Im „IV Restaurant“ in Prenzlauer Berg werden rein vegane, pan-asiatische Köstlichkeiten gezaubert. Der Geschmack überzeugt auch hartgesottene Fleischliebhaber.
Für unseren Besuch im „IV Restaurant“ hat es ein Weilchen gedauert. Eigentlich waren wir schon vor Wochen, ja Monaten verabredet, doch dann kam immer etwas dazwischen. Mal von unserer Seite, mal seitens des Restaurants. Jetzt, im Spätsommer, hat es geklappt. Was lange währt, wird endlich gut, denke ich. Die nette Marketing-Managerin hatte mir im Vorgespräch asiatische, moderne vegane Fusionsküche angekündigt. Doch sind nicht die meisten asiatischen Fusion-Restaurants alle ein bisschen vegetarisch, wenn nicht sogar vegan? Besonders die, deren Inhaber vietnamesische Wurzeln haben, wie es im „IV Restaurant“ mit Bac Lac Tran der Fall ist. Schließlich ist die indo-chinesische Küche bekannt dafür, viele Gemüsesorten auf ihrer Speisekarte zu haben.
Mein erster Blick von außen durch die Fenster in die Räumlichkeiten an der Immanuelkirchstraße bestätigt das, was ich zuvor schon im Internet recherchiert hatte: Der Gastraum ist in mysteriösem Dunkelschwarz gehalten. Doch kaum, dass der begleitende Fotograf und ich das Restaurant dann betreten, wirkt das Ambiente doch sehr zugänglich. Die warme Beleuchtung über den Tischen besänftigt das strenge Schwarz. Direkt gegenüber des Eingangs befindet sich ein kleiner Hausaltar. Dort sind kleine Buddhastatuen, Kerzen, Räucherstäbchen, frische Blumen und Schälchen mit Essen und Tee aufgestellt. Der kleine Schrein symbolisiert die Verbindung zum Buddha und zu den Ahnen.
Streng orientiert an der Lehre Buddhas
Bac Lac Tran ist ein tiefgläubiger Mensch. Im Gespräch erzählt er uns, dass er zwar aus einer vietnamesisch-buddhistischen Familie kommt, aber erst nach und nach gläubig geworden ist. Mittlerweile besucht Bac Lac Tran regelmäßig die Linh-Thuu-Pagode in Berlin-Spandau und unterstützt sie auch finanziell. Mit den Nonnen dort pflegt er einen regen Austausch. Und so tauschen sich der Gastronom und die buddhistischen Ordensschwestern öfter über vegane Rezepte aus, wie er erzählt. Schließlich gelten in der Lehre des Buddha alle Tiere als fühlende Wesen, denen man kein Leid zufügen darf. Gewaltfreiheit auch Tieren gegenüber gehört zu den Prinzipien dieser Religion.
„Das ist natürlich nicht immer einfach, denn dann darf man auch keine Mücken töten“, bemerkt er schmunzelnd, als er und seine Marketing-Managerin uns den zweiten Raum, den ‚Private Room‘, zeigen. Von diesem Raum gehen ganz besondere Schwingungen aus. Der Ort wirkt so sakral, dass ich am liebsten noch einmal herkommen würde, nur um zu meditieren. Möglicherweise liegt das auch an der großen Buddhastatue an der Rückwand. Sie sitzt dort im Schneidersitz wie ein Fels in der Brandung, so gleichmütig, als würden alle Stürme im Außen an ihr vorbeiziehen.
