehen haben muss, um zu verstehen, wieso sie so berühren. Die kurze Inhaltsangabe allein haut einen erst mal nicht von den Socken. Das alleine gelingt den Darstellern durch die Gefühle – den Schmerz und die Kraft, ja die ganze Atmosphäre –, die sie durch ihr Schauspiel transportieren. Es sind die Blicke, die tiefer gehen. Was Mortenson schon mit den beeindruckenden Filmen „Captain Fantastic“ und dem oscarprämierten Werk „The Green Book“ gelungen ist, funktioniert auch hier. Die Kameraeinstellungen sind teilweise sehr ruhig, von den Gewaltszenen einmal abgesehen. Wahrscheinlich ist es genau diese Mischung, die „The Dead Don’t Hurt“ zu einem so sehenswerten Filmerlebnis macht.