Laufen ist öde und Vereinsmeierei etwas für Alte. So lauten Vorurteile. Die „nextgendingmad“ beweist, dass „Verein“ auch Spaß machen kann.
Rückblickend muss Luca Hock selbst lachen. Damals war ihm ein bisschen mulmig zumute. „Ich habe gedacht, dass die mich für ein bisschen verrückt halten“, erzählt der 23-jährige Werksstudent bei der Firma Hydac. Vor rund zwei Jahren wurde Hock bei den Granden des Saarländischen Leichtathletik-Bundes vorstellig. Lothar Altmeyer, Chef der Saar-Leichtathleten und seine Mitstreiter sollen schwer erstaunt gewesen sein, als Hock sein Anliegen präsentierte. „Als sie den Namen gehört haben, haben sie es für eine Schnapsidee gehalten. Es hat ein bisschen Überzeugungsarbeit gekostet und es gab natürlich auch die Befürchtung, dass wir für Ärger sorgen könnten, wenn es um Trainingsplätze geht“, erzählt Hock. Letztlich bekamen er und seine Mitstreiter aber doch noch „grünes Licht“ von Altmeyer und Co. Seitdem ist der Verein „nextgendingmad“ offizielles Mitglied im SLB. Die nächste Generation aus St. Ingbert soll der Name bedeuten und es ist schon so, dass die Gründer ein wenig mit ihrer Jugend kokettieren.
Skepsis bei den Verbandsbossen
Alt, verstaubt und im Hinterzimmer – so stellt sich der Normalverbraucher das klassische Vereinsleben vor. „Formalien haben wir natürlich auch und die halten wir ein“, erzählt Nico Deckarm. Der 24-Jährige ist der geistige Vater, Initiator und Motor der Vereinsgründung. Gemeinsam mit seinem Kumpel Luca sitzt er an einem warmen Augustabend auf der Bahn im St. Ingberter Wallerfeld, wo der Verein seine Laufeinheiten durchführt. Der Fitness-Trainer ist ein Energiebündel mit gewinnendem Lachen. Wer sich fünf Minuten mit ihm unterhält, bekommt eine Ahnung, wie es ihm gelungen ist, eine besondere saarländische Vereinsgeschichte zu schreiben. Deckarm war ein ganz passabler Amateurkicker, bis er sich schwer am Knie verletzte. Danach entdeckte er das Laufen für sich. „Also, ich muss eins gleich mal klarstellen. Die Leute denken immer, das Laufen langweilig ist. Aber das ist Blödsinn, das Gegenteil ist der Fall“, sagt er.
Doch es ging Deckarm nicht nur um die sportliche Aktivität. Der Vereinsmensch suchte auch Anschluss, den er bei den etablierten Clubs nicht fand. „Wir haben einiges probiert, aber es war nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Ich will auch nicht alles negativ sehen. Teilweise sind es richtig große Traditionsvereine mit vielen Abteilungen. Da herrscht dann eben eine gewisse Struktur, und die Abläufe sind manchmal etwas zäh“, sagt Deckarm, der sich an seinen Jugendfreund Hock erinnerte. „Ich wusste ja, dass er ein starker Läufer ist und hab ihn gefragt, ob wir unser eigenes Ding machen sollen“, sagt er. Das alles ist gerade einmal gut zwei Jahre her. Mittlerweile hat das eigene „Dingmad“ rund 100 Mitglieder und taucht seit einiger Zeit in fast allen Bestenlisten bei Freizeitläufen auf. „Laufen ist spannend. Man kann sich weiterentwickeln, immer neue Reize setzen. In der Gruppe geht das natürlich noch besser“, sagt Hock. Kurz vor Trainingsbeginn stößt Trainer Hans-Jürgen Detzler zum Gespräch dazu. Der braungebrannte Endfünfziger ist Sportler durch und durch, seit Jahren in der Leichtathletik-Szene etabliert und zudem als Athletiktrainer beim Fußballverein SV Rohrbach tätig. Sein Sohn Elias gehört als Läufer ebenfalls zur „nächsten Generation“ und ist auch im Vereinsvorstand aktiv. „Es war eigentlich eher ein Zufall. Ich habe irgendwann gesehen, dass Luca vor unseren Haus vorbeigelaufen ist und da habe ich gesagt: ,Den trainiere ich irgendwann nochmal‘“, sagt Detzler senior, der von sich aus auf den Verein zukam und sich als Trainer anbot. „Ein absoluter Glücksfall für uns“, betonen Hock und Deckarm unisono.
