Er hat noch keinen festen Platz für die olympische Silbermedaille. Er kennt auch noch nicht das Saisonziel seiner Mannschaft. Aber Marko Grgic macht das, was er am besten kann: cool bleiben.
Der ist kalt wie eine Hundeschnauze“ ist eine, zugegeben etwas angestaubte Redewendung zur Beschreibung eines Menschen mit besonders starken Nerven. Einen, den auch in Stresssituationen nichts aus der Ruhe bringt, der stets cool bleibt. So einer ist Marko Grgic. Der in Saarlouis aufgewachsene 20-jährige Handballprofi des ThSV Eisenach hat kurz nach seinem Länderspiel-Debüt mit der Nationalmannschaft an den Olympischen Spielen in Paris teilgenommen und die Silbermedaille gewonnen. Nach einem fantastischen Turnier waren nur die Olympiasieger aus Dänemark im Finale eine Nummer zu groß. Die neu zusammengestellte junge deutsche Truppe unterlag mit 26:39.
Ein rasanter Karriereaufstieg
„Alles ganz entspannt“, lautet dann auch – wenig überraschend – seine Antwort auf die Frage, wie es ihm nach den ereignisreichen Wochen ergangen ist. „Das ging schon alles relativ schnell“, gibt Marko Grgic zwar zu. Aber er erweckt nicht den Eindruck, dass ihn das stört: „Natürlich habe ich mich sehr gefreut, auch noch in den Tagen danach, an denen ich mir so meine Gedanken darüber machen konnte. Das gehört auch dazu, aber man sollte nicht die ganze Zeit daran denken. Mit dem Wiedereinstieg ins Training ist das zur Nebensache geworden.“ Schließlich stehe der Saisonstart in der Bundesliga am 7. September zu Hause gegen die Füchse Berlin vor der Tür.
Sein Vater kommt bei Markos Tempo nicht mit: „Wir haben das noch nicht verarbeitet, also hat er es ganz sicher noch nicht richtig verarbeitet. Das fühlt sich alles noch so unrealistisch und so weit weg an“, sagt Danijel Grgic und ergänzt: „Er hatte gar nicht die Zeit dafür, sich mal in Ruhe hinzulegen, an die Decke zu starren und alles einfach mal sacken zu lassen und in Ruhe festzustellen: War das geil.“ Der frühere kroatische Nationalspieler trug von 2003 bis 2005 selbst das ThSV-Trikot, bevor er ab 2006 die HG Saarlouis in die 2. Bundesliga führte und dort zur Vereinslegende wurde. Nach 18 Jahren kehrte er dem Saarland im Februar dieses Jahres den Rücken und kehrte als nun hauptamtlicher Jugendkoordinator nach Eisenach zurück. Seine Frau Ina, die er während seiner ersten Zeit beim Stralsunder HV (1998 bis 2002) kennengelernt hatte, kam im Mai nach. So, wie einst Vater Danijel den Lebensmittelpunkt der Familie Grgic bestimmte, ist es nun die steile Karriere von Marko, die den Ton angibt. Nur Stiefbruder Tom Paetow hält als Spieler der HG Saarlouis weiter im Saarland die Stellung.
„Die letzten Monate waren für uns einfach unfassbar. Schon als er in die Nationalmannschaft berufen wurde, hatte ich so ein Gefühl, dass er dann auch für die Spiele nominiert werden würde“, erinnert sich Grgic Senior: „Marko ist ein Typ, der einfach ein gewisses Etwas hat. Das haben dann auch die entscheidenden Leute in ihm gesehen.“ In Paris konnten sich die Eltern zwei Spiele vor Ort anschauen, auch beim Finale in Lille waren sie live dabei. „Man muss sich schon selbst kneifen, dass man wirklich bei den Olympischen Spielen dabei ist. Ich habe selbst schon das eine oder andere erlebt – aber so etwas noch nicht. Ich kriege gerade schon wieder Gänsehaut“, verrät Danijel Grgic und spricht von „enormem Stolz“. Auch darüber, wie sich sein Sohn auf und neben dem Feld präsentiert hat. Bodenständig, freundlich, eloquent, gut gelaunt – und vor allem: cool. Selbst der ungewohnte Medienrummel ließ den jungen Mann kalt: „Sooo schlimm war das gar nicht. Es wurde mir nicht lästig, hielt sich alles im Rahmen und hat gepasst“, sagt er dazu.
