Natalia Le Fay aus Wuppertal hat sich der Fantasy-Fotografie verschrieben und hält eigene Fantasy-Geschichten auf ihren Bildern fest. Sie spricht über die Entstehung ihrer Fotos, den besonderen Reiz der Fantasy-Fotografie und Shootings mit Wildtieren.
Natalia, wie bist Du zur Fotografie gekommen und wie hast Du schließlich den Fantasy-Bereich für Dich entdeckt?
Ich habe mich schon in meiner frühen Kindheit sehr für Technik begeistert und war fasziniert von den Reisefotos, die mein Vater gemacht hatte. Manchmal durfte ich seine alte Canon-Kamera nehmen und selbst Fotos machen. Die ersten Bilder entstanden, als ich etwa acht oder neun Jahre alt war. Lange Zeit war die Fotografie aber nicht so sehr im Fokus für mich. Fantasy hatte mich aber schon immer begleitet in Form von Literatur und Filmen. Ich liebe das Fantasy-Genre!
Erst während meines Studiums im Fach Asienwissenschaften kaufte ich mir auf Raten meine erste eigene Spiegelreflex-Kamera. Das ist bereits 15 Jahre her. Ich wollte unbedingt Fantasy-Motive kreieren und dank einiger ganz wundervoller Kommilitonen, die auch gemodelt haben, konnte ich zu der Zeit die ersten Erfahrungen in der Porträtfotografie sammeln. Das eine führte zum anderen – für mich wurde es ein kreativer Ausgleich und ich konnte meine ganz eigenen Fantasy-Geschichten umsetzen.
Was fasziniert Dich an Fantasy-Outfits und -Fotos, was macht den besonderen Reiz aus?
Fantasie steckt ja in jedem von uns. Besonders Kinder sind unglaublich fantasievoll und sehen die Welt noch mit eigenen Augen. In dieser Welt ist alles möglich. Und jeder kann sein, was oder wer er/sie sein möchte. Ich kann eine kriegerische Elfe sein, die durch einen magischen Wald spaziert, oder aber ein Wikinger, der seine Axt schleift und sich auf den nächsten Kampf vorbereitet. Man kann sich aber auch einfach fallenlassen und das anziehen, was man als ästhetisch empfindet und in seine ganz eigene Rolle finden.
Ich hatte damals gelesen, dass gute Fotos schocken müssen. Aber ich wollte nie schocken und bin auch davon überzeugt, dass dies nicht so ist. Gute Fotos können einen auch berühren, inspirieren oder lächeln lassen. Sie können uns in fremde Welten entführen oder aber dafür sorgen, dass wir die Welt aus einem anderen Blickwinkel sehen. Aus dem Blickwinkel eines Kindes, oder aber als Darstellung einer möglichen besseren Welt, die uns Hoffnung gibt. Und das Schöne ist, dass in der Fantasy-Fotografie auch jeder gleich ist. Niemand ist besser oder schlechter. Wir können uns den Charakter aussuchen, von dem wir meinen, dass dieser zu uns passen würde.
Wie muss ein Bild sein, damit Du zufrieden bist?
Es ist ein Zusammenspiel von vielen Faktoren. Das Outfit muss zuallererst zur Person passen – damit meine ich nicht nur die reine Ästhetik, sondern auch, dass es zum Charakter der Person passt. Daher ist es mir immer wichtig, dass das Model genauso mitentscheiden darf, was sie/er anzieht.
Auch Styling, Make-up und Haare sind wichtig für ein stimmiges Foto, und natürlich die Location. Da ich mich ja auf die Fantasy-Fotografie spezialisiert habe, ist es mir besonders wichtig, dass ich eine Szenerie erschaffe, die aus einem Fantasy-Film stammen könnte. Weitere Faktoren sind dann natürlich noch die Lichtstimmung sowie die Farbgebung. Am Ende ist es mir wichtig, dass das Foto eine Emotion bei mir und beim Betrachter auslöst.
An welchen Locations shootest Du zum Beispiel? Entstehen die meisten Bilder outdoor oder im Studio?
