Die Fusion von Mode, Kunst und Technik nimmt unter den Designern einen immer höheren Stellenwert ein. Innovative Tools und KI-Materialien helfen dabei, den Spagat zu schaffen zwischen coolen Kreationen und nachhaltigen Ansätzen, die den Fortschritt in sich tragen.
Dank 3D-Technologie und smarten Textilien hat sich in der Branche ein neues Bewusstsein für Design eingeschlichen. Wie groß der Einfluss der Technik auf diesem Sektor inzwischen ist, zeigte die Art Basel sehr eindrucksvoll. Dank virtueller Realitäten ist es nicht nur möglich, neue Produktionswege zu gehen, sondern auch die Art und Weise zu verändern, wie Menschen mit Mode umgehen, sie wahrnehmen und mit ihr interagieren. Und das ist wörtlich gemeint, denn so mancher Entwurf kann sich mitteilen, Informationen vermitteln, auf äußere Einflüsse wie Regen und Sonne reagieren und vieles mehr.
Virtuelle Realitäten revolutionieren Mode
Ein Beispiel ist die „The War is over“-Jackenkollektion von Tomer Peretz. Er haucht ausgedienten Army-Jacken ein neues Leben ein, indem er sie nicht nur optisch mit eigenen Designs ordentlich aufhübscht, sondern sie auch chippt. Dadurch lässt sich jedes Unikat mit dem Smartphone des Trägers verbinden und gibt diesem bereitwillig Auskunft darüber, woher sie beispielsweise stammt. Für den Maler sind Technik und Kunst hier ein untrennbares Ganzes. Eine Erfahrung, die der Digital Product Passport (kurz DPPs) unterstützt. Auch er zeichnet digital Produkte aus, die ethische und nachhaltige Praktiken miteinander vereinen. So weiß der Kunde mit nur einem Klick, was er kauft, worin er sich kleidet und welche klimafreundlichen Wege er mit seiner Entscheidung geht. Hier schließt sich die Kreislaufwirtschaft. Laut Erfindern des Passes landen 99 Prozent aller neuen Anschaffungen in nur sechs Monaten wieder auf dem Müll. Der Schlüssel zur Veränderung liegt im Wissen darum, wie nachhaltig ein Produkt ist, aus welchen Materialien es besteht, wo es herkommt und wie es sich reparieren lässt vor dem Hintergrund, es so lange wie möglich zu nutzen. Über die Webseite www.circularise.com können solche Personalausweise für jedes Produkt angefordert werden. Einmal aufgebracht schaffen sie eine Verbindung aus Produzenten, Lieferanten, Verkäufern und Kunden. Sämtliche Wege und Informationen werden digital erfasst und gespeichert. Auf diese Weise lassen sie sich jederzeit abrufen und ermöglichen es, völlige Transparenz zu jedem neuen Kleidungsstück zu erhalten. Ähnlich handhabt das auch ZATAP (https://collectid.io). Das Schweizer Start-up schenkt den Kunden mithilfe einer digitalen Karte ebenfalls die Möglichkeit, alle Produktdetails und Transportwege zu lernen. Darüber hinaus verbindet es alle via Tag zu einer einzigartigen virtuellen Gemeinschaft, die nicht nur etwas über die Klimafreundlichkeit des neuen Lieblingsstücks erfährt, sondern gleich noch Einladungen zu Events, Ausstellungen und vielem mehr abrufen kann. So entsteht eine Art persönliche Werbebotschaft vom Designer an den Kunden. Die Karte schafft damit eine Brücke zwischen Style und Event. Die Tags lassen sich einfach auf den Kaufetiketten anbringen oder einnähen.
Digital Product Pass für Nachhaltigkeit
Dabei sind Nachhaltigkeit und Gemeinschaftssinn längst nicht die einzigen Faktoren, denen technikaffine Mode gerecht wird. Die Branche schafft maßgeschneiderte Erfahrung, eine individuelle Anpassung an die Bedürfnisse des Kunden, basierend auf seinem Lebensstil, dem persönlichen Geschmack und den Vorlieben eines jeden Einzelnen. Hier liegt der Fokus auf KI-Mode. Die wird nicht länger allein durch die Hand und den kreativen Geist des Designers konzipiert, sondern mithilfe künstlicher Intelligenz (kurz KI) geschaffen. Dabei läuft die Fertigung digital, zum Beispiel mit dem 3-D-Drucker. Eine individuell abgestimmte Produktion auf höchstem Standard erlaubt es, Kollektionen zu schaffen, die auf der Basis personalisierter Erfahrungen erwachen. Jedes erworbene Stück ist ein Unikat, ein Spiegel der eigenen Identität und dabei doch so leicht gefertigt wie ein klassisches Massenprodukt der verteufelten Fast Fashion Industrie. Die Verkaufsberatung läuft ebenfalls digital ab. Virtuelle Umkleidekabinen (Virtual Reality) ermöglichen es schon jetzt bei einigen großen Labeln mit dem eigenen Avatar auf Shoppingtour zu gehen. Der Assistent zieht den Avatar nicht nur an, er berät den Kunden außerdem zu den neusten Trends und misst den gesamten Körper ab. Das soll den Einkauf nicht nur einfacher machen, die KI-Technik soll die Rücksendequote senken. Damit sinkt der CO2-Abdruck eines Kleidungsstücks erheblich und die Kosten für den Transport zum Kunden reduzieren sich. Wer das Ganze auf die Spitze treiben möchte, der verzichtet ganz auf echte Kleidung und belässt es beim Virtual Clothing des Avatars. Der darf sich sogar Designerroben gönnen, für die es natürlich eine begrenzte Stückzahl und ein individuelles Design gibt.
