„Tim Burton’s Labyrinth“ ist zu Gast in Berlin. Die Ausstellung in der Radsetzerei führt durch die fantastischen Welten des kreativen Genies.
Trotz seiner spitzen Zähne sieht das Monster nicht besonders furchterregend aus. Das liegt daran, dass es mit einem Auge zu zwinkern scheint. An dem meterhohen Ungeheuer führt kein Weg vorbei. Denn nur durch sein weit aufgerissenes Maul gelangt man in das Foyer, einen runden, ganz in rot gehaltenen Raum mit vier nummerierten Türen. Eine davon beginnt zu leuchten und lässt sich öffnen, nachdem der Buzzer, der sich auf einem Sockel in der Raummitte befindet, gedrückt worden ist. Dahinter öffnet sich Tim Burtons Labyrinth. Von nun an muss der Besucher selbst entscheiden, welche Tür er als nächste nimmt.
Rund 45 Minuten dauert die Tour, „eine Reise in den verschlungenen Geist eines der einflussreichsten und eigenwilligsten Regisseure unserer Zeit“, wie es in der Ankündigung heißt. Die Ausstellung, die bereits in Spanien, Frankreich und Belgien zu sehen war, macht noch bis 3. November Station in der Radsetzerei auf dem RAW-Gelände in Friedrichshain.
„Ich habe immer seltsame Charaktere gemocht“, soll Tim Burton einmal gesagt haben. Und ja: Die von ihm erschaffenen Figuren sind allesamt „seltsam“, Freaks, Nonkonformisten. Zum Beispiel der sensible Außenseiter Edward mit den Scherenhänden, der von Jonny Depp so bezaubernd verkörpert wurde. Oder auch das untote, melancholische Gerippe Jack Skellington aus „The Nightmare Before Christmas“ und Beetlejuice, der durchgeknallte Poltergeist aus dem gleichnamigen Film, mit dem Burton 1988 der Durchbruch gelang.
Im Labyrinth haben nicht nur sie einen festen Platz. In einem Raum stehen Oompa Loompas, die kleinen Männer aus „Charlie und die Schokoladenfabrik“, unter rot-weiß gestreiften Baumgebilden, im nächsten begrüßt der verrückte Hutmacher aus „Alice im Wunderland“ umgeben von Riesenpilzen die Besucher. Manche von ihnen sehen sich plötzlich Auge in Auge mit einem Großhirn-Alien aus „Mars Attacks!“, andere werden beim Anblick von Emily, der toten Braut aus „Corpse Bride“ und Victor Frankenstein aus „Frankenweenie“ von einem gruseligen Schauer erfasst. Auch der fiese Pinguin, einer der größten Feinde Batmans, zählt zu der illustren Gesellschaft.
Eine philosophische Erfahrung
Burtons Welt ist sowohl düster und morbide als auch humorvoll und farbenfroh. Davon erzählen auch die rund 200 Originalskizzen, Malereien und Zeichnungen, die an den atmosphärisch beleuchteten Wänden hängen. Einige haben es vom Skizzenblock zum Blockbuster geschafft, von anderen Ideen, zum Beispiel den vieläugigen Riesenkakteen, zeugt nur ein raumfüllendes Modell. Was an bunte Kinderzeichnungen erinnert, ist bei genauerer Betrachtung ein Einblick in die bizarre und zugleich geniale Gedankenwelt Tim Burtons. Lange bevor er Regisseur wurde, drückte er sich bereits durch Zeichnen, Malen und Fotografie aus. Das sind heute die wesentlichen Bestandteile seines kreativen Prozesses.
Bei all dieser fantastischen Skurrilität drängt sich die Frage auf, ob es sich hierbei um das Werk eines Verrückten handelt. Tim Burton hat in „Alice im Wunderland“ eine Antwort darauf gegeben: „Ich bin nicht verrückt, meine Realität ist nur eine andere.“ Und diese ist tiefsinniger, als es auf den ersten Blick scheint. Die wiederkehrenden Themen wie das Leben und der Tod, Freunde und Feinde, Fiktion und Realität, Hoffnung und Ohnmacht laden Besucher des Labyrinths ein, sich mit ihnen auseinanderzusetzen – aber auch mit sich selbst.
Dank der Zeitfenster-Tickets und der flexiblen Wahlmöglichkeiten sind die Räume nie überfüllt, manchmal hat man sie sogar für sich alleine. So ist Tim Burton’s Labyrinth nicht nur ein „Muss für die Fans seiner Filme“, wie es oftmals plakativ formuliert wird, sondern kann auch zu einer philosophischen Erfahrung werden.
Oder man hat einfach nur Spaß daran, in eine andere Welt einzutauchen – so wie es die meisten immersiven Ausstellungen versprechen. Der Begriff ist in der Kunstwelt längst zum Synonym für eine billige Methode geworden, um junge Menschen anzulocken und möglichst viele Tickets zu verkaufen.
Álvaro Molina, der künstlerische Leiter von Tim Burtons Labyrinth, versichert, dass es ein „wirklich immersives Erlebnis“ ist. „Es handelt sich nicht um eine Ausstellung mit 360-Grad-Bildschirmen oder ein Video. Man durchquert ein reales Universum und physische Dinge, physische Wände, mit verschiedenen Materialien und Lichtern“, erklärte er in einem Interview.
Aus wie vielen Räumen das Labyrinth besteht, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Durch 15 dieser Räume führt der Weg, bei dem sich Besucher immer wieder aufs Neue zwischen verschiedenen Türen entscheiden müssen, bis sie schlussendlich zum Ausgang gelangen.
Inhaber von Premium Tickets haben jetzt die Möglichkeit, die Ausstellung gleich nochmal durch das Maul des augenzwinkernden Ungeheuers zu betreten, aber auch dann haben sie nur zwei der 300 möglichen Wege genommen, die es Gerüchten zufolge geben soll.