Paukenschlag beim Grand Prix in Belgien: Sieger George Russell wird wegen seines untergewichtigen Rennautos disqualifiziert, der Triumph bleibt aber mit dem unrühmlich geerbten Sieg von Lewis Hamilton in der Mercedes-Familie.

Knapp drei Stunden konnte sich George Russel nach einem Strategie-Thriller über seinen Sieg in Belgien freuen. Dazu hatte er auch allen Grund. Mit einem riskanten strategischen Geniestreich von Startplatz sechs düpierte der Mercedes-Jungstar die gesamte F1-Konkurrenz. 34 von 44 Rennrunden, umgerechnet 238,136 Kilometer (bei einer Streckenlänge von 7,004 km), absolvierte der Brite auf dem gleichen Reifensatz. Bei seinem einzigen Boxenbesuch, der Ein-Stopp-Strategie in Runde zehn, ließ Russell die harte Reifenmischung aufziehen. Mit am Schluss abgewetzten „Schlappen“ kreuzte Russell als Erster die Ziellinie hauchdünn mit 0,526 Sekunden vor Teamkollege Lewis Hamilton. Doch die Freude über diese taktische Meisterleistung währte nicht lange. Russells dritter F1-Karrieresieg blieb ihm verwehrt.
„Jo“ Bauer ist der „Regel-Papst“

Etwa drei Stunden nach Zieldurchfahrt gab es gegen 19.30 Uhr lange Gesichter im Lager von Mercedes. Die Freude, das Lachen waren den Mercedes-Mannen vergangen, die ausgelassene Stimmung war plötzlich im Eimer. Eine E-Mail von der FIA (Automobil-Weltverband) flatterte in das Postfach von Mercedes. Die bittere Nachricht: Bei der üblichen technischen Kontrolle der Autos nach dem Rennen wurde festgestellt, dass der Mercedes von Russell nicht dem technischen Reglement entsprach. Das heißt konkret: Der Renner war nur noch 796,5 Kilo schwer, was 1,5 Kilo unter dem vorgeschriebenen Mindestgewicht von 798 Kilo liegt. Das Messergebnis wurde auf zwei verschiedenen Wagen der FIA bestätigt. Da mit dem Untergewicht Artikel 4.1 des technischen Reglements verletzt wurde, blieb den vier Regelhütern nichts anderes übrig, als Russell zu disqualifizieren.
Verantwortlich für die Wiegezeremonie und technische Genauigkeit ist Joachim „Jo“ Bauer. Der Saarländer aus Friedrichsthal ist das Röntgenauge, der Tüv-Professor, der Datendetektiv der Formel 1. Der Regelkontrolleur kennt jeden Millimeter eines jeden Autos. Ob ein Millimeter oder zehn zu kurz oder zu lang, ob ein Kilo oder fünf oder 100 Gramm zu leicht oder zu schwer, Bauer hat alle und alles im Blick. Von „Jo dem Schrecklichen“, wie der 63-Jährige in der Szene auch genannt wird, kann selbst ein Renommier-Rennstall wie Ferrari ein Lied singen. Kurzer Blick zurück: Damals, 1999 in Malaysia, gingen dem Technik-Detektiven Schumacher und Ferrari ins Regelnetz. Bei der Messkontrolle stellte der Genauigkeits-Fanatiker fest: Die Luftbleche von den Seitenkästen waren zehn Millimeter zu lang. Beide Ferraris waren betroffen. Schumacher und sein Teamkollege Eddie Irvine wurden disqualifiziert. Seit dieser Affäre ist der „saarländische Staatsanwalt der Boxengasse“ in der Pyramide der Namenlosen im GP-Zirkus der bekannteste Unbekannte. „Die ‚Bild‘-Zeitung verpasste mir damals den Namen ‚Pedant‘“, erinnert sich der Akribiker rückblickend. Um seinen Ruf zu verteidigen und wegen seiner Fahndungserfolge als „Schnüffler“ nicht in einem allzu schlechten Bild zu erscheinen, stellt der gelernte Diplom-Ingenieur Kfz-Technik und Absolvent der Technischen Hochschule Aachen gegenüber dem FORUM-Autor fest und klärt auf: „Ich mache doch nur meine Arbeit, nehme die Unregelmäßigkeiten an den Autos auf und leite diese an die Sportkommissare, die Stewards weiter.“ Seine Arbeit vergleicht „Schnüffler Jo“ mit dem Job der Polizei. „Die führt Geschwindigkeits- und Alkoholkontrollen durch, nimmt auf und gibt weiter. Ich gebe ja auch nur weiter. Ich disqualifiziere weder ein Team noch einen Fahrer und nehme niemandem WM-Punkte weg.“ Von sich selbst behauptet der „F1-Kommissar“: „Ich bin halt Jo der Troublemaker, der Mann, der Teams und Fahrern das Leben schwer macht.“ Und diese fürchten „Jo den Schrecklichen“ aus Friedrichsthal wie der Teufel das Weihwasser.
Sieg blieb bei Mercedes

