Wenn Hitze und Tourimassen weg sind, schlägt in Istrien die Stunde der Aktivurlauber. Wie wär’s mit einem Biketrip auf einer alten Bahnstrecke? Einem Schnorchelpfad über römischen Ruinen? Oder einer Nacht-Kajaktour in eine Höhle? Und warum oder? Und!
Was für ein Service! Goran Halužan verleiht nicht nur die neuesten E-Bike-Modelle samt Equipment, sondern chauffiert uns auch mit seinem Kleinbus die 25 Kilometer nach Grožnjan. Dank Elektro-Unterstützung hätten wir die 300 Höhenmeter von Novigrad hinauf zu dem entzückenden Künstlerdörfchen zwar bestimmt auch im Sattel geschafft, „aber so könnt ihr euch in Ruhe in den netten Gassen und Ateliers umsehen“, meint der Kroate, „und habt vor allem mehr Zeit für die Parenzana“. Und die auf einer in den 1930er-Jahren aufgegebenen Bahnlinie verlaufende und vor etwa einem Jahrzehnt als Wander- und Bikestrecke reaktivierte Trasse ist heute schließlich der Star. Also tschüss, voller Parkplatz, und hallo Radabenteuer! Goran hat es uns schon vorhin gezeigt. „Dort in den Tunnel müsst ihr rein!“
Nach der Tour ein Sprung ins Meer
Echt jetzt? Wir sehen nämlich ziemlich schwarz. Doch sobald wir uns nähern, aktivieren Bewegungsmelder nach und nach kleine Lampen und bringen so auf rund 180 Metern Licht ins Dunkel. Spannend, und es folgen in den nächsten eineinhalb Stunden noch fünf weitere Tunnel, zudem mehrere Brücken und vier Viadukte, die sich in weiten Bögen über zugewachsene Täler spannen. Straßen, Häuser, Zivilisation? Kaum zu erkennen, dafür viel Grün und in der Rückschau Grožnjan, Weinhänge, das weite Mirna-Tal. Je weiter wir bergabfahren respektive rollen, desto rauer wird der schotterige Untergrund. Trotz Top-Federung der Mountainbikes werden wir ordentlich durchgeschüttelt. 21 Kilometer Hoppeln – das spürt man irgendwann in den Handgelenken. Beim nächsten Mal werden wir Goran um Bikehandschuhe bitten. Und es wird ein nächstes Mal geben! Schließlich führt die über 100 Kilometer lange Trasse noch weiter, nicht nur nordwärts nach Triest, sondern auch über Motovun, das auf einem noch steileren Hügel als Grožnjan thront, Richtung Poreč. Wir aber nehmen nach einer Stärkung in der herrlich-rustikalen Konoba Dorjana in Livade (köstlich: Pasta mit Trüffeln!) den direkten (Rad-)Weg nach Novigrad zurück. Der elektrische Rückenwind sorgt für relaxtes Strampeln. Als wir in Novigrad ankommen, sind wir dennoch verschwitzt. Nichts wie ab ins erfrischende, klare Meer!
So lautet die Devise auch tags darauf. Da steht Coasteering am Kap Kamenjak, einer unter Naturschutz stehenden Halbinsel am Südzipfel von Istrien, auf dem Programm. Bitte was? Majda, Mitbegründerin des Veranstalters „Pula Outdoor“, muss selbst ein wenig schmunzeln. „Als Kinder sind wir hier an der Felsküste einfach ewig rumgekraxelt und immer wieder ins Meer gehüpft. Heute heißt das Ganze Coasteering.“ Andererseits ist das Küstenklettern auch etwas ausgefeilter geworden: Einmal kriechen wir unter Felsen durch und zwängen uns durch irgendwelche Öffnungen. Kurz danach klettern wir in eine wassergefüllte Höhle und tauchen – der Eingang zum Meer ist zum Durchschwimmen zu niedrig– unter dem Fels wieder in die Bucht zurück. Dann wandern wir in voller Neopren-und-Helm-Montur über zackige Felsen und glatte Plateaus, auf denen sich Sonnenanbeter aalen, zu einem besonderen Spot: Aus sieben, acht Metern Höhe stürzen wir uns in die Tiefe und in die Fluten – mit viel Juhu und Quatsch-Posen. Foto-Time!
Das Wasser leuchtet in vielen Farben
Ein anderes Angebot von „Pula Outdoor“ ist leiser, thrillt uns aber noch mehr: das Night Glow Kayaking, neudeutsch für Nachtpaddeln. Dazu treffen wir uns bei Sonnenuntergang in Stoja, südwestlich von der vor allem für sein Amphitheater bekannten Stadt Pula. Der Wakepark schließt gerade – doch für Majda beginnt jetzt die Nachtschicht. Mit ihrem Kollegen Leo legt sie Neoprenanzüge, Schwimmwesten und Helme bereit und präpariert die Kajaks mit LED-Lampen. In der ersten halben Stunde reicht jedoch noch das Licht der Dämmerung, um den Weg über das spiegelglatte Meer in die nächste Bucht zu finden – und entlang der unbebauten Felsküste. Und ui, was war das da hinten? Eine Delfinflosse? Und gleich nochmal, diesmal sind es sogar zwei! „Delfine sehen wir hier tatsächlich sehr oft“, meint Majda, die schon mehr als 1.000 Touren geleitet hat. Das merkt man. Tiefenentspannt lotst sie die achtköpfige Gruppe, darunter auch einige Novizen, in Mini-Ausbuchtungen, vor fotogene Felsformationen und dann zum Höhepunkt der Tour.
