Jüngst wurden in Südafrika die ältesten und noch immer bewohnten Termitenhügel der Welt entdeckt und auf 34.000 Jahre datiert. Darüber hinaus konnte ein wesentlicher Beitrag der Insekten zur natürlichen Kohlenstoffbindung nachgewiesen werden.
Termiten haben gemeinhin einen ziemlich schlechten Ruf. Sie werden vor allem als gefürchtete Schädlinge angesehen, weil sich manche der rund 2.900 Arten von Holz ernähren und daher aus diesem Material erstellte Bauten vernichten können. Aber inzwischen hat die Wissenschaft das Image der zuweilen wegen der weißen oder weißgelblichen Körperfarbe mancher Spezies als „weiße Ameisen“ bezeichneten Insekten, bei denen es sich allerdings um einen stammesgeschichtlichen Zweig der Schaben handelt, deutlich aufpoliert. Sie nehmen eine wichtige Rolle im Ökosystem ihres jeweiligen Lebensraumes ein, indem sie organisches Material zersetzen, für eine Belüftung, Durchfeuchtung und Humusbildung des Erdbodens sorgen und laut „National Geographic“ sogar als „Puffer gegen den Klimawandel“ angesehen werden können. Auch als „Klimatechniker“ oder „Ökosystemingenieure“ werden sie häufig bezeichnet, weil sie ihre Bodenumgebung oft bis in beträchtliche Tiefen hinein verändern können, und weil man ihnen längst auch einen wichtigen Beitrag im globalen Kohlenstoffkreislauf zugeschrieben hat. Termiten zählen zu den ältesten staatenbildenden Insekten, sie sollen unseren Planeten schon vor 130 Millionen Jahren bevölkert haben, ihre Kakerlaken-ähnlichen Vorfahren krochen schon vor 300 Millionen Jahren über die Erde.
Seit 130 Millionen Jahren
Die größte Bewunderung wird den Termiten, die in der wissenschaftlichen Fachsprache „Isoptera“, „Termitoidae“ oder „Termitoidea“ genannt werden, aber wegen ihrer verblüffenden bautechnischen Fähigkeiten entgegengebracht. Wobei nicht alle Arten die bekannten Termitenhügel errichten, sondern manche auch nur Nester im Boden oder auf Bäumen bauen. Dennoch werden die Termiten zu den beeindruckendsten Architekten der Natur gezählt. Ihre Bauten wurden dank eines ausgeklügelten Belüftungssystems schon als mögliche Vorbilder für neuartige Wolkenkratzer oder sogar für die Errichtung künftiger menschlicher Siedlungen auf unserem Erdtrabanten aus Mondgestein eingestuft. Denn die Mondbesiedlung müsste laut Forschern der University of Arizona extremen Temperaturschwankungen von bis zu 280 Grad trotzen und damit ähnliche klimatische Extremherausforderungen bewältigen wie die in Savannen oder Wüsten errichteten Gemeinschaftshügel der Termitenstaaten. Diese zählen bis zu mehrere Millionen Bewohner, die nur über einen vergleichsweise weichen Chitin-Panzer verfügen und zwischen zwei Millimeter und zwei Zentimeter groß sind.
Bei den Termiten gibt es eine strikte Arbeitsteilung zwischen dem für die Fortpflanzung zuständigen Pärchen aus König und Königin sowie den blinden Vertretern der Arbeiterkaste und der schützenden Soldaten-Armee. Termitenhügel können bis zu neun Meter hoch und bis zu 30 Meter breit werden. In ihrer Form können sie an Kuppeln, Pyramiden oder Säulen erinnern, wobei sie häufig auch noch über Türme oder Spitzen verfügen. Die Außenwände werden aus einem Gemisch aus Speichel und Erde errichtet, wobei dieser Brei durch die Sonneneinstrahlung hart wie Beton werden kann und dadurch wirksamen Schutz vor den zahlreichen Fressfeinden bietet. Im Inneren erstreckt sich ein wahres Labyrinth von Gängen und Luftschächten, die dafür sorgen, dass es in den Hügeln nicht zu warm und nicht zu feucht wird. Termiten sind auf allen Kontinenten anzutreffen, wobei sie vor allem in Asien, Afrika und Südamerika in riesiger Zahl heimisch sind. Sie bevorzugen Regenwälder, kommen aber auch in kargen Savannen oder Wüstengebieten bestens zurecht. In manchen Regionen Afrikas prägen die Termitenhügel das Landschaftsbild, im Norden des südafrikanischen Kruger-Nationalparks konnten allein rund 1,1 Millionen benutzte Termitenbauten registriert werden.
