Drei Fragen
"Wir brauchen eine Politik für das Auto"
Ein Gegeneinander in der Mobilität ist so nicht mehr tragbar. Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer müssen gleichberechtigt sein, so der FDP-Generalsekretär der FDP, Bijan Djir-Sarai.
Herr Djir-Sarai, für den Beschluss des FDP-Präsidiums: Mehr Autos in die Innenstädte, gab es viel Kritik von den anderen Parteien. Haben Sie dafür Verständnis?
Nein, habe ich nicht. Bei unserer Forderung geht es ja nicht nur um mehr Autos in den Innenstädten, sondern es geht vor allem um die Menschen in den ländlichen Räumen. Die haben in ihrer Umgebung weder die Möglichkeit, vernünftig einkaufen zu gehen, viele Geschäfte haben zu, es gibt sie einfach nicht mehr. Sie müssen in die nächsten Städte fahren. Das können sie nur mit einem Auto, weil kein Bus mehr fährt, und dann werden sie in Innenstädten damit betraft, dass sie keinen Parkplatz finden, beziehungsweise sie mit ihrem Auto gar nicht erst in die Innenstädte reinkommen. Es geht hier um Selbstbestimmung des Menschen, und dazu gehört, die Mobilität für alle zukunftssicher zu gestalten.
Das widerspricht aber doch der Linie ihrer Ampelregierung, die ja weniger Autoverkehr will, also der nächste Krach in der eigenen Regierung?
Nein, überhaupt nicht, sondern wir als Liberale haben hier eine Forderung formuliert. Das machen SPD- und Grünen-Vertreter auch, immerhin bin ich als FDP-Generalsekretär obendrein kein Regierungsmitglied. Darum kann ich es bestens vertreten, eine Verkehrspolitik zu fordern, die nicht von Ideologie gleitet wird. Wir haben dafür gesorgt, dass zum Beispiel zukünftig Straßen und Brücken schneller saniert werden. Verkehrswende ja, aber auch Elektro-Autos brauchen Straßen, auf denen sie fahren können.
Sie wollen auch eine Flatrate fürs Parken in den Innenstädten. Also so was wie das 49-Euro-Ticket, nur eben fürs Parken in den Innenstädten?
Warum denn nicht? Wir fördern den öffentlichen Nahverkehr mit insgesamt drei Milliarden Euro durch das 49-Euro-Ticket, warum soll es so etwas nicht geben fürs Parken in den Innenstädten? Man muss immer daran denken: Das 49-Euro-Ticket im ÖPNV wird vom Steuerzahler komplett bezahlt, warum sollte eine solche Solidarität nicht auch für Bürger gelten, die ihr Auto in einer Innenstadt abstellen wollen. Gerade in den ländlichen Räumen beobachten wir seit vielen Jahren ein Sterben der Innenstädte. Ein kostengünstiges Parken könnte viele Kundinnen und Kunden wieder in diese Innenstädte zurücklocken und diese damit wieder beleben. Interview: Sven Bargel
Porsche steigt bei Varta ein
Der Sportwagenhersteller Porsche will beim finanziell angeschlagenen Batteriekonzern Varta einsteigen. Der Stuttgarter Autobauer plant offenbar Vartas Autobatterie-Tochtergesellschaft V4Drive Battery mehrheitlich zu übernehmen. Das teilte die Porsche AG in Stuttgart mit. Porsche ist bereit, sich mit weiteren Partnern an der finanziellen Neuaufstellung der Varta AG zu beteiligen. Dabei würde sich Porsches Investition auf 30 Millionen Euro belaufen, so Porsche in einer Pressemitteilung. In V4Drive bündelt Varta das Geschäft für großformatige Lithium-Ionen-Rundzellen, die im Hybrid-Antrieb des Porsche 911 Carrera GTS eingesetzt werden. Der Batteriekonzern hatte das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren im Juli angemeldet. Um die Produktion bis 2027 zu sichern, braucht der Konzern nach früheren Aussagen rund 100 Millionen Euro an frischem Geld und einen Schuldenschnitt. Varta schuldet großen Kreditgebern wie Banken und Hedgefonds knapp eine halbe Milliarde Euro.
Parteivorsitzende gesucht
Weiterer Paukenschlag für die Partei Die Linke: Ihre beiden Vorsitzenden, Janine Wissler und Martin Schirdewan, werden sich im Oktober beim Bundesparteitag der Linken in Halle nicht zur Wiederwahl stellen. Wissler und Schirdewan begründen ihre Entscheidung mit den verlorenen Wahlen in den letzten zwei Jahren und der Parteispaltung im Herbst letzten Jahres. Beide wollen nun den Weg frei machen für einen politischen Neuanfang ihrer Partei. Wer den beiden nachfolgen könnte, ist mehr als fraglich, da es nur noch wenige prominente Gesichter in der Partei gibt. Der ehemalige Fraktionschef im Bundestag, Dietmar Bartsch, hatte bereits im Herbst seinen Rückzug aus der aktiven Politik erklärt, der Altvordere Gregor Gysi hat bereits ebenfalls abgewinkt.