Mit der Disqualifikation von Russell war der Mercedes-Doppelsieg futsch. Mit Hamilton auf Platz zwei wäre es der erste Doppelsieg seit Brasilien 2022 und der 60. Doppeltriumph der Sternmarke überhaupt gewesen. Da Hamilton nach Russels Ausschluss als Renn-Zweiter seinen 105. GP-Sieg unrühmlich erbte, bescherte er seinem Stern-Rennstall dennoch den 128. Triumph in der Königsklasse, den dritten in dieser Saison (Hamilton in England und Belgien, Russell in Österreich) und den sechsten beim Belgien-Grand Prix. McLaren-Pilot Oscar Piastri kreuzte auf der Natur-Achterbahn in Francorchamps als Dritter die Ziellinie und rückte auf Platz zwei vor. Ferrari-Star Charles Leclerc vervollständigte als dritter „Vorgerückter“ das Podium. Das komplette Feld rückte eine Position auf. Eine „Sonderrolle“ bei diesem 69. Grand Prix Belgien kam Weltmeister Max Verstappen zu. Der im belgischen Hasselt geborene Niederländer mit belgischer und niederländischer Lizenz (fährt aber für die Niederlande) eroberte bei seinem „halben“ Heimrennen zwar die Poleposition, wurde aber um zehn Plätze auf Startplatz elf strafversetzt. Grund: Mit dem Einbau eines fünften Motors in dieser Saison hat Red Bull das zulässige Limit von vier Aggregaten überschritten. Verstappen, der die Rennen in den Ardennen zuletzt dreimal in Folge (2021 bis 2023) dominiert hatte, wurde Vierter, seine Poleposition erbte übrigens Charles Leclerc.

Der Mercedes-Erfolg kam durchaus überraschend, zumal McLaren und Red Bull als Favoriten auf den Sieg galten. „Man will kein Rennen durch eine Disqualifikation gewinnen, und es ist natürlich enttäuschend für das Team, einen Doppelsieg zu verlieren, aber wir waren in den letzten Rennen wieder im Kampf um Siege dabei“, stellte der Noch-Sternfahrer (ab 2025 Ferrari-Pilot) fest. Sein frustrierter Teamkollege Russell, der eine Achterbahn der Gefühle erlebte, bekannte nach dem Urteil: „Es bricht mir das Herz, vom Rennen disqualifiziert worden zu sein. Es war ein unglaublicher Grand Prix, in dem wir eine Ein-Stopp-Strategie umsetzen konnten. Das Risiko war es wert, und es sah so aus, als hätte es sich ausgezahlt. Trotz der Disqualifikation bin ich natürlich stolz darauf, die Ziellinie als Erster überquert zu haben.“
Einsicht bei Mercedes
Teamchef Toto Wolff reagierte sachlich auf den Ausschluss seines Schützlings. „Wir müssen die Disqualifikation auf unsere Kappe nehmen. Wir haben eindeutig einen Fehler gemacht und müssen sicherstellen, dass wir daraus lernen. Wir werden analysieren, was genau passiert ist, um zu verstehen, was falsch gelaufen ist.“ Laut Chefingenieur Andrew Shovlin könnten der Verschleiß der Reifen in der Planke wohl die Hauptrolle gespielt und zum Untergewicht geführt haben. Für Wolff ist es einfach nur „frustrierend, einen Doppelsieg zu verlieren. Wir können uns nur bei George entschuldigen, der ein so starkes Rennen gefahren ist. Lewis war der schnellste Fahrer auf einer Zwei-Stopp-Strategie und ist ein verdienter Sieger“, bedauerte Wolff den ewigen Kronprinzen von Hamilton und lobte gleichzeitig den Rekordmeister.

