Das neue Schuljahr beginnt nun auch in den letzten Bundesländern. Die Erfahrungen zum Start ähneln sich. Personalmangel soll durch Quereinsteiger aufgefangen werden. Aber die machen in der Hauptstadt Berlin so ihre eigenen Erfahrungen.
Vanessa ist schon ganz aufgeregt. Heute ist ihr erster Schultag, und das wird ganz schön spannend. Nun ist die studierte Germanistin schon 48 Jahre alt. Trotzdem freut sie sich am ersten Schultag – als Lehrerin.
Die Mutter von zwei mittlerweile erwachsenen Kindern kommt ursprünglich aus dem Verlagswesen. In ihrem alten Job lief es nicht mehr wirklich gut, und sie suchte nach einer neuen Perspektive. Jetzt ist sie nach einer kurzen Vorbereitungszeit Lehrerin für Deutsch und Sport, über ihren zweiten Studiengang.
Befristeter Job als Lehrerin
Ihren vollen Namen möchte sie nicht gerne in der Zeitung lesen, dafür erzählt sie aber freimütig: Die Bezahlung sei nicht allzu üppig, „aber ich kann davon leben. Meine beiden Töchter sind selber noch am Studieren und ich kann sie finanziell zumindest ein bisschen unterstützen. Außerdem freue ich mich auf den neuen Job als Lehrerin“, ist die 48-Jährige im Sommer vor einem Jahr zuversichtlich. Sie wird an einer Schule mit erhöhtem Förderbedarf, früher nannte man dies in Berlin „Brennpunktschule“, im Bezirk Neukölln ihren Dienst antreten. Dort hat sie genau ein Jahr, also Schuljahr, durchgehalten. „Ich weiß nur eins: nie wieder Sekundarstufe und schon gar nicht in diesem Bezirk“. Es war nicht nur der im Umgang mit recht robusten Schülerinnen und Schülern, die ihr nervlich zu schaffen machten, sondern auch das Kollegium. „Wenn es wieder mit irgendeiner Klasse Ärger gab, hieß es unterschwellig vom Kollegium, das könnte auch vielleicht an mir liegen, da ich ja nicht die pädagogischen Voraussetzungen mitbringen würde, und ich sollte das besser auch selbst mal reflektieren“. Die mittlerweile 49-Jährige ist froh, als ihr Vertrag an der Schule automatisch zum Ende des Schuljahres in diesem Sommer von selbst ausläuft. Quereinsteiger als Lehrer werden zwar in Berlin händeringend gesucht, doch sie bekommen meist immer nur Jahresverträge, rein aus Kostengründen. Nicht nur Berlin, sondern auch seine Schulen sind arm und in diesem Fall wenig sexy.
Zwar hat sich der neue Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) durchgerungen, zukünftig Lehrer früher zu verbeamten, aber da sind nun nicht mehr viele Lehrer, die das Alter und damit die entsprechenden Dienstzeiten mitbringen. Für Vanessa P. ist das ein abgekartetes Spiel. „Ich habe als Quereinsteigerin ohnehin wesentlich schlechter verdient als meine Kolleginnen und Kollegen und dann zum Einstieg gleich mal eine Schule zugewiesen bekommen, die Vollprofis im täglichen Betrieb braucht und nicht jemanden, der ursprünglich überhaupt nicht aus dem Bereich kommt und sich da erst mal mit den ganzen Herausforderungen zurechtfinden muss, ganz abgesehen von der fehlenden Unterstützung durch Fortbildungsmaßnahmen“.
Quereinsteiger umworben
Dazu kommen aus der Sicht der Neu-Lehrerin dann noch die Eltern, die sie auch nicht wirklich ernst genommen haben. Kurz vor Beginn des neuen Schuljahres, Anfang August, bekommt die 49-Jährige Berlinerin dann einen Anruf. Die Schulleitung aus Neukölln erkundigt sich nach ihrem Wohlbefinden und ob sie nicht Lust hätte, auch im jetzt anlaufenden Schuljahr wieder dabei zu sein. „Ich bin bald vom Glauben abgefallen. Die lassen meinen Vertrag einfach auslaufen, keine Rückmeldung, um mich dann kurz vor Beginn des neuen Schuljahres anzurufen, ob ich nicht wieder einsteigen möchte“. Zu diesem Zeitpunkt hat sich Vanessa aber schon wieder vom Berliner Schulacker gemacht und einen Vertrag in Potsdam-Babelsberg unterschrieben. In Brandenburg werden Quereinsteiger zumindest finanziell besser behandelt. Ein Grundproblem Berlins: Alle Länder zahlen besser als die Bundeshauptstadt und nicht nur die Quereinsteiger, sondern auch vollausgebildete Lehrer sehen zu, dass sie, wenn sich die Möglichkeit bietet, lieber im Speckgürtel um Berlin herum unterrichten können, weil sie dann nicht gänzlich die Region wechseln müssen.