Aufgrund dieser ausgeprägten Coolness erhielt Marko Grgic von Bundestrainer Gislason die verantwortungsvolle Aufgabe des Siebenmeter-Schützen, die der 20-Jährige mit Bravour erfüllte. Insgesamt, also vom Punkt und aus dem Feld, hat er in zwölf Länderspielen schon 24 Tore erzielt. „So etwas kann man nicht planen und auch nicht wiederholen. Umso schöner und süßer ist es, dass es mit etwas gekrönt wurde, das du für immer zu Hause haben und dir immer mal wieder anschauen kannst“, sagt Danijel Grgic. Apropos: Welchen besonderen Platz hat die Medaille denn in der Junggesellen-Wohnung in Eisenach? Keinen. Sie liegt stattdessen noch verpackt und etwas versteckt zwischen anderem Kram herum. Zuletzt hatte sie Marko bei einer Stippvisite bei seinem alten Verein in Saarlouis einem größeren Publikum präsentiert. „Jeder wollte die Medaille mal anfassen. Das war schon ganz cool. Aber ich lasse nicht jeden ran. Das soll ja Unglück bringen und so doof bin ich ja nun auch nicht“, scherzt er.
Für seinen Vater ist der Erfolg des Filius auch eine Genugtuung. „Im Saarland wurde er vor allem als mein Sohn gesehen und sein eigenes Talent deshalb nicht richtig erkannt. Durch seinen Werdegang kann er ‚normalen‘ Jungs zeigen, dass alles möglich ist“, sagt er und ergänzt: „Dass man nicht an ein Sportinternat gehen muss oder für die U-Nationalmannschaften berufen werden muss, um es bis in die Männer-Nationalmannschaft zu schaffen.“ Hierfür sei auch der frühe Wechsel nach Thüringen der richtige Schritt gewesen: „Wir wussten das damals schon, jetzt haben wir die Bestätigung. Vielleicht haben das inzwischen auch andere eingesehen.“
„Darüber hinaus kann alles passieren“
Zurückblicken wollen die Grgics nicht mehr. Ihr Blick richtet sich, wie immer schon, nach vorne. Und dort wartet der Alltag. „Unser internes Saisonziel kenne ich noch gar nicht. Das wurde am Anfang der Vorbereitung festgelegt, als ich noch bei der Nationalmannschaft war. Aber klar ist, dass wir wieder nichts mit dem Abstieg zu tun haben wollen“, sagt Marko Grgic vor dem Bundesliga-Start mit dem ThSV Eisenach. Er weiß: „Darüber hinaus kann alles passieren. Es ist ja allgemein bekannt, dass das zweite Jahr in einer neuen Liga immer das schwerste ist und mit den Abgängen von Manuel Zehnder und Yoav Lumbroso haben wir schon Qualität verloren. Aber in der Breite sind wir stärker geworden.“ Das gilt auch für Grgic selbst – körperlich wie spielerisch. Zwar war er schon in der vergangenen Saison unumstrittener Leistungsträger, doch durch die olympische Erfahrung dürfte sein Stellenwert im Team noch weiter gestiegen sein. „Ich denke, meine Rolle im Team bleibt gleich. Das ändert sich ja nicht, nur weil ich was gewonnen habe“, findet er und legt gleich wieder den Fokus auf die Entwicklung des gesamten Teams: „Wir müssen in den nächsten Wochen noch weiter an den Abläufen feilen, die noch nicht so rund laufen wie letztes Jahr. Aber das sollte bis zum Saisonstart passen.“ Heißt konkret: Cool bleiben.