Als Läufer sind sie ambitioniert, als Vereins-Vorstand nimmt für sie aber auch der gesellige Teil einen großen Stellenwert ein. „Bei uns ist jeder willkommen. Wir freuen uns über absolute Anfänger. Es ist doch geil, wenn man jemanden für unseren Sport begeistern kann“, sagt Deckarm, und Hock fügt hinzu: „Wir betreiben ja keine Sportart, bei der es viel Geld zu verdienen gibt. Insofern gibt es bei uns auch kein Konkurrenzdenken. Wir wollen ein Team sein, das sich gegenseitig hilft.“
Im Oktober findet so die dritte St. Ingberter Biermeile statt, die von den Brüdern Felix und Fynn Schwarz organisiert wird. „Es geht darum, im Stadion vier Runden zu absolvieren, dabei aber vor jeder Runde ein Bier zu trinken. Dafür gibt es richtige Meisterschaften. Die Veranstaltung wird von Jahr zu Jahr größer und es macht richtig Bock“, sagt Deckarm. Die „Biermeile“ zeigt, dass sich die Sportler selbst nicht zu ernstnehmen: „Wir haben schon einen gesunden Lifestyle, sind ambitionierte Läufer. Wir gehen uns nicht jedes Wochenende die Rübe wegklatschen. Aber es spricht doch nichts dagegen, wenn man nach dem Training mal gemeinsam ein Bierchen trinkt“, sagt der Vorsitzende.
Steigende Mitgliederzahlen
Ein besonderer Höhepunkt der kurzen Vereinsgeschichte war das erste Trainingslager, das im Frühsommer im spanischen Girona stattfand. „Es war eher eine Vereinsfahrt“, sagt Hock lachend: „Wir haben ein Mitglied, das sich dort in der Gegend gut auskennt und so ist die Idee entstanden. Am Ende waren wir 15 Leute. Es war von der Logistik her spannend, weil wir nicht in Hotels, sondern in Wohnungen untergebracht waren. Am ersten Tag hat sich dann beim Einkaufen herausgestellt, dass es gar nicht so einfach ist, beim Kochen alle unter einen Hut zu bringen. Wir haben uns dann aufgeteilt, aber als Gemeinschaft hat uns das noch stärker zusammengeschweißt.“
Und so ist bereits jetzt absehbar, dass die zweite Fahrt in südliche Gefilde noch gefragter sein wird. Im dritten Jahr des Bestehens ziehen Deckarm und Hock ein zufriedenes Fazit. Die Mitgliederzahlen steigen, bisher gab es erst zwei oder drei Abmeldungen. Selbst eigene Merchandising-Artikel bietet die nächste Generation mittlerweile an. Die Befürchtungen der SLB-Spitze, es könne sich um eine Schnapsidee oder eine Eintagsfliege handeln, haben sich längst in Luft aufgelöst. „Für mich ist der Verein ein Grund, hier niemals wegzuziehen. Er ist mein Baby“, sagt Initiator Deckarm. Auf die Frage, ob er sich in zehn Jahren noch an der Spitze sieht, sagt er bestimmt: „Ja“, und fügt dann aber lachend hinzu: „Aber irgendwann wird auch im Verein eine nextgen kommen.“