Maximilian Schachmann sucht eine neue Herausforderung und findet sie bei seinem Ex-Team. Dort will der Radprofi nach Seuchenjahren an alte Erfolge anknüpfen. Ein paar Lichtblicke gab es in dieser Saison.

Nach knapp drei Jahren voller Rückschläge und Enttäuschungen geht Maximilian Schachmann keine Kompromisse mehr ein. „Ich will keine Zeit mehr verschwenden, ich will machen, was mir Spaß macht.“ Das sagte der deutsche Radprofi im März. Seitdem sind viele Dinge passiert, die diese Aussage rückwirkend nochmals unterstreichen. Schachmann wurde von seinem Rennstall Red Bull-Bora-hansgrohe nicht für die Tour de France nominiert, wenig später wurde die Trennung zum Jahresende bekannt gegeben. Seit ein paar Wochen ist auch klar, wo der 30-Jährige einen Neustart wagen wird: Bei Soudal Quick-Step hat der gebürtige Berliner eine neue sportliche Heimat gefunden – oder besser gesagt: eine neue alte. Denn für das Team aus Belgien hat der Allrounder schon von 2017 bis 2018 als Profi in die Pedale getreten. Bei Red Bull-Bora-hansgrohe hatten die Verantwortlichen keine größere Verwendung mehr für ihn, umso motivierter fiebert Schachmann seinem Dienstantritt ab der kommenden Saison beim neuen Team entgegen. „Das Tal der Tränen habe ich hinter mir gelassen“, sagte Schachmann, der aber zugleich betonte: „Es dauert aber, um wieder auf Topniveau zu kommen.“
Klassiker-Spezialist mit Potenzial
Dennoch könne er es kaum erwarten, „in die nächste Saison zu starten“, sagte der ehemalige deutsche Straßenmeister: „Ich freue mich über die Gelegenheit, nach Hause zurückzukehren und wieder für Soudal Quick-Step zu fahren, das Team, bei dem ich meine Karriere begonnen habe.“ Bei Quick-Step wurde der Deutsche auch vier Jahre im Nachwuchsbereich ausgebildet, ehe er dort die große Chance erhielt und seinen ersten Profivertrag unterschrieb. Schon im zweiten Jahr sorgte Schachmann für Furore, als er Etappen beim Giro d’Italia, der Deutschland-Tour und der Katalonien-Rundfahrt gewann. Das deutsche Team Bora-hansgrohe wollte Schachmann dann unbedingt verpflichten, in ihm sahen die Verantwortlichen einen Klassiker-Spezialisten mit enormem Potenzial. Und der Rennfahrer bestätigte dies zunächst, die Gesamtsiege bei der prestigeträchtigen Rundfahrt Paris-Nizza in den Jahren 2021 und 2022 ließen auf weitere Großtaten hoffen. Zwischendurch ließ er auch mit seinem famosen Straßenrennen bei Olympia in Tokio und der nur knapp verpassten Medaille aufhorchen.
Doch dann wurde Schachmann vom Pech verfolgt wie nur wenige Profis im Rennzirkus. Erkrankungen an Covid und der Grippe warfen ihn komplett aus der Bahn, „mich hat es heftig erwischt“, sagte er. Ein Erschöpfungssyndrom wurde bei ihm diagnostiziert, er fühlte sich lange Zeit immer nur müde. Erst nach sechs Wochen kompletter Trainingspause ging es langsam aufwärts. Bis zum nächsten Rückschlag. Erkrankungen und Verletzungen warfen ihn immer wieder zurück. Auf die Tour de France 2023 verzichtete er freiwillig, weil er es „etwas konservativer angehen“ und in 2024 wieder voll angreifen wollte. Auch in dieser Saison kam es zu Rückschlägen– aber auch ein paar Lichtblicke waren dabei. Beim diesjährigen Giro d’Italia, seinem ersten Grand-Tour-Rennen seit 2022, überzeugte Schachmann. Er fuhr unter anderem beim Einzelzeitfahren als Fünfter einen Top-Platz ein.
