Christopher Bauder macht weltweit als Lichtkünstler Furore. Mit dem Designstudio Whitevoid hat er die „Lichtgrenze“ zum Mauerfall-Jubiläum geschaffen, auch seine „Dark Matter“-Ausstellung fasziniert in Berlin viele Menschen.
Alte und Junge, sogar mit Kinderwagen stehen Leute am Eingang zur Lichtinstallation „Dark Matter“ in Berlin-Lichtenberg. Auf einem ehemaligen Fabrikgelände möchten sie sieben schwarze Räume, sieben Kunstinstallationen, begehen. Es sei ein Parallelkosmos aus raumgreifenden Lichtinstallationen, in dem die Grenzen zwischen realer und digitaler Welt verschwimmen, verspricht die Ankündigung. Eine große Rolle spielt der Sound, um die bunten beweglichen Bilder als Choreografie zu begreifen. Mal setzt man sich hin und lässt die Gedanken schweifen, während repetitive Klänge und aufflackernde Lichter den Raum erfüllen. Mal steigt man selbst auf einer Leiter herum, um Töne und Bilder zu erzeugen.
Schon als Junge Lampen gebaut
Geboren 1973 in Ulm, aufgewachsen am Bodensee, war Christopher Bauder der Weg zum internationalen Lichtkünstler nicht gerade vorgezeichnet. „Als Kind wollte ich Tierarzt werden“, sagt er, „ich bin vom Land“. Aber er habe schon als kleiner Junge alles gesammelt, womit man Licht oder Feuer machen konnte und kleine Lampen gebaut.
Aus seiner Generation stammen die Besucher von Berliner Technoclubs der 90er-Jahre, wo Lichteffekte die Klänge ergänzten. Und auch er frequentierte die bekannten Locations: Tresor, E-Werk und WMF. Tagsüber studierte er Film, sowie Gestaltung mit digitalen Medien an der Hochschule der Künste Berlin..Ein Auslandssemester absolvierte Bauder am School of the Arts Institute in Chicago, einer weiteren Wiege der Techno- und House-Music.
„Ich bin ein typisches Berliner Techno-Kid“, sagt er über die Stadt, in der er immer noch lebt. „Es hat mich geprägt, wie dort Musik, Visuals, Licht und die Extase der Tänzer zusammenkommen.“ Ein Club sei anders als die normale Welt, man sei entrückt. Diesen Effekt will er auch bei den Besuchern seiner Installationen erzielen.
Doch es ist eine andere Aktion, die auf der ganzen Welt Aufmerksamkeit erzielt hat. Vor zehn Jahren konzipierte Christopher Bauder mit seinem Bruder Marc die „Lichtgrenze“, die den 25. Jahrestag des Berliner Mauerfalls markierte. Auf 15,3 Kilometern stellten sie 8.000 Lichtstelen in Original-Mauerhöhe auf und machten die Teilung der Stadt noch einmal anschaulich. Abends leuchteten die weißen Ballons und durchschnitten Stadtviertel und Straßen wie zu Zeiten der Mauer. Am 9. November 2014, um 19.20 Uhr, durften Ballonpaten je einen heliumgefüllten Ballon von der Stele lösen – der dann traumartig in der Dunkelheit entschwand.
