Seit 34 Jahren stellt die SPD in Brandenburg den Ministerpräsidenten mit wechselnden Koalitionspartnern. Doch die letzte Herzkammer der Sozialdemokratie könnte fallen. Die Wiederwahl von Ministerpräsident Woidke ist keinesfalls sicher.
Noch im Frühjahr schien für den brandenburgischen SPD-Ministerpräsidenten Dietmar Woidke die Welt in bester Ordnung. Die neuesten Zahlen zum Wirtschaftswachstum in Deutschland haben sein Bundesland zum Klassenprimus mit über sechs Prozent gekürt, so das Statistische Bundesamt. Von seinen Amtskollegen aus den anderen Ländern gab es viel Anerkennung und auch ein bisschen Neid. Alle anderen Länder kämpfen mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel und ausgerechnet Brandenburg holt den nationalen Pokal beim Wirtschaftswachstum. Natürlich weiß auch Woidke, wem er diesen Boom zu verdanken hat: Tesla in Grünheide. Da ist ihm in Punkto Standortpolitik ein echter Coup gelungen. Dazu hat sich der 62-Jährige beim beschlossenen Kohleausstieg vor gut zwei Jahren obendrein Milliarden von Subventionsmitteln für den Kohleausstieg in der Lausitz gesichert, um die Infrastruktur aufzumöbeln. Aus dem wirtschaftlichen Aschenputtel der 90er-Jahre ist plötzlich eine kleine Prinzessin für Ansiedelungen neuer Industrien geworden. Brandenburg stand bis vor zehn Jahren bei Wirtschaftsprojekten vor allem für Pleiten, Pech und Pannen. Ob Cargolifter, Chipfabrik oder der Neubau des Flughafens BER, es ging drunter und drüber, was den Steuerzahler viel Geld gekostet hat. Doch seit Woidke die Landesregierung führt, läuft es diesbezüglich rund.
Wirtschaftsboom in Brandenburg
Aber die Brandenburger Wähler scheinen ein undankbares Wählervolk zu sein. In den aktuellen Umfragen zur Landtagswahl am 22. September kommt der Ministerpräsident mit seiner SPD gerade noch auf 20 Prozent. Bei der Landtagswahl vor fünf Jahren waren es im Endergebnis noch über 26 Prozent, was damals auch schon nicht berauschend war. Da hilft es dem 62-Jährigen auch nicht, dass er bei den persönlichen Beliebtheitswerten zwischen Oder und Elbe ganz vorne liegt. Allein damit wird er es schwer haben, im kommenden Herbst weitere fünf Jahre regieren zu können. Woidke drohte dann Anfang August den Wählern etwas unglücklich: „Wenn ich nicht wiederwählt werde, dann trete ich von allen politischen Ämtern zurück“. Kam weder bei seiner SPD gut an, noch bei den anderen politischen Mitstreitern, die lästerten sofort los.
Die Missgunst seiner wahlberechtigten Landesjünger mag vielleicht auch an der Konstellation der aktuellen Landesregierung liegen. SPD, CDU und Grüne regieren zusammen. Einer der Hauptstreitpunkte ist selbstverständlich das Teslawerk in Grünheide, vor allem der forcierte Ausbau der Elektroautofabrik. Seit Wochen besetzen wenige hundert Meter vom Firmengelände entfernt Öko-Aktivisten einen Kiefernwald. Dort leben etwa 50 Personen in Baumhäusern, um so die Rodung der Kiefern zu verhindern, die dem weiteren Ausbau des Werks im Weg stehen. Der SPD-Ministerpräsident war sich schnell mit seinem Stellvertreter und Innenminister Michael Stübgen von der CDU einig, das Baumhausspektakel beim Teslawerk umgehend zu beenden. Doch da spielten die Grünen in der Landesregierung nicht mit. Die Öko-Aktivisten werden damit wohl auch noch am Wahlabend in ihren Baumhäusern sitzen.