Mühsame Haushaltseinigung
Mitte Juli einigte sich die Ampelregierung endgültig auf den Haushaltsentwurf für das kommende Jahr: Erleichterung bei Bundeskanzler Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Habeck (Grüne) und Finanzminister Lindner (FDP). Doch es klafft weiter eine Lücke von beinahe 17 Milliarden, nun auf zwölf Milliarden heruntergerechnet mit einem alten Haushaltstrick: „globale Minderausgaben“. Der Finanzminister geht davon aus, dass nicht alle Bundesministerien die jetzt bewilligten Gelder im kommenden Jahr ausgegeben werden. Sie würden damit in der Abrechnung übrig bleiben. Dies ist nicht unüblich in Haushaltsplanungen, doch die Höhe ist in diesem Fall entscheidend. CDU-Vizefraktionschef Ulrich Lange spricht demnach von einem „Harakiri-Haushalt“.
Weniger Geld für Gebäude
Eigenheimbesitzer und Hausverwaltungen sind irritiert: Die Förderung für den Austausch von fossilen Heizungen zugunsten von Wärmepumpen und zur Sanierung von Gebäuden soll gekürzt werden. Im entsprechenden Klima- und Transformationsfonds (KTF) stehen demnach mit über 14 Milliarden Euro insgesamt fast zweieinhalb Milliarden Euro weniger als in diesem Jahr zur Verfügung, so die Kabinettsvorlage. Auch bei den Zuschüssen für stromintensive Unternehmen soll gekürzt werden, so die Vorlage. Demnach schrumpft der zur Verfügung gestellte Betrag um 600 Millionen Euro auf 3,3 Milliarden Euro. Laut Ministeriumsangaben wird derzeit weniger Geld abgerufen, dementsprechend plane man weniger ein. Der energiepolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Mark Helferich, warnt vor diesen angedachten Förderkürzungen. „Entweder ist die Ampel der Ansicht, dass die Menschen bei Heizungstausch und Wärmewende nicht mehr mitmachen. Oder es droht unterjährig ein Förderstopp, falls die Mittel nicht mehr reichen“, so Helferich. Der CDU-Politiker zieht einen Vergleich zum Förderstopp für E-Autos, dort ist der Absatz seit Anfang des Jahres eingebrochen.
Koalition
Ampel stößt an Grenzen
Deutliche Worte von dem Co-Chef der Grünen, Omid Nouripour: „Das Vertrauen in der Ampel stößt an ihre Grenzen.“ Damit kommentierte Nouripour die letzten drei Regierungsjahre der Ampelregierung mehr als kritisch. Für ihn ist die Ampel eine notwendige, politische Übergangslösung nach den Merkel-Jahren, mehr aber auch nicht. Was den Grünen-Co-Chef am meisten in den letzten Jahren irritiert hat: „die befremdliche Lust am Streiten“. Doch Nouripour ist sich sicher, die Bundesregierung wird bis zum nächsten, regulären Bundestagswahltermin, am 28. September kommenden Jahres halten. „Da sind noch einige Projekte, die wir auf den Weg bringen wollen und das bekommen wir auch hin“. Allerdings schränkte er ein, dass er in dieser Zeit nicht mit neuen politischen Impulsen rechnet. Stattdessen wird der Koalitionsvertrag jetzt abgearbeitet.
Luxemburg-Tourismus boomt
Der Einbruch in der Pandemiezeit ist mehr als aufgeholt. Luxemburgs Tourismus ist im Aufwind. Im statistischen Durchschnitt hat jeder Einwohner des Großherzogtums im vergangenen Jahr 5,5 Reisen unternommen und verbrachte dabei 35 Nächte außerhalb der eigenen vier Wände. Damit sind die Luxemburger Spitzenreiter in der EU. Ein gutes Drittel dieser Übernachtungen fand nach den Erhebungen der Luxemburger Statistikbehörde statec in kostenlosen Unterkünften statt, bei Freunden oder in eigenen Ferienhäusern. Ansonsten sind Hotels bevorzugt (43 Prozent). Außerdem stellten die Statistiker auch für die Luxemburger einen Trend zum Campingurlaub fest. Bei den Reiseplänen spielten die Aspekte Erholung und Entschleunigung eine wichtige Rolle, außerdem ökologische Überlegungen. Die Tourismusbranche in Luxemburg lebt überwiegend von ausländischen Gästen, hauptsächlich aus den Nachbarländern Deutschland, Belgien, Niederlande. Mit über 40.000 Beschäftigten ist der Tourismus auch in Luxemburg ein bedeutender Wirtschaftsfaktor.
