20 Jahre lang leitete Günter Engel die Leonardo-da-Vinci-Gemeinschaftsschule Riegelsberg. Nun ist er mit 67 Jahren in den Ruhestand gegangen.
Eine Empfehlung fürs Gymnasium bekam er als junger Bub nicht, am Ende seines Berufslebens kann Günter Engel auf rund 35 Jahre Tätigkeit als Lehrer und 20 Jahre davon sogar als Schulleiter zurückblicken. Geradlinig war sein Berufsleben also nicht, dafür aber umso spannender und vielseitiger.
„Als Arbeiterkind aus Oppen war mein schulischer Werdegang von vielen Schwierigkeiten geprägt“, erinnert sich Günter Engel. „Ich war wissbegierig und wollte unbedingt aufs Gymnasium. Doch eine Empfehlung bekam ich nicht.“ Seine einzige Chance damals war es, ins Kloster zu gehen. „Mit 13 Jahren trat ich in die Klosterschule Burg Lantershofen bei Bad Neuenahr ein. Ich war in einer Klasse mit sieben Kindern. Wir hatten ein Jahr ausschließlich Latein als Unterrichtsfach. Danach besuchte ich in Neuenburg in der Eifel ein Jungen- und Mädchengymnasium, an dem ich auch mein Abitur ablegte.“
Ausbildung zum Familientherapeut
Nach seiner Zeit als Fallschirmjäger bei der Bundeswehr und einem Jahr Ausbildung im Christlichen Jugendwerk (CJD) studierte er Theologie und Sport auf Lehramt in Saarbrücken und Wien. 1986 machte Günter Engel Examen. Die 80er-Jahre waren für angehende Lehre keine gute Zeit. Zu viele Pädagogen stürmten den Arbeitsmarkt, man sprach damals gern von der Lehrerschwemme.
„Es gab kein Referendariat für mich. Ich musste den Weg zum Arbeitsamt antreten.“ Im Institut für Familientherapie in Weinheim ließ sich Günter Engel zum Familientherapeuten ausbilden, arbeitete bei „BARIŞ – Leben und Lernen“, dem Verein zur Förderung des Zusammenlebens von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Später betreute er in einer ambulanten Praxis alkohol- und tablettensüchtige Menschen.
Anfang der 90er-Jahre schließlich fand er eine Referendariatsstelle an der Realschule in Güdingen und Lebach und erhielt im Anschluss eine Anstellung als Lehrer an der damaligen Gesamtschule Bellevue in Saarbrücken. Hier war Günter Engel voll in seinem Element. Er gründete eine Zirkus-AG, mit der vor allem Kinder aus benachteiligten Familien angesprochen wurden. Dem sportlichen Lehrer kamen seine Erfahrungen als Surflehrer an der Ostsee während seines Studiums zugute. „Damals habe ich auch Einradfahren und Jonglieren gelernt. Mit unserem Pilotprojekt wollten wir den Kindern Wege zur Gewaltlosigkeit und Gruppenerfahrung durch alternativen Schulsport vermitteln.“ Viermal die Woche trainierten 20 Jungen und Mädchen mit Ein- und Hochrädern, Jonglierkeulen und -bällen, Stelzen und am Hochseil. „In den zehn Jahren ihres Bestehens war unsere Zirkus-AG nicht nur auf vielen Festen und Veranstaltungen auch außerhalb der Schule dabei. Unsere akrobatischen Jugendlichen traten sogar bei Empfängen der Landesregierung, beim Saarlandtag und im Rahmenprogramm der Tour de France auf. Insgesamt absolvieren wir rund 150 Auftritte und wurden mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet.“
2004 wechselte der Vater zweier mittlerweile erwachsener Kinder als Schulleiter an die Riegelsberger Gemeinschaftsschule.
In Zeiten, in denen es immer schwerer wird, die Stelle der Schulleitung an Grund- und Gemeinschaftsschulen sowie an Gymnasien zu besetzen, überrascht das Fazit von Günter Engel, der zum Schuljahresende als Rektor der Leonardo-da-Vinci Gemeinschaftsschule verabschiedet wurde: „Ich würde diesen Job jederzeit wieder machen bei so einem engagierten Kollegium“, sagt der 67-Jährige freudestrahlend, bei dem keinerlei Amtsmüdigkeit, Frust oder Überlastung hörbar wird.
Wie kommt diese Zufriedenheit und Fröhlichkeit mit seinem Job und dem Abschied aus dem Berufsalltag? Das hat viel mit seinem Erziehungs- und Bildungscredo sowie seiner Lebensphilosophie zu tun: Körper, Geist und Seele gleichermaßen zu bilden und zu fördern.
Dank seines Masterstudienganges für Schulmanagement in Kaiserslautern und Fortbildungen in Systemischer Organisationsberatung und Supervision in Heidelberg, die er berufsbegleitend absolvierte, ist es ihm gelungen, gleich mehrere Herausforderungen und Großprojekte zu stemmen, ohne frustriert das Handtuch zu werfen oder zu resignieren: „Die Umstrukturierung von der Gesamt- zur Gemeinschaftsschule forderte vor allem organisatorisches Talent. Die erste Migrationswelle 2014/15 mit vielen traumatisierten Flüchtlingskindern verlangte von unserem 40-köpfigen Kollegium großes emotionales und pädagogisches Einfühlungsvermögen.“ Mittlerweile werden an der Schule Schülerinnen und Schüler aus 25 Nationen mit 20 unterschiedlichen Sprachen unterrichtet. „Das ist nicht immer leicht“, so Günter Engel.
„Die Arbeit wurde mir nie zur Last“
„Gemeistert werden musste auch die Coronakrise, in der wir unsere Schülerinnen und Schüler online unterrichten und viele Ängste auffangen mussten.“ Die digitale Transformation der Schule, die Umsetzung der inklusiven Schule, der Fachlehrermangel und die Integration von Quereinsteigern sowie der über acht Jahre dauernde Umbau der Schule zehrten ebenso an Günter Engel und seinem Kollegium.
„Speziell für diese Herausforderungen brauchten wir stringente und zugleich achtsame Führungsarbeit, Selbstführung und Supervision, die von unserem Kollegium gerne in Anspruch genommen wurden. Wichtig hierbei waren auch Verteilung von Führungsaufgaben, wertschätzende Kommunikation und positives Denken. In den vergangenen 20 Jahren konnte ich somit eine vertrauensvolle Einheit zwischen Kollegium, Eltern- und Schülerschaft aufbauen. So wurde mir die Arbeit nie zur Last.“
Stolz ist Günter Engel besonders auf das Stolperstein-Projekt, das die Schüler gegen Rassismus und Ausgrenzung stärkt, und die Umsetzung der Waldklasse, die die Schüler für die Natur sensibilisiert.
Auch für seinen Ruhestand hat Günter Engel den Gleichklang von Körper, Geist und Seele fest im Blick. „Ich werde mich unter anderem mit Pilates, Yoga und Nordic Walking fit halten. Mein Fortbildungskonzept, Lehrer resilient für den Schulalltag zu machen, werde ich weiterentwickeln und in Schulen vorstellen. Kraft werde ich auch in der Natur und auf Reisen schöpfen und nicht zu vergessen im Blasorchester Riegelsberg. Hier spiele ich als Tenor-Saxofonist, freue mich auf die Proben und die gemeinsamen Auftritte. Es ist eine sehr schöne Gemeinschaft, die besonders in der Pension wichtig ist.“