Wobei der amtierende Innenminister Stübgen eigentlich nur noch seinen Posten auf Abruf besetzt. Brandenburgs CDU-Chef Jan Redmann ist Spitzenkandidat und schlägt sich ähnlich wie die SPD mit Umfragewerten um die 20 Prozent herum. Eigentlich ein Erfolg. Bei der Landtagswahl vor fünf Jahren lagen die Christdemokraten im Endergebnis noch bei nicht mal 16 Prozent. Doch Redmann leistete sich gleich zu Beginn des Wahlkampfes einen kleinen Schnitzer. Nach einer Veranstaltung seiner Partei in Potsdam stellte er sich auf einen E-Roller und düste nach Hause, Das Problem dabei: Er hatte 1,3 Promille Alkohol im Blut und fiel einer Funkstreife auf, da die Fahrt etwas wackelig gewesen sei, so die Beamten. Der CDU-Spitzenkandidat trat mit einem öffentlichen Geständnis des Vorgangs zwar umgehend medial die Flucht nach vorn an, doch die Umfragewerte wollen seitdem nicht über die 20-Prozent-Marke steigen.
Von solchen Werten können die Grünen nur träumen, sie dürften sich freuen, wenn sie zukünftig im Potsdamer Landtag überhaupt noch vertreten sind. Offensichtlich ist es auch hier die Bundespolitik, die den Grünen nicht gerade zum Vorteil verhilft. Vor allem das sogenannte Heizungsgesetz ist hier im ländlichen Raum nicht gut angekommen. Wobei das Wählerpotenzial gerade der Grünen weit höher liegen müsste. Eine Besonderheit des Landes Brandenburg: Die Bevölkerungsstruktur hat sich gerade in den letzten zehn Jahren erheblich verändert. Das hängt mit der zunehmenden Besiedelung des sogenannten Speckgürtels um Berlin herum zusammen. Viele Berliner können oder wollen sich nicht mehr die teuren Mieten oder Baulandpreise in Berlin leisten und ziehen vor die Tore der Stadt. Wollen Landluft schnuppern. Eigentlich das Wahl-Klientel für die Grünen.
Keine Option, eine Regierung zu bilden
Doch auch dem kleinsten Partner in der Bundesregierung geht es beim Wahlkampf nicht viel besser. Zugegeben, Brandenburg war nun noch nie ein Kernland der FDP, aber gerade im Speckgürtel um Berlin sollte man denken, hier müsste doch was gehen. Fehlanzeige! Mit zwei Prozent in den Umfragen wird auch im kommenden Landtag in Potsdam die liberale Kraft wohl auch zukünftig draußen bleiben. FDP-Spitzenkandidat Zyon Braun bleibt aber zuversichtlich: „Wir haben in Brandenburg viele Zuzüge, die aus den urbanen und damit ursprünglichen liberalen Kerngebieten kommen, und das wird sich auch bei uns in Brandenburg in den Wahlergebnissen zeigen“.
Doch der mögliche liberale Geist wird sich garantiert nicht in ganz Brandenburg ausbreiten. Zwei weitere Parteien sind da im ländlichen Bereich doch eher die Platzhirsche. Da ist die AfD, die laut letzten Umfragen um die 24 Prozent liegt und damit der Wahlsieger werden könnte, wenn auch ohne Option, eine Regierung zu bilden, da alle anderen Parteien eine Zusammenarbeit ablehnen. Doch die AfD musste laut Umfragen in den letzten Monaten Federn lassen. Noch im Winter lag sie bei über 30 Prozent, aber nun ist eine Konkurrenz erwachsen, die keiner so auf dem Schirm hatte. Das BSW kommt aus dem Stand in den Umfragen auf 17 Prozent. Bemerkenswert, der Landesverband wurde überstürzt aus der Taufe gehoben, die Kandidaten kennt kaum einer, eine Wahlkampfinfrastruktur gibt es nicht wirklich. Doch in Brandenburg reicht das offensichtlich für einen möglichen Einzug in den Landtag aus. Das geht offensichtlich zu Lasten der Linken im Landtag, die bei fünf Prozent ums parlamentarische Überleben kämpft. Politisch könnte dies heißen, dass Brandenburg zukünftig wieder von drei Parteien regiert wird. Sehr wahrscheinlich werden es SPD und CDU sein – unabhängig in welcher Reihenfolge. Und dann wird es spannend, ob mit dem BSW oder den Grünen. Wenn Letztere dann den Wiedereinzug in den Landtag schaffen sollten.