Hollywoodstar und Oscarpreisträger Kevin Costner spricht mit uns über seinen neuen Film „Horizon“, warum er dafür Teile seines Besitzes verpfändet hat, über seine Leidenschaft fürs Filmemachen und woher er die Kraft nimmt, Rückschläge zu verarbeiten.
Mr. Costner, Sie haben im Laufe Ihrer Karriere in vielen sehr unterschiedlichen Filmen mitgespielt. Stimmt der Eindruck, dass Sie trotz allem eine besondere Vorliebe für das Western-Genre haben?
Ich habe eigentlich alle Filme, die ich gemacht habe, sehr genossen, vor allem auch die Sport-Filme. Aber es stimmt schon: Ich fühle mich beim Western immer sehr gut aufgehoben. Ich liebe es, draußen in der Natur zu sein. Ich liebe es, mich den oft gewaltigen Kräften auszusetzen, die dort vorherrschen. Ich liebe das Ursprüngliche, das Unberührte, das in den Weiten Nordamerikas immer noch zu finden ist. Zu der Zeit, in der die meisten Western spielen, war das Überleben in der wilden Natur ziemlich hart. Wenn man damals sein Pferd verloren hatte, konnte es gut sein, dass man dann irgendwo in der Wildnis zugrunde ging. Wenn man nicht genügend Wasser hatte, verdurstete man eben. Der Westen war damals sehr gefährlich. Das Leben unter diesen archaischen Umständen hat mich schon immer sehr fasziniert. Wie gut hat sich jemand den Verhältnissen angepasst? Oder wie schlecht? Wenn man damals einen Fehler machte, konnte das sehr wohl das Ende für einen bedeuten.
Es hat über 30 Jahre gedauert, bis Sie Ihr Herzensprojekt „Horizon“ endlich realisieren konnten. War einer der Gründe, warum es jetzt möglich war, der große Erfolg, den Sie mit der TV-Serie „Yellowstone“ hatten?
Der wesentliche Faktor war, dass ich mich dazu durchgerungen habe, mein eigenes Geld einzusetzen. Ich habe zwar ein paar Investoren an der Hand, denen ich das Geld bei Erfolg hoffentlich zurückzahlen kann, aber ich selbst habe so um die 40 Millionen Dollar hineingebuttert und auch Teile meines Besitzes verpfändet. Was mich sehr gefreut hat, war, dass meine Kinder damit einverstanden waren. Selbst wenn alles weg wäre, wäre das für sie okay. Sie haben mir versichert, das Wichtigste für sie ist, dass sie mich haben. Und für mich war sowieso klar: Wenn ich etwas liebe– wie dieses Projekt „Horizon“ –, dann versuche ich alles dranzusetzen, damit es Wirklichkeit wird.
Sie haben bei „Horizon“ den Final Cut. Wie wichtig ist es für Sie, die absolute Kontrolle zu haben?
Natürlich gibt es mir die Freiheit, die ich brauche, um kreativ zu sein und den Film so zu machen, wie ich ihn haben will. Da redet mir niemand hinein. Es gibt Leute, die fürchten sich vor ihrem eigenen Schatten. Und es gibt Leute, die haben Angst, bei den Dreharbeiten die nötigen Entscheidungen zu treffen – vor allem wenn es schwierig wird. Ich gehöre nicht dazu. Ich handle. Denn genau diese schwierigen Momente definieren die leichteren Momente, die es bei den Dreharbeiten natürlich auch gibt.
Wenn Sie Ihre Drehbücher lesen – wie erkennen Sie, was wirklich wichtig ist und was nicht?
Instinktiv. Immer dann, wenn es sich richtig anfühlt, ist es auch gut. Letztlich ist doch alles eine sehr emotionale Erfahrung. Das gilt für das Filmemachen ebenso wie für das Filmeschauen. Wenn ich ein Drehbuch lese, erkenne ich sofort, ob die Emotionen da sind oder fehlen. Oder ob genügend Spannung da ist oder nicht. Und ich erkenne vor allem auch die Dinge, die mit unser aller Menschsein zu tun haben. Die uns als Menschen von heute nicht von denen trennen, die damals lebten. Ich denke mir oft: Diese Menschen sind ja wie ich!
Wenn man viel eigenes Geld in so ein Großprojekt investiert, scheint Ihnen Reichtum wohl nicht viel zu bedeuten. Was ist Ihnen im Leben wichtig?
Wirklich wichtig ist mir, eine Idee, die ich lieb gewonnen habe, nicht aufzugeben, auch wenn es schwierig wird. Und die Fähigkeit, mich auf meine eigenen Instinkte verlassen zu können. Das trifft auf das berufliche wie auf das private Leben gleichermaßen zu.
„Horizon“ ist ein Film, den man sich unbedingt auf der großen Leinwand ansehen sollte. Glauben Sie, das Kino hat – als gemeinschaftlicher Erlebnisraum – noch eine Zukunft? Oder spielt sich bald alles nur noch auf den Streamingplattformen ab?