Nach 14 von 24 Rennen haben wir schon sieben verschiedene Sieger auf vier unterschiedlichen Marken gesehen. Diese Saison ist anders, unvorhersehbar, spannend. Unter den Siegern ist erstmals Oscar Piastri. Der junge Australier (23), erst im zweiten Jahr in Diensten von McLaren, gewann in seinem 35. Formel-1-Rennen seinen ersten Grand Prix – den Puszta-GP in Ungarn. In Piastri als Ungarn-Sieger hatte sich der FORUM-Autor in seiner Vorschau getäuscht. „Dass ein aktueller Fahrer beim Puszta-GP seinen F1-Premieresieg feiern wird, wäre eine weitere große Überraschung in dieser Saison, ist aber eher unwahrscheinlich“, hieß es in der F1-Story. Doch dann gehört Piastri auf einmal zu den Piloten Damon Hill, Jenson Button, Fernando Alonso oder Esteban Ocon, die alle auf dem Hungaroring ihren F1-Premieresieg eingefahren hatten. Piastris Teamkollege Lando Norris sorgte mit Platz zwei für einen McLaren-Doppelsieg, Hamilton komplettierte als Dritter das Ungarn-Podium. Piastri ist der fünfte Australier, der sich in die Siegerliste eintrug. Seine Vorgänger: Jack Brabham (14 Siege, drei WM-Titel), Alan Jones (zwölf Siege, ein WM-Titel), Mark Webber gleichzeitig Piastris Manager (neun Siege), Daniel Ricciardo (acht Siege).
Ein anderer Name machte sonntagsabends im Fahrerlager die Runde. Die endlose Hängepartie um Carlos Sainz war beendet. Als letzter Hochkaräter auf dem Fahrermarkt ist der Spanier vom Transferkarussell gesprungen. Der dreimalige Grand Prix-Sieger hat einen mehrjährigen Vertrag beim Team Williams unterschrieben und Angebote von Audi/Sauber und Alpine ausgeschlagen. Der 29-jährige Madrilene musste mit der Verpflichtung von Hamilton seinen Platz bei Ferrari für 2025 räumen. Montags nach dem Spa-Rennen machte Williams den Deal offiziell. Eine weitere Personalentscheidung ist montags bei Red Bull gefallen. Der wegen schwacher Leistungen vor dem Rausschmiss gestandene Sergio Pérez bleibt neben Verstappen ein Bulle. Der Mexikaner darf sein Cockpit bis mindestens Ende der Saison behalten. In der Fahrerwertung ist Perez im besten Auto aktuell „nur“ WM-Siebter (131 Punkte), die Cheffahrer-Bulle Verstappen anführt (277) vor Norris (199), Leclerc (177), Piastri (167). Sainz ist WM-Fünfter (162) vor dem Sechsten Hamilton (150). Russell (116) liegt auf Platz acht vor Alonso (49) und Stroll (24). Der deutsche Haas-Pilot Hülkenberg ist WM-Elfter (22).
Formel-1-Film mit Brad Pitt

Bevor sich der F1-Zirkus nach Spa bis zum Grand Prix der Niederlande (25. August) in die vierwöchige Sommerpause (die Fabriken müssen dann 14 Tage zugesperrt bleiben) verabschiedete, bescheinigte ein ganz besonderer Gast den F1-Heroen höchste Anerkennung für ihre „Rennen auf allerhöchstem rennsportlichem Niveau“. Es war kein Geringerer als Hollywood-Superstar Brad Pitt. Der US-Schauspieler drehte nach seinen Besuchen bei den F1-Rennen in Silverstone und Budapest im Rahmen des GP Belgien auf der Rennstrecke von Spa-Francorchamps Sequenzen für seinen neuen Film mit dem simplen Titel „F1“. Ziel des Films ist es, den Einblick in die Welt der Königsdisziplin des Motorsports so realistisch wie möglich zu gestalten. Daher wird während des regulären Betriebs auch auf den Rennstrecken gedreht. Die Dreharbeiten waren an der Raidillon-Steilkurve, wo die Fans den Schauspieler zu sehen bekamen. Der Film soll den Zuschauer in die Welt des Motorsports eintauchen lassen. Dabei schlüpft der 60-Jährige in die Rolle von Sonny Hayes, ein Formel-1-Fahrer in den 1990er-Jahren, der nach einem schweren Unfall von der Bildfläche verschwindet und erst Jahre später wieder auf die Rennstrecke zurückkehrt. Drei Tage drehte der Schauspieler an der Rennstrecke. In diesem Streifen werden auch aktive Piloten zu sehen sein. Als Pitt im Fahrerlager auftauchte, war der Ex von Angelina Jolie von mehreren Personenschützern umringt und stahl den F1-Stars zeitweise die Show, stellte sie in den Schatten. Hauptdarsteller Pitt ist außerdem Co-Produzent des Films. Bei den Dreharbeiten wird er unterstützt vom siebenmaligen F1-Weltmeister Lewis Hamilton. Das Budget von 300 Millionen Dollar macht „F1“ zu einem der teuersten Filme der Geschichte. Vorgesehen ist die Aufführung für den 25. Juni 2025 in den Kinos.