Im Jahr 2018 wurden im Nordosten Brasiliens in der Savannen-Landschaft von Caatinga, deren flächenmäßige Ausdehnung in etwa der von Großbritannien entspricht, rund 200 Millionen Termitenhügel entdeckt. Bis 2024 galten sie als die ältesten noch immer bewohnten Behausungen der Insekten. Nach Probenentnahmen aus elf Bauten durch ein britisch-brasilianisches Forschungsteam konnte festgestellt werden, dass die Entstehung der Bauten 700 bis 3.800 Jahre zurückliegt. Bei diesen Bauten handelt es sich um rund zweieinhalb Meter hohe und neun Meter breite Abraumhalden, auf denen die Tiere bis heute das bei der Errichtung der unterirdischen Gänge anfallende Erdreich entsorgen. „Die Menge des abgeräumten Erdreichs beträgt über zehn Kubikkilometer. Das entspricht dem Volumen von 4.000 großen Pyramiden von Gizeh. Es handelt sich um eines der größten Bauwerke, das jemals von einer einzelnen Insektenspezies errichtet wurde“, so das Team. „Das Besondere ist, dass die Hügel extrem alt sind – bis zu 4.000 Jahre, fast wie die Pyramiden in Ägypten. Es ist unglaublich, dass man heutzutage noch solch ein unbekanntes biologisches Wunder von dieser Größe und diesem Alter entdecken kann, dessen Erbauer noch existieren.“
Namaqualand in Südafrika
Doch diesen Altersrekord für noch immer bewohnte Termitenhügel konnte jüngst ein Forscherteam der südafrikanischen Stellenbosch University unter Leitung von Dr. Michele Louis Francis, die als Dozentin im Departement für Bodenkunde der Fakultät für Agrarwissenschaften tätig ist, locker toppen. Dabei war es mehr oder weniger eine Zufallsentdeckung. Denn eigentlich wollte das Team in einer an der Westküste Südafrikas gelegenen Region namens Namaqualand rund um den 530 Kilometer von Kapstadt entfernten Buffels River nur herausfinden, warum das dortige Grundwasser so stark salzhaltig ist. Da aber rund 20 Prozent der Fläche des Namaqualandes von Termitenhügeln bedeckt ist, vermuteten die Forscher einen direkten Zusammenhang zwischen den Insektenbauten und diesem ungewöhnlichen Phänomen. Deshalb machten sie sich an die Untersuchung der Termitenhügel, die zudem für den schon bekannten ungewöhnlich hohen Kohlenstoffgehalt im Boden und möglicherweise auch für die Kohlenstoffspeicherung durch ins Grundwasser vorgedrungene Salze der Kohlensäure namens Bikarbonate oder Hydrogencarbonate verantwortlich gemacht wurden.
Für ihre Arbeit, deren Ergebnisse jüngst im Fachmagazin „Science of The Total Environment“ veröffentlicht wurden, gruben die Forscher einige der über einen Durchmesser von bis zu 30 Metern verfügenden und auf Afrikaans „Heuweltjies“ (= kleine Hügel) genannten Bauten vorsichtig zur Probenentnahme an. Woraufhin die Insekten sogleich in den Notfallmodus umschalteten, um die entstandenen Löcher möglichst schnell wieder zu schließen. Mittels einer anschließenden, von Kollegen in Ungarn durchgeführten Radiokarbondatierung konnte das Alter der Hügel, die von sogenannten Erntetermiten oder Grasschneidetermiten der Spezies Microhodotermes viator errichtet worden waren, auf bis zu 34.000 Jahre beziffert werden. Wobei sich für den organischen Kohlenstoff eine Altersdatierung zwischen 13.000 und 19.000 Jahren ergeben hatte, für das Karbonat aber bis zu 34.000 Jahren. „Wir wussten, dass sie alt waren, aber nicht so alt“, so Dr. Francis. Damit konnten die Heuweltjies die brasilianische Konkurrenz um 30.000 Jahre schlagen. Und hatten daher laut Dr. Francis schon zu Zeiten existiert, als die Erde noch von Säbelzahnkatzen oder Wollmammuts bevölkert war. Und die Heuweltjies sind laut Dr. Francis damit auch älter als die ikonischen europäischen Höhlenmalereien. „Um das ins richtige Verhältnis zu setzen“, so Dr. Francis, „Diese Termitenhügel waren bereits uralt, als Wollmammuts noch die Erde bevölkerten. Während des letzten glazialen Maximums vor etwa 20.000 Jahren bedeckten riesige Eisschilde weite Teile Nordamerikas, Europas und Asiens. Diese Hügel waren damals bereits tausende Jahre alt und bieten ein lebendiges Archiv der Umweltbedingungen, die unsere Welt geformt haben.“
Das Team um Dr. Francis konnte nachweisen, dass die Termitenkolonien als berühmtestes Merkmal der Landschaft von Namaqualand über die lange Zeit hinweg durchgehend von Insekten bewohnt wurden. Wobei die Termitennester bis zu drei Meter tief unter die Erdoberfläche reichen und in der Version eines sogenannten Apartementkomplexes angelegt wurden. Laut Dr. Francis können die Termitenhügel wertvolle Informationen zum prähistorischen Klima der Erde liefern. Speziell für die Region des Namaqualands lasse sich daraus ableiten, dass das Gebiet zur Zeit der Entstehung der Hügel im Vergleich zur heutigen Situation deutlich feuchter gewesen sein müsse. „Die Heuweltjies haben gezeigt, dass es während der Entstehung in der Region deutlich mehr Niederschläge gab als heute. Dieses feuchtere Klima führte dazu, dass sich Mineralien wie Kalzit und Gips auflösten und ins Grundwasser gelangten“, so Dr. Francis.