Damals, als ich noch kein eigenes Studio hatte, fanden alle meine Shootings outdoor statt. Mittlerweile habe ich ein kleines, aber feines Atelier zu Hause, in dem ebenfalls unheimlich viele Aufnahmen entstehen. Es ist auf jeden Fall ein großer Luxus, auch indoor Fotos machen zu können, weil man nicht vom Wetter abhängig ist und keine Laufwege hat und zum Beispiel auch kreativer mit der Lichtgestaltung sein kann. Zudem liebe ich es auch, fantasievolle Studio-Sets aufzubauen. Aber ich liebe auch nach wie vor die Outdoor-Fotografie, denn die Natur macht auch einen Großteil meiner Werke aus und ich liebe es, draußen zu sein. Wenn wir outdoor shooten, reicht manchmal auch einfach nur ein schöner Busch mit blühenden Blumen am Straßenrand, aber ich liebe auch Ruinen, Schlösser und tiefe Wälder.
Wie viel Zeit nimmt die Bearbeitung eines Fotos ungefähr in Anspruch? Und was genau bearbeitest Du alles?
Das ist sehr unterschiedlich, abhängig vom Motiv und von dem, was gewünscht wird.
Wenn ich „nur“ eine reine Beauty-Bearbeitung mache, sitze ich natürlich in der Regel viel kürzer an der Bearbeitung als bei einer Fantasy-Bearbeitung oder gar einem Composing. Ich achte selten auf die Zeit, aber ganz grob: Durchschnittlich sind es etwa 30-60 Minuten bei einer reinen Beauty-Retusche und 60-180 Minuten an einem Fantasy-Foto. Ein Composing kann auch mal vier bis acht Stunden in Anspruch nehmen, je nachdem wieviel gemacht wird.
Die Hautretusche ist auf jeden Fall Teil meiner Bearbeitung. Bei dieser mache ich nicht nur Rötungen und Pickelchen weg, sondern setze auch Highlights, die wichtig für meinen Fotostil sind. Ich mag diesen etwas stärkeren Glow im Gesicht, weil die Models dadurch in meinen Augen magischer aussehen. Bei der Fantasy-Retusche und beim Composing entferne ich zum Beispiel auch störende Elemente. Manchmal sind bei Outdoor-Aufnahmen zu viele Äste oder Blätter auf dem Motiv abgebildet – damit das Bild harmonischer wirkt, entferne ich einen Teil davon. Oder aber ich tausche auch gerne mal komplette Elemente oder den Himmel aus. Mir ist zwar auch sehr wichtig, dass ein Motiv schon in der Kamera gut aussieht, aber ich liebe es auch, mich am PC mit Photoshop kreativ auszutoben. Für mich ist das Teil meiner Werke, aber nicht jedes Foto wird umfangreich bearbeitet. Bei manchen ist auch weniger mehr.
Die Eulen, Füchse, Greifvögel oder Wölfe, die man in Deinen Bildern sieht, sind nicht reinretuschiert worden, sondern echt. Was muss man alles beachten, wenn man mit diesen Tieren arbeitet?
Ganz genau. Alle Tiere, die man auf meinen Fotos sieht, sind echt, abgesehen von den Schmetterlingen, die bearbeite ich in der Regel digital.
Wenn man mit Tieren arbeitet, muss man mit allem rechnen. Und man sollte vor allem das Wohl der Tiere im Sinn haben. Es gab auch schon Fotoshootings, bei denen wir gemerkt haben, dass ein Tier nicht mehr will, und haben dann aufgehört. Mir ist es immer sehr wichtig, dass Tiere oder auch Kinder, die sich noch nicht oder gar nicht richtig mitteilen können, nicht unter Druck gesetzt werden. Es ist wichtig, sich immer viel Zeit zu nehmen, wenn man mit Tieren arbeitet. Die Besitzer der Tiere sind zudem auch immer durchgehend anwesend beim Shooting. Nicht jedes Tier will angefasst werden, aber man kann immer noch ein schönes Motiv zaubern, wenn man das Model und das Tier nebeneinander aufstellt.
Bekommen die Models vor dem Shooting immer eine Anleitung, wie man mit den Tieren umgeht?