Löschflugzeuge geordert
Eine ganze Reihe von EU-Mitgliedsstaaten lässt erstmals Löschflugzeuge von einem kanadischen Unternehmen bauen. Die Verträge sind nun unterzeichnet, meldet die EU-Kommission. Die Löschflugzeuge werden von der Kommission finanziert und sollen, so die EU, „das neue Rückgrat der EU-Krisenreaktion zur Bekämpfung von Waldbränden bilden“. Sie würden dann eingesetzt werden, wenn ein Land mit schweren Waldbränden konfrontiert ist, die ohne zusätzliche Unterstützung nicht gelöscht werden können. Dies stehe im Einklang mit der langfristigen Strategie der EU zur Einrichtung einer ständigen „RescEU“-Brandbekämpfungsflotte, die in Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Portugal und Spanien stationiert sein wird. Zehn weitere Löschflugzeuge werden direkt von Mitgliedstaaten gekauft, um ihre jeweilige nationale Flotte zu verstärken. Die Lieferung der ersten dieser neuen Flugzeuge wird allerdings erst für Ende 2027 erwartet.
Tödliche Hilfe
Für internationale Hilfsorganisationen war 2023 das bislang tödlichste Jahr. Nach einem Bericht der UN kamen 280 Helferinnen und Helfer bei Einsätzen in 33 Ländern ums Leben. Die Vereinten Nationen sprechen von einer „inakzeptablen“ Entwicklung und einer „Normalisierung der Gewalt“. Zum Vergleich: Ein Jahr zuvor (2022) kamen 118 Hilfskräfte ums Leben. in diesem Jahr wurden (bis Anfang August) bereits 176 Opfer humanitärer Hilfsorganisationen registriert. Mehr als die Hälfte der Opfer im vergangenen Jahr wurden aus dem Gazastreifen gemeldet.
Die Uno veröffentlicht diese Berichte immer zum 19. August, dem Welttag der humanitären Hilfe. Er erinnert an den Anschlag auf den Sitz der Uno in Bagdad im Jahr 2003, bei dem 22 Menschen getötet und rund 150 verletzt wurden. Humanitäre Hilfsorganisationen haben an die Weltgemeinschaft appelliert, „Angriffe auf Zivilisten zu beenden, alle humanitären Helfer zu schützen und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen“.
Energie
Rekorde bei Windanlagen
Bei den Geboten für Ausschreibungen für neue Windräder an Land gibt es nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums einen Rekord. „Dank der guten und immer besser werdenden Genehmigungslage nimmt jetzt auch eine steigende Zahl von Projekten an den Ausschreibungen teil – die aktuelle Ausschreibung von 2,7 GW wurde überboten“, so Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). In Deutschland gab es Ende 2023 mehr als 28.000 Windkraftanlagen mit einer Leistung von zusammen rund 61 Gigawatt. Mit einem Anteil von 26,5 Prozent an der Stromerzeugung war die Windenergie an Land im vergangenen Jahr nach Branchenangaben der wichtigste Energieträger in Deutschland. Bis 2030 sollen in Deutschland mindestens 80 Prozent des verbrauchten Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien stammen. Die Zuschläge aus den ersten drei Ausschreibungsrunden im Jahr 2024 dürften laut Habeck bei deutlich über sieben Gigawatt Leistung liegen. Ein Anstieg von mehr als 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Wiegand will's wissen
Blickpunkt Europa
Eine der größten europäischen Umweltaufgaben der nächsten Jahre ist die Umsetzung der EU-Biodiversitätsstrategie. Bis 2030 sollen mehr als 30 Prozent unserer Land- und Meeresflächen sanft bewirtschaftete Schutzgebiete werden. Auf zehn Prozent sollen sich Tier- und Pflanzenarten ungestört entwickeln.
Ein ehrgeiziges Ziel, das im Europäischen Parlament erst nach heftigen Kompromissen und Kämpfen verabschiedet wurde. Der Argwohn bei Landwirtschaft und Fischerei hält bis heute an wegen der Pflicht zur weiteren Reduzierung von Unkrautvernichtern und dem Einfluss auf Fanggründe.
Freuen dürfen sich die Baumschulen. EU-weit sollen innerhalb von sechs Jahren drei Milliarden Bäume in die Erde kommen, neuer Lebensraum für Insekten, Vögel und andere Tiere wachsen.
Spannend wird sein, wo genau solche Naturrefugien entstehen sollen. Forscher arbeiten mit Hochdruck an Vorschlägen. Erste Erkenntnisse zeigen, dass Nordeuropa eher infrage kommt als der Süden. Dort gibt es viele Landstriche und Wälder, die nach der Nutzung durch den Menschen aufgegeben wurden. Oder in denen kaum eine Menschenseele lebt. Einige Zonen werden sich leicht renaturieren lassen. Meere kann man einfach sich selbst überlassen. Andere brauchen einen Anstoß, etwa die gezielte Wiederansiedlung verschwundener Tierarten.
Konflikte kann es dort geben, wo mehr Privateigentum als Staatseigentum vorhanden ist. Es bleibt abzuwarten, ob örtliche Widerstände und Existenzängste bis 2030 abgebaut werden können. Sollte dies gelingen, wird es spannend zu beobachten sein, wie Europa in weiten Teilen sein Gesicht verändert.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.