Nancy Faeser gibt im Kampf gegen Rechtsradikale nicht auf, auch wenn das Verbot eines rechtsextremen Magazins ausgebremst ist. Das wirft grundsätzliche Fragen auf.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) versucht in die Offensive zu gehen. Dabei hat sie erst einmal eine juristische Niederlage zu verkraften. Es geht um das Verbot des Magazins „Compact“ (samt dessen Online- und TV-Publikationen). Das Magazin wurde zunächst vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachtet und dann als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft.
Das Bundesverwaltungsgericht hat dieses Verbot in einer Eilentscheidung in Teilen vorläufig aufgehoben und Zweifel erkennen lassen, ob ein Verbot verhältnismäßig ist. Schließlich ist die Presse- und Medienfreiheit in der Demokratie ein besonders hohes Gut. Eine endgültige Entscheidung wird erst im Hauptsacheverfahren fallen.
„Geistige Brandstifter“
Das Innenministerium begründete sein Verbot damit, dass dieses Magazin gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Menschenwürde verstoße, und das „aggressiv-kämpferisch“. Regelmäßig wird gegen Migranten, gegen „Altparteien“ und „Systemmedien“ gehetzt und von „Umsturz“ gesprochen. In einer Erklärung des Bundesamtes für Verfassungsschutz heißt es: „‚Compact‘ verbreitet ein antisemitisches, minderheitenfeindliches und geschichtsrevisionistisches Weltbild in seinen Publikationen. Zudem werden verschwörungsideologische Erzählungen für die eigenen Zwecke politisch instrumentalisiert. Hauptmerkmal vieler der verbreiteten Beiträge ist zudem die Agitation gegen die Bundesregierung und allgemein das politische System Deutschlands. Es ist zu befürchten, dass Rezipienten der Medienprodukte durch die Publikationen, die auch offensiv den Sturz der politischen Ordnung propagieren, aufgewiegelt und zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung animiert werden.“
Für das Verbot stützte sich das Bundesinnenministerium auf eine umfangreiche Materialsammlung des Verfassungsschutzes und ging den Weg über ein Vereinsverbot. „Das Grundgesetz sieht das Instrument des Vereinsverbots vor. Es ist wichtig, dass wir diese In- strumente der wehrhaften Demokratie anwenden. Hier geht es um eine als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Organisation. Diese Organisation propagiert einen Umsturz.“
Nun ist der Weg über ein Vereinsverbot unter Juristen ziemlich umstritten. Innenministerin Faeser verweist allerdings darauf, dass in der Eilentscheidung des Gerichts das Vereinsverbot durchaus als mögliches Instrument angesehen worden sei.
Sie gibt sich jedenfalls kämpferisch, trotz dieser ersten Schlappe vor Gericht: Es sei in einem Rechtsstaat „selbstverständlich, dass Maßnahmen vor Gericht geprüft oder korrigiert werden“. Sie werde jedenfalls „im Handeln gegenüber Verfassungsfeinden nicht nachlassen“, so Faeser. Das Verbot zeige, so hatte sie zur Begründung betont, „dass wir auch gegen die geistigen Brandstifter vorgehen, die ein Klima von Hass und Gewalt gegenüber Geflüchteten und Migranten schüren und unseren demokratischen Staat überwinden wollen“.
Gleichzeitig mit Nancy Faeser hält der „Compact“-Herausgeber Jürgen Elsässer keine tausend Meter entfernt seine Pressekonferenz ab, um seine Sicht der Dinge auf den Richterspruch im Eilverfahren kundzutun. In der jubelt er zunächst:
„Ich danke an dieser Stelle vor allem der Bundesinnenministerin, die jetzt mit ihrem gescheiterten Verbotsverfahren für so einen Hype des ,Compact‘-Magazins gesorgt hat“. Und dann legt er im Stil seines Magazins nach, spricht von „autoritären, um nicht zu sagen faschistischen Übergriffigkeiten der Innenministerin“.
Die CDU/CSU-Opposition im Bundestag äußert nach dem Eilverfahren entsprechend Kritik an der Bundes-innenministerin. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), zeigt sich entsetzt über die Vorgehensweise. „Die Ministerin hätte den alten Grundsatz beherzigen sollen, dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit geht“, sagt er und ergänzt: „Gerade als Innenministerin müsste sie wissen, dass die Meinungsfreiheit ein essenzielles Grundrecht ist.“
Dieser Punkt hatte auch zu Kritik von Journalistenverbänden geführt. So erklärte der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) Mika Beuster: „Ich würde es begrüßen, wenn die Bundesinnenministerin ihren berechtigten Kampf gegen den Rechtsextremismus unter Beachtung der verbrieften Grundrechte führt.“ Und „Reporter ohne Grenzen“ kommentierte die vorläufige Gerichtsentscheidung: „Pressefreiheit gilt auch für unbequeme und schwer erträgliche Veröffentlichungen, auch solche mit extremen Inhalten.“
Damit zeigt sich das Dilemma, das sich immer wieder auftut: Wie umgehen mit Publikationen, die sich inhaltlich klar gegen Grundsätze und Werte der demokratischen Grundordnung wenden, in der umgekehrt wiederum die Meinungs- und Pressefreiheit zu Recht als eines der höchsten Güter gilt. Nicht umsonst wird immer wieder der Satz zitiert: „Ich bin zwar nicht deiner Meinung, aber ich werde immer dafür kämpfen, dass Du Deine Meinung sagen darfst“.
Braucht wehrhafte Demokratie Verbote?
Was aber, wenn diese Freiheit genutzt wird für Meinungen, die klar gegen Grundsätze wie die Menschenwürde verstoßen, die nicht umsonst als oberster Grundsatz in Artikel 1 des Grundgesetzes steht? Meinungs- und Pressefreiheit stehen in Artikel 5, gehören damit aber auch zu den unveränderlichen Grundrechten im Grundgesetz.
Und was, wenn nicht nur gegen Grundsätze der Menschenwürde verstoßen wird, sondern gleichzeitig auch der Umsturz des Systems herbeigeschrieben wird? Wirklich trennscharfe Linien, wie weit die Freiheiten gehen und wo Grenzen überschritten werden, sind kaum auszumachen. Gerade rechtsextreme Publikationen bewegen sich bewusst in dieser Zone und testen die Belastbarkeiten aus.
Im Fall „Compact“ ist die Einstufung als „rechtsextremistisch“ durch jahrelange Beobachtungen des Verfassungsschutzes bestätigt, auch dass es sich um ein „zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene“ handelt. Der Verlag hat enge Beziehung zur „Identitären Bewegung“, prominente Mitglieder treten als Autoren auf. Deren politische Pläne, für die beispielsweise das Stichwort „Re-Migration“ steht, haben Anfang des Jahres zu millionenfachen Protesten in Deutschland geführt.
Die Rolle von Verlagen und Publikationen wie „Compact“ dürfe nicht nur wegen ihrer extremen Hetze, „sondern auch aufgrund der internationalen Vernetzung mit Antidemokraten in Russland oder den USA nicht unterschätzt werden“, hatte beispielsweise die Antonio Amadeo Stiftung gewarnt.
Auf der anderen Seite halten aber auch Extremismusforscher und Politikwissenschaftler wenig von solchen Verboten. So wird Hajo Funke (im ZDF) mit den Worten zitiert: „Eine wahrhaft wehrhafte Demokratie arbeitet nicht mit Verboten“.