Das Studienangebot hierzulande bietet jungen Menschen unzählige Möglichkeiten. Zum Wintersemester 2023/24 standen ihnen rund 22.000 Studiengänge an Hochschulen und Universitäten offen. Ein eher ungewöhnlicher Studiengang ist das Bachelorstudium Popularmusik an der Berlin School of Popular Arts.
Popularmusik wird von vielen meist vorschnell in die U-Musik-Schublade gesteckt. Dabei hat sie durchaus viele Spielarten und eröffnet schier unbegrenzte Experimentiermöglichkeiten. „Die Anfänge von Blues, Gospel und Jazz und später die der Rockmusik bilden die Grundlage für alles, was heute passiert“, sagt Robert Keßler, der seit 2017 als berufener Professor für Gitarre und Ensemble an der Berlin School of Popular Arts und als Studiengangsleiter arbeitet. So hält Keßler es für einen spannenden Gedanken, all das aufzusaugen, was es in der Musikgeschichte gab, und junge talentierte Musiker daraus etwas Neues gestalten zu lassen.
Sieben Semester an der Privathochschule
An der staatlich anerkannten Privathochschule Berlin School of Popular Arts (SOPA) kann man in sieben Semestern den Bachelor-Studiengang Popularmusik absolvieren. Angedockt ist diese kleine Hochschule an die SRH Berlin Hochschule für angewandte Wissenschaften. Außerdem kann man in den Studiengängen Musikproduktion und Audiodesign einen Bachelor machen. Während man im Studiengang Musikproduktion im klassischen Sinn zu einem Tonmeister mit musikpraktischen und kompositorischen Ansätzen ausgebildet wird, erfolgt die Ausbildung in „Audiodesign“ ausschließlich am Laptop, wo Musik produziert und komponiert wird. Grundsätzlich richtet sich das gebührenpflichtige Studium an „alle berufenen und interessierten Musikerinnen und Musiker mit Vorerfahrungen im Spielen von Instrumenten und im Gesang“, erläutert Robert Keßler. Soll heißen, dass all diejenigen, die sich an der Berliner Hochschule einschreiben lassen wollen, nicht bei Null anfangen, sondern etliche Stunden beziehungsweise Jahre an städtischen Musik- und Privatschulen unterrichtet worden sein sollen. „Natürlich ist es immer individuell unterschiedlich, wie lange die Leute gebraucht haben, um ein gewisses Niveau zu erreichen“, räumt der Studiengangsleiter ein.
Doch selbst wenn dieses Kriterium erfüllt ist, muss vor dem Start des Studiums noch eine Hürde genommen werden: „In der Aufnahmeprüfung schauen wir uns an, was jede Person mitbringt und wie wir damit arbeiten können“, sagt Robert Keßler. Denn es gehe nicht zuletzt darum einzuschätzen, ob die Bewerberinnen und Bewerber nach dreieinhalb Jahren berufsfähig sind und jenes Niveau erreicht haben, um als Musikerin oder Musiker zu bestehen. Was das Spielen von Instrumenten angeht, so sind dem kaum Grenzen gesetzt: Erlaubt sind alle modernen Bandinstrumente wie auch Blas- und Streichinstrumente. Ein entscheidender Punkt sei, dass die Personen „ein genuines Interesse an Komposition und Songwriting wie an der praktischen Ausführung ihres Instruments im Bereich popularer Musik mitbringen“, erklärt der Popularmusik-Lehrer. Mit Blick auf das Genre sei man nicht festgelegt – das Spektrum reicht von Popmusik über Rock, Jazz bis hin zur Weltmusik. Nur wer rein klassische Musik spielen will, wäre bei hier nicht an der richtigen Stelle. „Wohl ist sie aber Teil unserer Ausbildung, dass einmal jeder ein klassisches Stück spielt, um die entsprechenden Techniken und das Vokabular zu lernen. Es ist allerdings nicht unser primäres Interesse, klassische Musikerinnen und Musiker auszubilden“, so Robert Keßler. Nicht zu vergessen: der Gesang. „Nach wie vor ist es für junge Menschen sehr spannend, zu singen und sich über die Stimme kreativ auszudrücken.“
Eigene Talente und Fähigkeiten stärken

