Mit seiner Goldmedaille über 800 Meter bei den Olympischen Spielen 2000 ist er bis heute der letzte deutsche Lauf-Olympiasieger. Seit 2008 ist der 46-Jährige Geschäftsführer seiner Agentur Prena Sports GmbH und Personal Trainer.
Nils Schumann ist sich heute sicher, dass sein Leben ohne den Olympiasieg in Sydney anders verlaufen wäre: „Ein zweiter Platz wäre auch gut gewesen. Dann hätte ich noch Ziele gehabt für die nächsten Jahre, für die ich alles hätte geben können.“ Dass er mit 22 Jahren schon an der Spitze seiner Laufdisziplin angelangt war, habe ihm die Chance auf eine kontinuierliche Weiterentwicklung genommen.
Schumann war 2000 plötzlich Olympia-Held, Medienliebling und Sportler des Jahres und ist dann mit dem hohen Erwartungsdruck nie so recht klargekommen. Viel Geld und Prominenz sowie Auftritte bei TV-Shows und Galas waren verführerisch für einen jungen Mann, der sich damals zu seinen drei Autos auch noch ein weiteres anschaffte, um den Hund spazieren zu fahren. Danach ging es für Schumann dann eine Zeit lang bergab, privat, sportlich und finanziell. Seine Frau verließ ihn und er musste nach Fehlinvestitionen Privatinsolvenz anmelden. In seinem 2016 erschienenen autobiografischen Buch „Lebenstempo“ gewährt der Mittelstreckler einen ungeschminkten Einblick in seine damaligen Probleme: „Ich wollte zeigen, dass auch in meinem Leben manches schiefgelaufen ist und dass ich als Ex-Leistungssportler ebenso mit Alltagsproblemen zu kämpfen habe wie andere auch.“
„Einiges ist schiefgelaufen“
Schumann konnte 2006 nach fast vierjähriger Verletzungspause nicht mehr ganz an die Spitze zurückkehren und verlor immer mehr die öffentliche Aufmerksamkeit. Zudem sah er sich in dieser Zeit im Umfeld seines umstrittenen Trainers Thomas Springstein noch mit einem Dopingverdacht konfrontiert, der in seinem Fall jedoch wohl unberechtigt war. Aus diesem tiefen Loch hat Schumann sich dann mühsam herausgearbeitet, bekam als Personal Trainer langsam wieder Boden unter die Füße und lernte 2008 seine heutige Frau kennen.
In Erfurt gründete er im gleichen Jahr seine Agentur Prena Sports GmbH, die große Lauf- und Sportevents organisiert, etwa den „Sportscheck Run Erfurt“ oder den Crosslauf „Legends of Cross“ im thüringischen Mühlberg. Als Schirmherr der Erfurter Sport- und Outdoor-Messe „sport.aktiv“ warb Schumann 2023 für Gesundheit und Fitness: „Es wird das beherrschende Thema der Zukunft sein, wie wir uns fit halten können, ohne es als Stress und Quälerei zu empfinden.“ Schumann bemüht sich auch, die eigene Fitness nicht zu vernachlässigen: „Ich muss den Bauchansatz bekämpfen, weil es nichts Schlimmeres gibt als einen Trainer, der Wasser predigt und selbst Wein trinkt.“ In seiner Firma, die Personal Coaching, Fitness-Kurse und Firmentraining anbietet, beschäftige er inzwischen acht qualifizierte Trainer, sodass er heute überwiegend mit Schreibtischtätigkeiten für Organisation und Eventplanung ausgelastet ist: „Ein bis zwei Laufeinheiten so über acht bis zehn Kilometer schaffe ich in der Regel pro Woche“, beschreibt er sein persönliches Sportpensum. Außerdem sei er als Besitzer einer deutschen Dogge zur Bewegung im Freien „verdammt“ und integriere seine Fitness in die Alltagsroutine, etwa indem er möglichst viele Wege zu Fuß zurücklegt oder mit dem Rad zur Arbeit fährt. Ganz wichtig sei aber, dass die sportliche Bewegung angemessen ist und Spaß macht, damit sie zu einem glücklicheren Leben führen kann. Es sei nämlich ein Fehlglaube, dass man nach dem Training immer „total fertig“ müsse, erklärt Schumann, der seine Sport-Philosophie durch Vorträge und sein Programm „Fitness ohne Stress“ weiterzugeben versucht.
Auch Sohn treibt Leistungssport
Schumann hat schon mehrfach mit seinen Äußerungen zum Thema Doping für Wirbel gesorgt, weil er sich bei Erwachsenen die Freigabe von leistungssteigernden Substanzen im Leistungssport durchaus vorstellen kann: „Der Anti-Doping-Kampf hat versagt und seine Aufgabe nie erfüllt.“ Zudem sei er sehr teuer und ineffektiv: „Die Freigabe wäre die einzige Chance für einen fairen Wettkampf“, formuliert er einen umstrittenen Änderungsvorschlag. Dennoch bleibt er bei seiner grundsätzlichen Ablehnung von Doping, bekannte jedoch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Wenn ich die Möglichkeiten gehabt hätte, weiß ich nicht, ob ich moralisch so sauber gewesen wäre, dass ich immer nein gesagt hätte.“
Zuletzt hat Schumann noch eine Leichtathletik-Trainerausbildung gemacht und trainiert jetzt auch seinen ebenfalls Leistungssport treibenden Sohn. Sollte der 16-Jährige leistungssteigernde Mittel nehmen wollen, würde er ihn nicht von deren Nutzung abhalten, sondern nur über die Folgen aufklären. Schumann hofft, dass die deutschen Leichtathleten bei den jetzigen Olympischen Spielen in Paris mehr Medaillen erkämpfen können als bei der jüngsten WM 2023. Die derzeitige Krise in der deutschen Leichtathletik führte Schumann kürzlich bei „Sport im Osten“ auf fehlenden Nachwuchs, fehlende gute Trainer, fehlende wirtschaftliche Anreize und unzureichende Wertschätzung durch die Verbände zurück: „Es ist viel Sand im Getriebe.“