Auch mit dem Olympia-Zeitfahren in Paris konnte Schachmann zufrieden sein. Der neunte Rang war zwar nicht ganz das erhoffte Ergebnis, aber die Werte waren nahezu perfekt. „Wenn mein Powermeter stimmt, waren das die besten Wattwerte meiner Karriere“, sagte er hinterher. Deshalb habe er sich „etwas mehr erhofft“, doch unglücklich verließ er Frankreich nicht. Auf Sieger Remco Evenepoel hatte Schachmann einen Rückstand von 1:39 Minuten. Der belgische Topstar könnte sein Teamkollege und Kapitän bei Soudal Quick-Step werden – sollte dieser sich nicht noch für einen Wechsel entscheiden. Kurioserweise hielten sich zuletzt hartnäckig Gerüchte über einen Transfer des Doppel-Olympiasiegers zu Schachmanns Ex-Team Red Bull. Unabhängig von Evenepoels Zukunft soll Schachmann künftig eine wichtigere Rolle bei der belgischen Equipe einnehmen als zuletzt im deutschen Rennstall. Als Edelhelfer für den Kapitän, Klassiker-Spezialist und Etappenjäger dürfte ein Maximilian Schachmann in Topform sehr wertvoll sein.
„Ich habe eine Schwäche für ihn“, sagte Team-Manager Patrick Lefevere: „Er hatte zwei schwere Jahre, war krank, aber ich kenne ihn noch aus den ersten Jahren seiner Karriere.“ Und auch nach den jüngsten Vertragsgesprächen ist sich Lefevere sicher, dass Schachmann sportlich und menschlich eine Verstärkung für die Mannschaft sei: „Er ist ein guter Fahrer und ein angenehmer Mensch.“ Schachmann sei ein „sehr vielfältiger Rennfahrer“ und habe dem Sport „noch viel zu geben“, meinte Lefevere. Das findet auch Schachmann. Gleichzeitig betont er, dass ihn die Seuchenjahre „verändert“ hätten, „auch wenn ich es selbst vielleicht nicht bemerke. Es wäre naiv zu glauben, dass eine solche Erfahrung einen Profisportler nicht verändert.“ Rückschläge seien Teil des Lebens, nicht nur bei ihm, weiß Schachmann: „Ich bin froh, dass ich da durch bin und habe damit abgeschlossen.“
Rückschläge sind ein Teil seines Lebens
Seine Familie gab ihm in der schweren Phase viel Halt. „Ich hatte Ablenkung, weil meine Tochter in der Zeit geboren wurde“, sagte Schachmann, der seine Karriere beim Marzahner RSC Berlin ’94 begann. In den ersten Monaten nach der Geburt konnte er sich in seiner Wahlheimat am italienischen Gardasee voll auf seine Vaterfreuden konzentrieren und das Familienglück genießen, denn sportlich musste er ohnehin eine Zwangspause einlegen. Er spüre als Vater eine ganz andere Art der Verantwortung– auch wenn der Großteil gar nicht bei ihm liegt. „Meine Frau managt das sehr gut, obwohl sie oft in unserem Zuhause am Gardasee allein ist, weil ihre Familie in Peru lebt.“

Offiziell geht der Neuanfang bei einem anderen Team vom Sportler selbst aus. „Max wird unser Team zum Saisonende verlassen, das hat uns sein Management mitgeteilt. Er braucht eine Luftveränderung“, gab Red Bulls Team-Manager Ralph Denk bekannt. Klar ist aber auch, dass nach dem enttäuschenden Auftritt vor allem bei der Tour de France ein personeller Umbruch erwünscht war. Diesem fällt nicht nur Schachmann zum „Opfer“. Auch die deutschen Topfahrer Lennard Kämna und Emanuel Buchmann verlassen die Equipe. Selbst die Zukunft des als Grand-Tour-Siegfahrer eingekauften Slowenen Primoz Roglic galt als unsicher. „Wir werden unsere Rückschlüsse ziehen“, kündigte Denk an. Dass dabei dem neuen Hauptsponsor Red Bull ein gehöriges Mitspracherecht eingeräumt wird, steht außer Frage. Der schwerreiche Getränkekonzern investiert in der Regel nicht in Mittelmaß, sondern ist einzig und allein auf Erfolg aus. „Unser Beitrag ist ja nicht nur, dass wir jetzt Gesellschafter und Sponsor sind, sondern unser Beitrag soll natürlich auch inhaltlich werden“, sagte Oliver Mintzlaff, der Geschäftsführer des Unternehmens. Man habe in den ersten Monaten mehr beobachten wollen, um dann „Entscheidungen zu treffen, was vielleicht geändert werden“ müsse.
Realistisch erscheint, dass Red Bull viel Geld in die Hand nimmt und einen Topstar der Kategorie Evenepoel verpflichtet und diesem junge, aufstrebende Talente zur Seite stellt. In Florian Lipowitz hat das Team bereits ein deutsches Talent verpflichtet, dem eine große Zukunft vorausgesagt wird. So wie einst Maximilian Schachmann.