Mittlerweile ist es fast stockdunkel und Majda bittet uns, die Bootsbeleuchtung anzuknipsen. Wow, das sieht magisch aus, wie das Wasser unter den Kajaks in unterschiedlichen Farben, aber sehr dezent erstrahlt. Auch Stirnlampen werden aktiviert. Alle genießen die Ruhe und sehen Majda zu, wie sie alleine auf eine hohe, breite, schwarze Felswand zu paddelt. Dann ist ihr Licht plötzlich weg. Die nächsten Teilnehmer folgen im Abstand von 30 Sekunden. Und auch sie sind mit einem Mal verschluckt. Dann ich. Mit leichtem Puls steuere ich auf die XXL-Felswand zu und erst ein paar Meter davor sehe ich den gerade einmal zwei Meter breiten Spalt. Durch den lässt sich das Boot durchmanövrieren – rein in den Berg, rum ums Eck, und nochmal und dann ist sie da: eine stattliche Ausbuchtung. Mit kleinen Tropfsteinen und einem Mini-Kiesstrand. „Willkommen in der Möwenhöhle“, strahlt Majda. „Auch wenn es hier höchstens mal Fledermäuse gibt – und vor ein paar Jahren mal eine Mönchsrobbe.“ Als das seltene Tier die Höhle als neues Zuhause wählte, war sie gesperrt. Doch diese Ruhe ist vorbei, in der Hochsaison geht es tagsüber sogar ziemlich geschäftig zu. Schwimmer, Paddler, Jugendliche. Nachts jedoch ist friedliches Ambiente garantiert. Ganz beseelt paddeln wir zurück zur Basis. Nun verstehen wir Majda, die zuvor behauptet hat, dass manche ihrer Gäste dieses besondere Erlebnis gar als Anlass für ihren Istrien-Urlaub nähmen.
Römische Ruinen in der Verige-Bucht
Ein anderes Top-Argument sind die Brijuni-Inseln, die nach dem Tod des jugoslawischen Staatschefs Tito 1980 zum Nationalpark erklärt wurden. Auf der größten der 14 Inseln, Veliki Brijun, lässt sich locker ein ganzer Tag verbringen (und dank Hotel auch die Nacht). Schließlich locken jede Menge, oft einsame Badestellen fernab der oft vollen Strände am Festland. Doch allzu langes Faulenzen wäre schade, lieber mit dem Miet-Scooter die 562 Hektar große Insel erkunden. Unsere Erfahrung: Nirgends macht Rollerfahren so viel Spaß wie hier. Zum einen kann man auf, wenn auch ordentlich in die Jahre gekommenen, Teerstraßen herrlich herumcruisen und sich Meeres- und Fahrtwind um die Nase wehen lassen. Vor allem stört kein Autoverkehr, nur die für Istrien so typischen Bummelzüge (siehe Novigrad, Poreč und Pula), Radfahrer und Fußgänger sind hier erlaubt. Und zum anderen gibt es viel zu entdecken. Hier ein lebensgroßes Dinosauriermodell am Strand, das darauf aufmerksam machen soll, dass im Umkreis Dutzende Fußabdrücke der Riesenechsen gefunden wurden (wofür man aber schon eine gewisse Vorbildung respektive Fantasie braucht, um diese von den vielen Felslöchern zu unterscheiden), dort ein Safaripark mit XXL-Zebragehege und anderen exotischen Tieren, und etwas weiter Mauerreste einer byzantinischen Siedlung. Noch älter sind römische Ruinen in der Verige-Bucht. Die befinden sich zum Teil unter Wasser. Interessant: Auf rund 500 Metern führt ein didaktischer Schnorchelpfad etwa 20 Meter vom Ufer entfernt durch die Bucht. An mehreren Bojen informieren Schilder– auch auf Englisch – über Amphoren, Schwämme, das aktuelle Riesenmuschelsterben und jahrtausendealte Gebäudereste. Eine witzige Idee, die noch besser wird, wenn sich genügend Fische blicken lassen (was bei uns nicht der Fall war) und das Wasser warm genug ist, um auch ohne Neoprenanzug eine Dreiviertelstunde auszuhalten. Vorteil Spätsommer und Herbst: Dann ist es nämlich nicht nur überall leerer, sondern das Wasser auch am wärmsten.