Die Aktienmärkte in Panik bei ohnehin volatiler Lage – die Gründe sind vielfältig. Auslöser des kürzlichen Dax-Absackers waren laut Analysten Transaktionen zwischen Japan und den USA.
Ein gutes Jahr für Aktienanleger, ein Rekord jagt den nächsten mit Blick auf den deutschen Aktienindex (DAX), die Inflation sinkt weiter. Bis zum Wochenende Anfang August. Mit einem tiefen Fall der Aktienmärkte hatte kaum jemand gerechnet. Der japanische Nikkei-Index stürzte um zwölf Prozent ab, Aktienmärkte in Shanghai, in Frankfurt, London und an der New Yorker Wall Street folgten. Der VIX-Index, der die Volatilität des Aktienmarktes misst, raste innerhalb eines Tages in die Höhe und erreichte seinen höchsten Wert seit April 2023. Die Spekulationen schossen ins Kraut: Was war der Auslöser? Schuld daran seien die schlechten US-Arbeitsmarktdaten; der drohende Krieg im Nahen Osten, hieß es in den Medien. Die Eskalationsspirale zwischen Israel und dem Iran spielte sicherlich am Aktienmarkt eine Rolle; auch die überraschenden Daten aus den USA hatten negativen Eindruck hinterlassen. Aber was war tatsächlich passiert?
Meldungen aus den USA und Israel
Die USA veröffentlichten am Freitag neue Arbeitsmarktdaten. Demnach hat die größte Volkswirtschaft der Welt im Juli überraschend wenig neue Stellen geschaffen, die Arbeitslosigkeit erreichte den höchsten Stand seit fast drei Jahren. Die Zahl der neuen Jobs ist laut offizieller Statistik „nur“ um 114.000 gestiegen. Zuvor hatte man jedoch einen Anstieg um 175.000 erwartet. Die Arbeitslosenquote stieg um 0,2 Prozentpunkte auf 4,3 Prozent. Höher lag die Quote zuletzt im Oktober 2021. Schon vorher hatte sich eine Abschwächung der durch die „Bidenomics“ gestärkten US-Wirtschaft abgezeichnet. Laut Goldman Sachs ist die Gefahr einer Rezession gestiegen, die Bank of America sieht jedoch keine Rezession am Horizont. Dennoch stehen die großen Technologiewerte aus ganz unterschiedlichen Gründen gerade stark unter Druck, darunter Halbleiterhersteller wie Intel oder Wolfspeed, die beide Fabriken in Deutschland errichten wollen. Nun kommt es unter anderem auf die US-Notenbank an, wie die US-Wirtschaft reagiert. Bislang hat die Fed die Leitzinsen unverändert in der Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent und damit auf einem vergleichsweise hohen Niveau belassen. Es gibt jedoch erste Hinweise auf eine mögliche Zinssenkung im September, je nach Entwicklung der Wirtschaftsdaten.
Die Fed war mit ihrer Strategie nicht alleine. Die großen Zentralbanken hatten in den vergangenen Jahren weltweit die Leitzinsen stark angehoben, um die hohe Inflation infolge der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges in den Griff zu bekommen. Die Therapie war zwar wirksam, weil die Teuerung stark eingedämmt wurde. Doch nun könnte sie aus Sicht von Experten über das Ziel hinausgeschossen sein und die Wirtschaft möglicherweise jetzt zu hart treffen.
Klar ist, dass die Angst vor einem Ende der guten Wirtschaftsnachrichten nicht nur die Biden-Regierung im Weißen Haus kurz vor einer Wahl umtreibt, sondern auch Anleger. Doch da wäre noch ein Ereignis, das den kurzzeitigen Absacker erklären könnte. Während die Diplomatie der USA und anderer Staaten hinter den Kulissen auf Hochtouren läuft, droht der Iran mit einem Gegenschlag auf Israel. Dass Anleger ein deutliches Risiko in dem Konflikt sehen, zeigt der Goldpreis, der traditionell als Marker für geopolitische Krisen gilt. Der Preis für die Feinunze stieg seit März von 1.850 auf 2.200 Euro an und pendelt seither rund um diese Marke.
Carry Trades lösten Kursrutsch aus
Der eigentliche Auslöser für die Sorgenfalten der Börsianer aber lag in Japan. Die dortige Zentralbank hatte kürzlich die Zinsen überraschend erhöht, um den Verfall der Landeswährung Yen zu stoppen. Das unterschiedliche Vorgehen von Fed und Bank of Japan ergab zusammen einen gefährlichen Cocktail für die Börsen, denn es wurden auf globaler Ebene in erheblichem Umfang spekulative Geschäfte an den Devisen- und Aktienmärkten aufgelöst: sogenannte Carry Trades. Vereinfacht gesagt leihen sich Investoren in einem Land billiges Geld, um damit in einem anderen Geschäfte zu machen.
Als der Yen vor wenigen Wochen auf den niedrigsten Stand gegenüber dem US-Dollar seit 1986 gefallen war, hatten sich viele Investoren Geld im Niedrigzinsland Japan geliehen und im Hochzinsland USA investiert. Nun aber hat die Bank of Japan die Zinsen angehoben, während die Fed möglicherweise bald die Zinsen senkt. Somit liefen aus Sicht der Investoren Entwicklungen in beiden Ländern in die falsche Richtung; es war das genaue Gegenteil dessen, was sich Investoren ausgerechnet hatten. Den Investoren drohten also Geldverluste. Um diese auszugleichen, gingen Aktien über die Theke, und zwar in erheblichem Umfang. Die Folge: ein Kursrutsch an vielen Börsen. Dass dieser jedoch nicht nachhaltig war, zeigten schon die darauffolgenden Tage – die Kurse stabilisierten sich wieder rasch.
Trotzdem ist klar: Noch sind die finanziellen Nachwirkungen der Pandemie und des Krieges nicht abgearbeitet, der Markt volatil. Mithilfe der derzeitigen weltweiten Geldpolitik der Notenbanken erwartet aber zumindest die Bundesbank in ihrem Juli-Bericht eine „sanfte Landung“. Erwartbar wäre zwar ein Sinken des Bruttoinlandsproduktes, das nach wissenschaftlicher Erkenntnis immer mit dem Sinken der Inflation einhergeht. Das heißt, pro Prozentpunkt sinkender Inflation sinkt das BIP erfahrungsgemäß gleichermaßen oder stärker. Dies sei derzeit nicht zu beobachten.
Kurz gesagt: die globale Wirtschaft kam noch einmal mit einem blauen Auge davon. Ausnahmesituationen wie die Konsequenzen aus Carry Trades erschüttern hier kurzfristig das Gefüge. Sie tragen nicht zur dringend notwendigen Vertrauensbildung in den Markt bei.