Ja! In der Regel leite ich sowieso immer meine Models vor einem Shooting an und erkläre die wichtigsten Posing-Tipps. Das Gleiche passiert bei Tier-Shootings, nur dass ich dort nochmal mitteile, was überhaupt möglich ist und auch die Info, dass wir immer nur so lange Fotos machen, wie das Tier es mitmacht. In der Regel geben auch die Tierbesitzer nochmal die konkreten Infos weiter, da sie ihre Tiere am besten kennen.
Woher stammen die Tiere?
Ich arbeite zum Beispiel mit mehreren Falknern aus der Umgebung zusammen. Diese gehen ihrer Leidenschaft/ihrem Beruf seit vielen Jahren nach und kennen sich einfach perfekt mit ihren Tieren aus.
Ansonsten habe ich über Facebook-Gruppen damals noch einige Wolfshund-Besitzer kennengelernt und arbeite nun seit vielen Jahren mit einer Besitzerin zusammen, die meiner Meinung nach besonders zuverlässig ist und toll mit ihren beiden Wolfshunden umgeht.
Du stellst vielen Kundinnen und Models Deinen großen Fundus an besonderen Kleidern, Flügeln, Blumenkränzen und vielen anderen Accessoires zur Verfügung. Wie groß ist dieser Fundus und woher sind diese Stücke überall? Sind auch ein paar ganz besonders außergewöhnliche und exklusive Dinge darunter, die sonst niemand/kaum jemand hat – welche?
Ich habe tatsächlich keinen so genauen Überblick über meinen Fundus, sodass ich euch eine genaue Anzahl nennen könnte, aber über die letzten 20 Jahre ist schon einiges zusammengekommen.
Da ich selbst ein großer Fantasy-Fan bin, habe ich schon ganz früh angefangen, allen möglichen Krimskrams und Outfits zu sammeln. Vieles fand ich auf Mittelaltermärkten oder Fantasy-Veranstaltungen, aber auch in normalen Fashion-Läden. Einiges habe ich selbst aufgewertet, und ansonsten ist der Lagen-Look etwas, was ich absolut liebe, da man mehrere „normale“ Stücke zu etwas Besonderem kombinieren kann. Viele Headpieces sind auch selbst gemacht und daher einzigartig. Ich arbeite aber auch immer wieder mit Designern zusammen und kann manchmal aus diesen Zusammenarbeiten die Stücke behalten oder für ein Shooting ausleihen.
Die ganz besonderen Stücke sind dann natürlich die, die ich entweder komplett selbst hergestellt oder aufgewertet habe. Diese gibt es dann kein zweites Mal.
Arbeitest Du mit Make-up-Artists zusammen oder schminkst Du Deine Models selbst?
Beides, aber in der Regel gebe ich das Make-up gerne weiter an die ausgebildeten Artists. Nicht, weil ich es selbst nicht gut kann, sondern weil ich mich am Shooting-Tag selbst gerne auf das Fotografieren konzentrieren möchte. Vielleicht bin ich auch einfach nur gemütlich und ich liebe einfach die Arbeiten meiner wenigen Make-up-Artists, mit denen ich zusammenarbeite. Es ist irgendwie auch schön zu wissen, dass man am Ende ein Werk mit mehreren Menschen zusammen kreiert hat. Es ist eben nicht nur mein eigenes Werk, sondern eins vieler kreativer Menschen.
Welche Shootings waren Deine aufwendigsten und außergewöhnlichsten und warum?
Das ist eine schwierige Frage, da ich absolut jedes Shooting als aufwendig und einzigartig ansehe. Ich lerne so viele Menschen kennen, die alle ihre eigene Geschichte erzählen, und ihre Persönlichkeit wird auch Teil der Motive und dadurch eine ganz besondere Erinnerung.
Aufwendige Shootings sind aber auf jeden Fall die, bei denen mehrere Models vor der Kamera stehen und zum Beispiel auch noch Tiere dabei sind. Ein Shooting kann auch aufwendiger sein, wenn man erst mal eine Stunde wandern muss, um an die Location zu kommen. Ich war schon ein paar Mal in der sächsischen Schweiz. Die Locations sind immer ein bisschen versteckter und schwieriger zu erreichen, aber für den Ausblick hat es sich immer gelohnt.