Vorbild für menschliche Projekte
Das erklärt zum einen den Salzgehalt des Grundwassers, kann aber andererseits auch einen wesentlichen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten. Denn wenn Kohlenstoff tief unter der Erde in Form von Kalzit im Grundwasser gebunden wird, kann er nicht als klimaschädliches CO2 in die Atmosphäre gelangen und dort die Erderwärmung antreiben. Zusätzlich können die Termiten laut Erkenntnissen des Forscherteams diese langfristige CO2-Senke durch ihre alltägliche Arbeit weiter unterstützen. Dadurch dass sie nämlich regelmäßig frisch geerntetes, kohlenstoffhaltiges Pflanzenmaterial tief in ihre Nester befördern, können sie einerseits den Kohlenstoff unterirdisch binden und andererseits die Kohlenstoffreserven im Boden kontinuierlich erhöhen. Bei jedem größeren Regenschauer kann dieser Kohlenstoff dann wieder als Kalzit ins Grundwasser gelangen und dann dort noch langfristiger fixiert bleiben.
Diese langfristige Form der Kohlenstoffspeicherung könnte laut Dr. Francis durchaus zum Vorbild für Projekte von Unternehmen oder Regierungen zur beschleunigten Verwitterung oder zur Verbesserung der Alkalinität der Ozeane werden. Was enorm hilfreich für die Berechnung des Kohlenstoffbudgets eines Landes gemäß den Bestimmungen des Pariser Abkommens werden könne und damit auch bei Landnutzungsänderungen berücksichtigt werden müsse.
„Dieser Prozess ist entscheidend für das Verständnis natürlicher Kohlenstoffbindungsprozesse. Interessant ist, dass es in Namaqualand immer noch sporadisch starke Regenfälle gibt wie im letzten Winter, was den Prozess wieder in Gang setzen würde“, so Dr. Francis. Die Erntetermiten gelten als wahre Spezialisten in der Bindung und Speicherung von Kohlenstoff, indem sie Zweige, Gras oder Holz sammeln und anschließend tief im Boden verbuddeln. Was dem Erdreich offenbar sehr gut tut, denn in einer Region, in der kaum Niederschlag fällt, können auf den Termitenhügeln massenhaft Wildblumen blühen. „Die Entdeckung dieser Hügel ist vergleichbar mit dem Lesen eines alten Manuskripts, das alles verändert, was wir über die Geschichte zu wissen glaubten. Ihr Alter und die Einblicke, die sie in alte Ökosysteme bieten, machen sie zu einem Kandidaten für die globale Anerkennung als Naturwunder“, so Dr. Francis. „Durch die Untersuchung dieser Hügel können Wissenschaftler besser verstehen, wie man den Klimawandel bekämpfen kann, indem man die natürlichen Prozesse der Natur zur Kohlenstoffbindung nutzt. Sie unterstreichen auch die Bedeutung des Schutzes unserer natürlichen Welt, da diese winzigen Ingenieure unsere Umwelt seit Zehntausenden von Jahren gestalten. Diese Hügel beleuchten nicht nur die Vergangenheit, sondern bieten auch wichtige Hinweise für unsere Zukunft. Während wir weiterhin die Geheimnisse dieser alten Strukturen lüften, erinnern sie uns an das empfindliche Zusammenspiel zwischen Klima, Umwelt und Leben auf der Erde.“ Dr. Francis forderte daher nicht nur einen Verzicht auf die Zerstörung bestehender Hügel zugunsten landwirtschaftlicher Flächen, sondern auch eine Intensivierung der Forschung zu Termitenhügeln: „Wir werden gut daran tun, zu untersuchen, was die Termiten in den Hügeln angerichtet haben.“