![Als Kind wollte der international gefragte Lichtkünstler Christopher Bauder Tierarzt werden](/sites/default/files/inline-images/35_2024_Kultur_BE__Lichtkunst_001.jpg)
Die Berliner und ihre Gäste waren begeistert; rund zwei Millionen sahen die „Lichtgrenze“ in drei Tagen. „Die Menschen kommen, weil Licht anzieht“, sagt Marc Bauder in der filmischen Begleitdokumentation. „Das Werk hat Leute aus Ost und West zusammengebracht, die sich darüber unterhalten haben“, so Christopher Bauder. „Aus dem schweren, brutalen Thema konnten wir etwas ätherisch Leichtes formen und zeigen, wie aus Negativem etwas Positives entstehen kann.“
Ein weiterer Meilenstein war die Lichtdramaturgie für die ABBA-Voyage-Show in London. In der 2.500 Quadratmeter großen Arena gestaltete Bauder mit seiner Firma Whitevoid die Beleuchtung. Bei jedem Hit, den die Avatare der schwedischen Supergruppe spielen, reißt die derzeit größte kinetische Lichtshow der Welt die Gäste mit. Der Lichtraum verbindet die virtuellen Sängerinnen mit dem Publikum in einer Welle der guten Laune. „Über zwei Millionen Menschen haben die Show schon gesehen“, sagt Bauder. „Wichtig war, die Emotionalität eines Live-Konzerts zu vermitteln. Nach dem zweiten Song springen die Leute auf und tanzen.“
„Ein steiniger und mühseliger Weg“
In Riad ließ er Hochhäuser über Lichtsignale in einen dynamischen Dialog treten. Im Moment arbeitet das Team an einer riesigen Schau für ein Casino in Macao. Gemeinsam mit dem renommierten Filmregisseur Zhang Yimou wird dabei chinesische Kunst inszeniert, klassische Instrumente und Tanz verschmelzen mit moderner visuell-gestützter Animation. Im Dezember eröffnen in Berlin die „Winterlights“, die saisonale Outdoor-Installation von „Dark Matter“. Bauder spielt auch mit dem Gedanken, eine Erweiterung seiner erfolgreichen Dauerausstellung zu bauen.
Für seine audiovisuelle Installation „Vektor“ im Kraftwerk Berlin zu Beginn dieses Jahres hat er erstmals selbst den Sound komponiert. Entstanden ist eine synästhetische Arbeit mit 50 beweglichen Lasern, die er sein bisher persönlichstes Werk nennt. Für Momente und Erinnerungen fand er Lichter und Klänge, die seinen Lebenslauf nachzeichnen. Entfernt erklingen Kirchenglocken auf dem Lande, Meeresrauschen lässt an entspannte Ferien denken und natürlich dürfen die Techno-Tracks der durchtanzten Berliner Clubnächte nicht fehlen.
„Ich möchte in Zukunft mehr eigene Kompositionen machen“, sagt Bauder. Digitale Programme gäben ihm, der kein Keyboard spielen kann, inzwischen die Möglichkeit dazu. Überhaupt, durch die neuen Technologien hätte er – aber auch nachkommende Kunstschaffende – die allerbesten Voraussetzungen. „Heute sind die Rechner schnell und es gibt praktische Tools. Als wir angefangen haben, gab es viele Ideen, aber die technische Umsetzung war noch nicht möglich.“
Es gebe keine Schnellstraße zum Erfolg, erkläre er beispielsweise Studierenden in Vorträgen. Es sei ein langsamer, steiniger und mühseliger Weg mit viel harter Arbeit. „Man muss dranbleiben, und ganz oft nein sagen, wenn eine Anfrage in die falsche Richtung geht – auch wenn es schnelles Geld bedeuten würde.“
Man sehe am Ende immer die tollen Bilder der Installationen oder den Film, in dem alles funktioniere. Doch sogar bei der ikonischen „Lichtgrenze“ hatte das Team mit Problemen zu kämpfen, über die er heute sprechen könne. Seine damaligen Auftraggeber von der Stadt Berlin wurden nervös, als sich die Ballons im Test nicht aus der Halterung lösten, weil es kurz zuvor geregnet hatte: „Durch das Wasser hatte sich der Ballon angesaugt. Wir mussten umgehend eine Lösung für 8.000 Stelen finden.“ Pro Stele wurden dann in Handarbeit fünf Schaumstoffplättchen angebracht, die das Ansaugen vermeiden sollten. „Zum Schluss hat es gar nicht geregnet.“