Hinsichtlich der Entwürfe selbst sind die wildesten Produktionen problemlos möglich. KI und digitale Techniken fördern Vielfalt, stellen aber auch gleichzeitig Schönheitsstandards in Frage. Was schließlich taugt Mode, die massenkompatibel ist, aber die einzelne Person aus dem Fokus verliert? Datenanalyseverfahren schenken Klarheit über den wirklichen Bedarf, die individuelle Nachfrage und können diese bedienen. Langfristige Planung löst kurzfristige Bereitschaft ab. KI ist unermüdlich und bekommt Hilfe von anderen Technologien.
Smarte Stoffe regulieren Temperatur
Eine der wichtigsten Stützpfeiler in diesem Zusammenhang sind smarte Stoffe. Die sogenannte Nanotechnologie hat den Weg geebnet für die Entwicklung und Optimierung intelligenter Materialien. Diese sind in der Lage, sich individuellen Bedürfnissen anzupassen, indem sie die Körpertemperatur regulieren, die Herzfrequenz überwachen, Umweltveränderungen erkennen und sich sogar farblich an der Tagesstimmung orientieren können. Die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt. So sind biometrische Materialien künftig nicht nur in der Lage, die Gesundheitsversorgung zu übernehmen und das Fitnesslevel zu steigern, sondern auch neue Wege zur eigenen Identität aufzuzeigen. Und die ist unter anderem geruchsarm, denn der smarte Stoff von heute erkennt Schweiß und reduziert seine Ausdünstungen autark. Er kann den Feuchtigkeitstransport regulieren und dadurch den Tragekomfort erheblich verbessern. Eine Designerin, die sich auf smarte Stoffe spezialisiert hat, ist Anouk Wipprecht. Die Niederländerin schafft gemäß den Erläuterungen ihrer Webseite „technologische Couture; mit Systemen um den Körper, die zu künstlicher Intelligenz tendieren; als „Host“-Systeme auf den menschlichen Körper projiziert, ihre Designs bewegen sich, atmen und reagieren auf die Umgebung um sie herum.“ Ein Beispiel ist das Intel-Edison-basierte „Spider Dress“. Das Kleid sieht nicht nur schick aus, es verfügt über bewegliche Arme, ähnlich der Beine einer Spinne. Darin eingenäht befinden sich Sensoren, die merken, wenn sich jemand nähert und dann angreifen. Entliehen ist dieses System der Robotik und es zeigt deutlich, wie weit technologiebasierte Mode heute schon gehen kann, wenn man sie denn lässt. Kein Wunder, dass die Tech-Designerin auf große Kooperationen mit Audi, Swarovski und Google setzt. Dabei muss es gar kein Angriff sein, den so ein Kleid verhindert, auch in Sachen Gesundheitsvorsorge haben die Stoffe der Zukunft einiges zu bieten.
Allergien auf bestimmte Inhaltsstoffe in der Kleidung sollen bald der Vergangenheit angehören, denn die neue Mischung aus Naturfasern und Bio-Chemiefasern sorgt für ein gutes Tragegefühl, selbst bei sehr sensibler Haut. Zudem sind die neuen Materialien natürlich nachhaltig hergestellt aus erneuerbaren Quellen und recycelbar. Einige der „Superstoffe“ kommen dabei ganz ohne Nähte aus und das aus gutem Grund: Nahtstellen sind nicht nur Schwachpunkte an der Kleidung, sie stören auch das Tragegefühl und können zu Hautreizungen führen. Damit soll nun Schluss sein. Erstrebenswert ist zudem ein ergonomisches Design. Stretch-Panels, gezwungene Knicke und Gelenkriemen ermöglichen einen idealen Bewegungsradius des Menschen und das nicht nur bei funktionaler Kleidung wie Sporthosen, sondern einfach überall. Wer auf Accessoires verzichten möchte, der wählt Modelle mit eingenähten Spezialtaschen. Die versteckten Fächer bieten Platz für Wertgegenstände wie Geld oder das Smartphone, ohne dass sie nach außen hin sichtbar wären.
