Sie sind längst angekommen auf deutschen Straßen: E-Autos. Doch es sind bei Weitem nicht so viele, wie es sein sollten, um das gesteckte Ziel der Bundesregierung zu erreichen: 15 Millionen bis zum Jahr 2030. Droht der geplanten Verkehrswende womöglich der Kurzschluss?
Bis zum Jahr 2030 sollen auf deutschen Straßen 15 Millionen vollelektrische Fahrzeuge unterwegs sein. Das war das erklärte Ziel der Bundesregierung – und ist es noch, wie aus der Antwort einer sogenannten Kleinen Anfrage der AfD-Fraktion vom Frühjahr dieses Jahres hervorgeht. Dieses Datum hätten sich Bundesregierung, Automobilhersteller und Gewerkschaften gemeinsam zum Ziel gesetzt, heißt es darin. Die Rede ist nicht von Plug-in-Hybriden, die nach wie vor lediglich ein paar wenige Kilometer mit Strom fahren können, sondern von reinen E-Autos.
Wie dieses Ziel binnen sechs Jahren erreicht werden soll, dafür dürfte selbst den kühnsten Optimisten inzwischen die Fantasie fehlen. Schon 2017 musste die damalige Bundeskanzlerin Merkel ihr Ziel revidieren, bis zum Jahr 2020 eine Million E-Automobile auf die Straße zu bringen. Inzwischen ist diese Marke zwar gerissen, doch nach Zahlen des Kraftfahrzeugbundesamtes (KBA) waren zum 1. Januar 2024 gerade einmal 1,4 Millionen rein elektrische Fahrzeuge unterwegs.
Die Förderung hatte tatsächlich entsprechende Anreize gesetzt, wie sich an den Zulassungszahlen des KBA der vergangenen Jahre ablesen lässt. Gab es 2018 (36.000) und 2019 (63.000) zusammen noch nicht einmal 100.000 Neuzulassungen, waren es im Jahr 2020 schon fast 200.000 und 2021 bereits 355.000. 2022 stieg die Zahl der neu zugelassenen E-Autos sogar um 470.000 und erreichte im vergangenen Jahr mit mehr als einer halben Million Neuzulassungen in einem Jahr ihren Höhepunkt. Gemessen an der Gesamtzahl der in Deutschland zugelassenen Fahrzeuge ist der Anteil der Elektrofahrzeuge mit gerade einmal 2,9 Prozent aber weiter verschwindend gering. Selbst wenn man den Anteil der Plug-in-Hybriden 1,9 hinzurechnet, wird die Quote nicht wirklich besser.
Zehn Milliarden Euro an Förderungen hat das Anschubprogramm verschlungen, bis es die Regierung – überraschend abrupt – eingestellt hat. Seither sind die Absatzzahlen rückläufig – auch wenn viele Hersteller anfangs die zugesagten und dann gestoppten Fördersummen der Regierung teils übernommen haben. Letztlich liegen die Anschaffungspreise für Stromer noch immer deutlich über denen vergleichbarer Verbrenner. Zudem fehlen vor allem im Kleinwagensegment die Angebote. Dass die Politik gerade Strafzölle auf die Einfuhr chinesischer E-Autos verhängt hat, ist angesichts des Preiskampfes der Chinesen und zum Schutz der eigenen Industrie einerseits nachvollziehbar. Andererseits verschlechtert dies die Kaufanreize weiter, da nach wie vor niedrigpreisige Fahrzeuge Mangelware sind – und so auch bleiben.
Laut KBA liegt die Zahl der neu zugelassenen reinen E-Fahrzeuge zwischen Januar und Juli dieses Jahres bei 231.000. Insgesamt wurden im gleichen Zeitraum 2,12 Millionen Fahrzeuge zugelassen, also deutlich mehr Verbrenner. Hochgerechnet aufs Jahr dürfte sich die Zahl der E-Auto-Zulassungen also knapp über dem Wert von 2021 bewegen und damit die Gesamtzahl an E-Autos bis zum Jahresende bei etwa 1,8 Millionen. Geht es in diesem Tempo weiter, dauert es bis 2057, bis das erklärte Ziel von 15 Millionen Fahrzeugen erreicht ist.