Ich war noch nie gut darin, in die Zukunft zu schauen. Ich bin ein ziemlich einfacher Mann. Ich erkenne sehr schnell, wenn jemand meine Zeit verschwendet. Ich weiß aber auch sehr schnell, wenn mich eine Story berührt. Und ich weiß, wenn mich etwas überrascht. Und genau mit diesen Dingen würde ich gern in Verbindung gebracht werden. Niemand kann vorhersagen, was Menschen im Kino sehen wollen. Wenn Sie sich einen Film von mir ansehen, würde ich mir wünschen, dass Sie das Gefühl haben, er ist das Eintrittsgeld wert. Ich versuche jeden Film, den ich mache, so gut zu machen, wie ich nur eben kann. Da scheue ich keine Mühen. Und auch von Rückschlägen lasse ich mich nicht entmutigen. Ich versuche eine Welt zu erschaffen, die man so noch nicht gesehen hat. Und lege dabei sehr viel Wert auf Details. Ich arbeite sehr hart daran, damit die Dinge, die wirklich interessant sind, dann auch tatsächlich genauso auf der Leinwand abgebildet werden. Für mich ist es immer ein kleiner Triumph, wenn man sich als Zuschauer meinem Film voll und ganz hingibt – und nicht aufsteht, um sich in der Küche ein Bier zu holen.
Sie haben erst vor Kurzem eine Scheidung hinter sich gebracht. Wie sind Sie damit fertig geworden? Und woher nehmen Sie die Kraft weitezumachen?
Das weiß ich gar nicht so genau. Ich konzentriere mich eben darauf, konsequent und unablässig weiterzumachen, weiterzuarbeiten. Und die Dinge, die ich nicht ändern kann, anzunehmen. Außerdem habe ich Kinder, für die ich da sein will. Auch für sie will ich stark sein. Da kann ich nicht einfach verwelken wie ein Gänseblümchen. Ich bin auch mit der Vorstellung aufgewachsen, dass man alles bewältigen kann, solange man sich damit intensiv auseinandersetzt und die nötige Zeit investiert.
Wenn man Erfolg hat, geht einem das Leben meist leichter von der Hand. Wie anfällig sind Sie dafür, dass Fehlschläge Sie aus dem Konzept bringen?
(lacht) Ja, das Leben ist definitiv leichter, wenn man erfolgreich ist. Über Fehlschläge denke ich zurzeit überhaupt nicht nach. Kürzlich sah ich in einem großen New Yorker Magazin die Liste der bisher besten Filme in diesem Jahr. Und da stand „Horizon“ an erster Stelle. Um ehrlich zu sein, hat mich das etwas traurig und beschämt gemacht. Als ich nämlich erkannte, dass ich so etwas dann doch gebraucht habe. Und wie gut es mir tat. Da fühlte ich mich etwas schwach.
Sie haben mit Sienna Miller und Abbey Lee zwei sehr starke Frauen in „Horizon“ eingeführt. Wollten Sie damit die sehr männerdominierte Welt etwas ausbalancieren?
Sienna Miller und Abbey Lee sind ja nicht nur wunderschön, sondern auch sehr gute Schauspielerinnen. Und ja, diese starken Frauen sind sehr wichtig für den Fortgang der Geschichte, die ich erzähle. Und sie werden im zweiten Teil noch viel präsenter sein. Sie sind ein integraler Bestandteil der Saga.
Sie haben Ihren 15-jährigen Sohn Hayes dazu überredet, in „Horizon“ mitzuspielen …
… was ich ein bisschen mit schlechtem Gewissen getan habe, da ich weiß, wie viele echte Schauspieler darauf angewiesen sind, dass man sie für Rollen besetzt. Es war also eine sehr egoistische Entscheidung (lacht). Aber Hayes hat ja nur eine kleine Rolle. Die hat er aber sehr gut gemeistert. Ich wollte einfach mehr Zeit mit ihm verbringen. Und die zwei Wochen, die wir dann immer zusammen ans Set gefahren sind, waren ganz besonders schön. Ich habe meine Kinder aber nie zur Schauspielerei gedrängt und werde das auch künftig nicht tun. Ganz abgesehen davon: Als ich meine jüngste Tochter Grace fragte, ob sie nicht auch mitspielen wollte, hat sie einfach abgelehnt. Sie wollte lieber nichts in der Schule versäumen.
Den Apachen in „Horizon“ haben Sie sehr viel Würde verliehen. Finden Sie, dass die indigenen Völker in Filmen heutzutage besser dargestellt werden als früher?
Ich hoffe doch sehr, dass man endlich damit anfängt, sie würdevoll darzustellen. Denn sie sind Menschen wie du und ich. Sie haben die gleichen Sorgen, die gleichen Freuden und die gleichen Hoffnungen für ihre Kinder. Man sollte nie vergessen, dass wir – damit meine ich die Weißen – damals über 500 Nationen ausgerottet haben, als wir Amerika bevölkerten …
In dem Film „Feld der Träume“ gibt es den Satz: „If you build it – they come.“ Das könnte auch Ihr Mantra sein, oder?
Ja, ich schaffe sehr gern etwas. Aber wenn ich einen Film gemacht habe – dann gehört er nicht mehr mir, sondern den Zuschauern. Die Zeit wird dann zeigen, wie gut er wirklich ist.