Immer geht es darum, während des Verlaufs des Studiums talentierte Musikerinnen und Musiker in ihren eigenen Fähigkeiten zu fördern und zu stärken. „Wenn eine Person als Indierock-Musiker zu uns kommt, dann werde ich den Teufel tun, sie umzuprogrammieren, sodass sie Studiomusiker wird, sondern ihr natürlich alle möglichen Skills an die Hand geben, die sie noch braucht, und darauf, was sie mitbringt weiter aufzubauen“, sagt Robert Keßler. Dozenten, die durchweg erfolgreiche Instrumentalisten und Sänger in der Musikszene Berlins und im übrigen Bundesgebiet sind, betreuen intensiv die Studierenden. Erst möglich wird dies dank der kleinen Jahrgänge, in denen zwischen fünf bis maximal 20 Personen studieren und unterrichtet werden. Den Kern der Ausbildung bildet der Einzelunterricht einmal pro Woche im Hauptfach. „Im Einzelunterricht kann man intensiver und detaillierter arbeiten als in einem Hörsaal, in dem 100 oder 200 Menschen sitzen“, sagt Robert Keßler. In diesem Setting kann auch geschaut werden, ob die Person, die ein Instrument spielt oder ihren Gesang weiter trainiert, auf dem richtigen Weg ist. In kaum einem anderen Studium an deutschen Universitäten und Hochschulen gebe es diese Eins-zu-eins-Betreuung. Die Vorteile für die Studierenden liegen auf der Hand: die intensive Lernerfahrung, das gezielte Eingehen auf die Bedürfnisse des Musikers/der Musikerin und das Mentoring. Erklärtes Ziel des Studiengangs Popularmusik ist es eben nicht, pures Wissen zu vermitteln, sondern Fähigkeiten zu trainieren und den Studierenden eine „Mappe an Skills“ mitzugeben. „Das geschieht allerdings nicht von heute auf morgen“, schränkt Robert Keßler ein.
Der Studiengangsleiter macht allerdings auch deutlich, dass das Üben einen wichtigen Platz einnimmt. Mindestens zwei bis vier Stunden sollte jeder – neben Job und Studium – täglich an Zeit investieren. In der Potsdamer Straße in Berlin-Schöneberg können die Popularmusik-Studis die dortigen Übungsräume nutzen. Ab Oktober steht den jungen Musikerinnen und Musikern ein neues Gebäude am Landwehrkanal in Neukölln mit zahlreichen Übungs- und Ensembleräumen zur Verfügung.
Wer den Abschluss in der Tasche hat, sprich den Bachelor of Music, dem stehen viele Türen in der Musikbranche und Kreativwirtschaft offen. „Die Berufsperspektiven sind sehr mannigfaltig und individuell sehr verschieden. Es gibt natürlich den Wunsch vieler junger Menschen, berühmt zu sein und ein Star zu werden. Das ist durchaus berechtigt und Chancen gibt es immer“, sagt Robert Keßler. Doch nicht immer lasse sich dieser Wunsch realisieren, denn neben Talent und Fähigkeiten entscheide vor allem der Zeitgeist und der aktuelle Zeitpunkt darüber, ob die Musik ankomme. Um den jungen Musikern klarzumachen, dass nicht immer der erste Weg der einzig richtige sein muss, kann es helfen, auf den Unterschied zwischen „recording artist“ und „working musician“ aufmerksam zu machen. Wenn man so will, ist der „working musician“ ein Berufsmusiker oder eine Berufsmusikerin. „Wir bilden trotz der berechtigten Wünsche vieler, ein Star zu werden, unsere Musikerinnen und Musiker so aus, dass sie in der Lage sind, in der Berufswelt zu bestehen. Dazu gehören Berufe, die auf das Handwerk angewiesen sind“, erzählt Robert Keßler.
Der deutsche Popsänger und Liedermacher Joris studierte etwa einige Semester an der SOPA, die Singer-Songwriterin Cloudy June und Sängerin CATT schlossen ihr Studium an der Berliner Hochschule ab. Unter den Absolventinnen und Absolventen gebe es zudem viele, die Theater- und Orchestermusiker geworden sind, die sich als Begleitmusiker für Künstler betätigen, eigene Coverbands gegründet haben, um unter anderem auf Partys und bei Firmen-Events spielen zu können. Andere wiederum arbeiteten als Lehrerinnen und Lehrer an Musikschulen, erzählt Robert Keßler. Doch damit sind die Berufsmöglichkeiten noch lange nicht erschöpft. Denn viele arbeiten im Bereich Songwriting, das heißt, sie schreiben Songs und Kompositionen für Verlage und Künstler oder haben Fuß gefasst als Arrangeure, Produzenten, Leihmusiker und musikalische Leiter diverser Bands und Orchester. „In aller Regel sind unsere Absolventinnen und Absolventen Freiberufler und können ein weit gefächertes Portfolio vorweisen“, sagt Robert Keßler.