Die Politik ist gefordert
Noch düsterer wird die Prognose, wenn man bedenkt, dass viele E-Autos gerade als Leasing-Rückläufer wieder vom Markt verschwinden und drohen, zum Ladenhüter auf irgendwelchen Hinterhöfen der Autohäuser zu werden. Zwar ließe sich derzeit durchaus das ein oder andere Gebrauchtwagen-Schnäppchen machen, aber nach wie vor ist die Kaufzurückhaltung der Kunden bei gebrauchten E-Autos noch größer als bei Neuwagen. Auch wenn zahlreiche Belastungstests zeigen, dass die Akkus der Fahrzeuge weitaus länger halten, als zunächst angenommen, ist die Skepsis wegen fehlender Langzeiterfahrungen nach wie vor groß. Da spielt es augenscheinlich auch keine Rolle, dass sich der Akku vor dem Gebrauchtwagenkauf durchaus prüfen und durchmessen lässt, wenn man auf Nummer sicher gehen möchte.
Dabei macht E-Autofahren wirklich Spaß. Wer sich einmal daran gewöhnt hat, möchte seinen Stromer nicht mehr missen. E-Motoren sind weitaus effizienter als Verbrenner, bei denen zu viel Energie ungenutzt verpufft. Und sauberer in der Gesamtbilanz ohnehin, selbst wenn man die anfänglichen Nachteile bei der Herstellung einpreist. Sie sind auch weitaus effizienter als die von der FDP für „Energieoffenheit“ lautstark propagierten E-Fuels. Diese sind der überteuerte Versuch, an Verbrennermotoren über das Jahr 2035 hinaus festzuhalten, wie Forscher des Fraunhofer Instituts in Karlsruhe belegen. Ein klares Signal an die Wirtschaft, konsequent den neuen Weg in Sachen Verkehrswende gehen zu wollen, sind sie hingegen ganz sicher nicht.
Auch die Reichweite ist im Alltag längst kein Problem mehr. Selbst wenn man nicht in der komfortablen Situation ist, eine eigene Wallbox zum Laden zu Hause zu haben, ist es in der Regel mittlerweile wenig schwierig, eine Ladesäule zu finden. Nach Angaben der Bundesnetzagentur gibt es mittlerweile bundesweit 103.226 sogenannte Normalladepunkte und 25.291 Schnellladepunkte (Stand 1. März 2024) – Tendenz steigend, wenngleich der Ausbau an Autobahnraststätten wegen juristischer Streitigkeiten derzeit stagniert. Zum Vergleich gibt es nach Angaben des Bundesverbands freier Tankstellen (bft) bundesweit „nur“ knapp 14.500 Tankstellen.
Ein viel größeres Problem ist das Wirrwarr unterschiedlicher Tarife verschiedener Anbieter, die Nutzer zwingen, genau hinzuschauen, wie auch Johannes Pallasch, Leiter der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur, im Interview einräumt. Dass ausgerechnet der ADAC und EnBW als Anbieter des größten Ladeinfrastrukturnetzes gerade ihre langjährige Kooperation aufgekündigt haben, macht die Sache nicht einfacher – und vor allem nicht preisgünstiger. Auch wenn sich der ADAC mit Aral einen anderen großen Player als Partner gesichert hat, sollten auch ADAC-Mitglieder beim Laden künftig ganz genau hinschauen.
Genügend Ansatzpunkte eigentlich für die Politik, tätig zu werden. Wenn es ihr ernst ist mit der Verkehrswende und 2030 wirklich 15 Millionen reine E-Autos auf Deutschlands Straßen rollen sollen, müsste in den kommenden sechs Jahren allerdings weitaus mehr kommen als warme Worte und das Hoffen darauf, dass es andere schon richten werden.