Zudem brauchen Advanced Fabrics weniger intensive Wascheinsätze, denn sie reinigen sich ganz einfach selbst. Damit das gelingt, haben Forscher Stoffe entwickelt, die ausgerüstet sind mit speziellen Nanopartikeln. Diese stoßen Flüssigkeit und Schmutz ab, die Kleidung bleibt also länger sauber. Ein wichtiges Plus für den Klimawandel, denn beim Waschen wird viel Energie benötigt, die sich auf diese Weise deutlich reduzieren lässt. Es geht aber noch besser: Der neuste Clou unter den Entwicklern sind Textilien, mit denen sich Energie gewinnen lässt. Dazu ist der Stoff derart konzipiert, dass er Sonnenenergie oder kinetische Energie abfangen kann. Diese wandelt er selbstständig in Strom um. Auf diese Weise lässt sich das Handy direkt in der Hosen- oder Jackentasche aufladen, ohne zusätzliche Energiequellen anzapfen zu müssen.
Technik vereint Funktion und Stil
Damit Kleidung wie die oben genannten Beispiele es von der Idee über den Entwurf zur abschließenden Produktion und bis in den Verkauf schaffen, sind Modeschaffende gefragt, die bereit sind, sich weiterzubilden und die neusten Programme dafür nutzen möchten. Dabei steht ihr späteres Schaffen auf drei Säulen. Sie müssen zunächst das Material verstehen lernen, um die Entscheidung darüber treffen zu können, welches Design sich am besten anbietet. Jeder Stoff bringt eigene Eigenschaften mit wie seine Dehnbarkeit und das Gewicht. Das muss Berücksichtigung bei der Fertigung finden, damit später ein größtmöglicher Tragekomfort bei hoher Funktionalität erreicht werden kann. Die zweite Säule bildet die Fähigkeit, unterschiedliche Nähtechniken zu beherrschen, von simplen Stichen bis zu kompletten Haute-Couture Finishes. Nur durch perfekte Konstruktionen gelingen anspruchsvolle Kleidungsstücke. Zuletzt kommt es dann auf das sogenannte „Precision in Pattern Making“ an. Es ist notwendig, technisches Know-how mitzubringen, um aus den Ideen auf dem Papier ein echtes Design zu erschaffen. Nur so gelingt es, die eigenen Fertigkeiten zu nutzen, um einem Konzept wirklich Leben einzuhauchen. Und das kann eine komplexe Angelegenheit sein. Dabei kennt die Kreativität keine Grenzen. Tech Artistry macht es Designern möglich, nicht nur mit Farben, Schnitten und der Stoffauswahl zu experimentieren, sondern ihren Entwürfen spezielle Funktionen zuzuschreiben. Manche mögen lustig gedacht sein wie das Spinnenkleid, andere sinnvoll, um Gesundheit und Fitnesslevel zu überwachen und wieder andere sind einfach eine praktische Spielerei wie die Info-Tags auf den Bekleidungsetiketten. Dass es dazu passende Accessoires gibt wie Smartwatches, farbwechselnde Ringe, sprechende Handtaschen und dimmbare Brillengläser ist eine nette Ergänzung, die die Verbindung zwischen persönlichen Vorlieben und praktischen Gadgets noch einmal hervorheben.
Technik und Mode spielen schon heute ein gewinnendes Doppel, wenn es darum geht, Funktionalität und Stil miteinander zu verbinden. Grundsätzlich eröffnen sich für Designer hier endlose Möglichkeiten schöner Kreationen, die das gewisse Extra an Komfort mit sich bringen. Da ist es kein Wunder, dass diese Branche nicht allein von klassischen Modedesignern beherrscht wird, sondern sich auch andere Berufsfelder wie Künstler und Ingenieure längst in diese Sparte wagen. Das Ziel ist hierbei klar definiert: Das Kleidungsstück der Zukunft muss anpassungsfähig, leistungsstark und nachhaltig sein. Der Gedanken soll weggehen vom reinen Styleobjekt, dass seelenlos über den Laufsteg wandert hin zu einem persönlichen Lieblingsstück ganz nach eigenem Geschmack mit dem Hauch optimierter Funktionalität. Nur so kann Slow Fashion auf höchstem Niveau wirklich funktionieren. Ein Markt mit riesigem Wachstumspotenzial.