Ansonsten sind natürlich auch die Shootings aufwendiger, bei denen ich ein bestimmtes Set indoor aufbaue oder aber ein Outfit und Accessoires eigens herstelle. Da sitze ich manchmal mehrere Wochen an einem Projekt.
Welche besonderen Anlässe gab es schon für Shootings bei Dir – fotografierst Du auch viele Hochzeiten oder Ähnliches im Fantasy-Stil?
In der Regel entsteht der Großteil der Fotos privat für die Kunden. Die meisten Kunden möchten einfach mal verzaubert und verwandelt werden. Es gibt aber hin und wieder auch mal kommerzielle Anfragen, zum Beispiel von Musikern oder Bands oder Unternehmen, die etwas Ungewöhnliches fotografiert haben möchten. Auch Hochzeiten gehören dazu und in der Regel sind die Brautpaare selbst große Fantasy-Fans, weshalb sie konkret auf mich zukommen.
Du schlüpfst auch selbst gern in besondere Rollen und Gewandungen. Welche sind Deine Favoriten und warum?
Das stimmt – ich mag besonders Rollen, in denen ich stark sein kann, zum Beispiel als Kriegerin. Aber auch Hexen und Elfen finde ich toll. Einen absoluten Favoriten habe ich nicht, denn dafür liebe ich viel zu viele Genres. Am Ende ist es auch einfach von meiner Stimmung abhängig.
Wer macht die Fotos von Dir?
Die meisten Studio-Fotos habe ich selbst fotografiert. Ich befestige dafür einfach meine Kamera auf einem Stativ und kann dann mit meinem Fernauslöser Fotos von mir machen.
Fotos in der Badewanne sind allerdings schwieriger, da muss mir mein Mann helfen. Wenn wir unterwegs sind, hilft mir mein Mann auch meistens bei den Selbstporträts. Ich stelle die Kamera immer ein und erkläre ihm, was ich mir vorgestellt habe und welchen Bildausschnitt er wählen soll.
Hast du Lieblingsfotos oder Bildserien von Dir?
Auch sehr schwierig zu beantworten, da ich einfach viel zu viele Fotos im Portfolio habe und jedes davon mit einer wundervollen Erfahrung verbinde. Aber es gibt schon ein paar Serien, bei denen ich auch nach 15 Jahren noch denke: „Wow – die sind einfach alle toll!“
Zum Beispiel meine Naiad-Serie: eine Meerjungfrau ohne Flosse, aber mit einer tragischen Geschichte. Sie liebte einen Menschen so sehr, konnte aber an Land nicht überleben, und er nicht bei ihr unter Wasser. Also entschied sie sich, dass sie ein letztes Mal an Land kommen würde, um ihn zu erblicken und dann schließlich zu sterben. Ich mag tragische Geschichten!
Allgemein liebe ich meine Wasser-Fotos sehr – Wasser ist so ein spannendes Element und auf Fotos wirkt es immer sehr mystisch und teils fast übernatürlich.
Gibt es Wunschmodelle oder Schauspieler, die Du gern einmal fotografieren möchtest? Wie würdest Du diese stylen und in Szene setzen?
Oh ja! Ich wäre damals ja eigentlich am liebsten Regisseurin geworden und bin dementsprechend auch ein großer Film-Fan. Da gibt es auf jeden Fall so einige Darsteller, die ich unheimlich gerne mal fotografieren würde, vor allem, weil es von den meisten keine fantasievollen Fotos gibt.
Zum Beispiel Angelina Jolie – für mich eine absolute Powerfrau, die ich mir unheimlich gut in einer Königinnen- oder aber auch in einer Schamaninnen-Rolle vorstellen könnte. Jennifer Lawrence bewundere ich auch sehr als Schauspielerin und Frau – zu ihr würden so viele Fantasy-Themen gut passen, auch zarte Themen kann ich mir gut an ihr vorstellen. Oder einen Timotheé Chalamet – entweder direkt in seiner Dune-Rolle oder aber als Krieger oder verwunschener Prinz.
Ich könnte ewig so weitermachen – allgemein fände ich es einfach total spannend, auch mal wirklich Schauspieler vor der Kamera zu haben, da diese in einem ausgewählten Thema auch direkt ihre Rolle spielen und dadurch noch mehr Lebendigkeit in die Fotos bringen könnten.