Wir gehen zurück in den ersten Gastraum, setzen uns auf eine der mit rotem Samt bezogenen Bänke neben der Eingangstür und plaudern noch ein bisschen mit Bac Lac Tran. Dabei nippen wir schon einmal an den köstlichen, hausgemachten Limonaden. Diese haben es auch dem begleitenden Fotograf angetan. „Man schmeckt die Limette heraus mit einem Touch Minze und Maracuja, das ist nicht zu bitter und nicht zu süß“, findet er und nimmt noch einem Schluck der grünen Köstlichkeit. „Sehr ausbalanciert!“
Bevor die Speisen kommen, umreißt unser Gastgeber noch kurz seinen bisherigen Lebensweg. Bac Lac Tran kam als achtjähriger Junge mit seinem Bruder und seinen Eltern von der vietnamesischen Küstenstadt Da Nang nach Berlin. Zunächst sah es so aus, als würde er den „Standardweg eines jungen Asiaten“ einschlagen, erzählt er. Nach dem Abitur studierte er zunächst Wirtschaftsingenieurwesen an der Technischen Universität Berlin. „Aber eigentlich kann ich nicht in einem Büro sitzen. Ich brauche den Kontakt zu Menschen.“
So hat er in einem Lokal eines Freundes mitgeholfen, war dann eine Zeit lang Manager in verschiedenen Sushi-Restaurants. „Dann musste ich mich entscheiden. Soll ich zurück an die Uni gehen oder in der Gastronomie bleiben?“, erinnert er sich. Er entschied sich für die Gastronomie und schließlich dafür, sich mit einem eigenen Restaurant selbstständig zu machen. Ein halbes Jahr hat er an der komplett veganen Karte getüftelt und diverse Rezepte ausprobiert. „Da habe ich bestimmt 15 bis 20 Kilo zugenommen“, sagt er lachend. Im September 2023 schließlich öffnete das „IV Restaurant“ seine Pforten. Es ist auch eine Hommage an Bac Lac Trans vegan kochende Mutter. Ihr Name als viertes Kind einer großen Familie lautet Bõn, was auf Vietnamesisch vier bedeutet.
„Entenhaut“ aus frittierter Sojamilch
Dann landen immer mehr Köstlichkeiten auf unserem Tisch. Lecker sind zum Beispiel die sogenannten Trüffelmaker: Das sind kleine Riegel, die aus marininierten Kartoffelscheiben geschichtet und anschließend frittiert werden. Die Kartoffelwerke geben ein krosses Mundgefühl, I-Tüpfelchen ist eine aromatische Trüffel-Mayonnaise. Eine kulinarische Entdeckung ist auch das Tellerchen mit „Jack ’n’ Chill“. Hinter dem Namen verbergen sich Bao Buns mit einer marinierten Jackfrucht-Füllung. Der Inhalt der fluffigen, frisch gedämpften Hefebrötchen ist hochköstlich. „Die reife Jackfruit ist normalerweise süß, aber wir verwenden sie im ungereiften Zustand“, erzählt uns Bac Lac Tran zu unserem Erstaunen.
Doch dann folgt auch schon die Erklärung über die Eigenschaften der ursprünglich aus Südindien stammenden Frucht: „Das Fruchtfleisch in unreifem Zustand ist geschmacksneutral, es hat eine feste Konsistenz, und man kann es sehr gut marinieren.“ Damit eignet sich die Jackfrucht für allerlei kulinarische Experimente: „Man kann sie auch durchschmoren. Dann schmeckt sie wie ‚Pulled Pork‘“, weiß der Küchenchef. Kein Wunder, dass die Frucht als veganer Fleischersatz hoch im Kurs steht.
Fermentierte Shiitake statt Fischsoße
Die beiden Highlights unseres Nachmittages aber sind das vegane Lachsgericht und die ebenso fleischfreie Ente. Die vom Schwimmvogel inspirierte Kreation nennt sich „Teach me how 2 Ducky“. Wir beißen in die köstlichen Scheibchen und sind hingerissen. Der vegane Vogel ist innen ganz zart und saftig und außen kross. Eben wie Entenfleisch. Auch der begleitende Fotograf, eigentlich ein hartgesottener Fleischliebhaber, ist hellauf begeistert. „Die marinierte Füllung aus Seitan und Soja wird in Sojahaut gewrappt“, erläutert unser Gastgeber – und verrät uns dann noch das Geheimnis der „falschen“ Entenhaut: Dazu muss man die Sojamilch so lange kochen, bis sich oben eine Fettschicht bildet. „Dann kann man sie abziehen, trocknen, und es entsteht eine feste Konsistenz. Wenn man sie dann frittiert, wird sie schön knusprig, und so kann man die Konsistenz der Entenhaut nachstellen.“
Ein kleines Kunstwerk ist auch das vegane Lachs-Pendant an Avocado. Die bissfesten und zugleich zarten „Lachsstückchen“ bestehen aus einer in Würfelchen geschnittenen Tapioka. Die auch als „Tropenkartoffel“ bezeichnete Wurzelknolle ist eigentlich geschmacksneutral und nimmt dabei entsprechende Marinaden gut auf. „Unglaublich“, ruft der Fotograf aus und nimmt noch ein Häppchen.
Die passenden veganen Pendants zu finden, ist für vegane Köche und auch Bac Lac Tran nicht immer einfach. „Es war am Anfang schwierig, eine Alternative zur Fischsoße zu finden. Schließlich basiert die gesamte asiatische Küche auf dieser Soße“, erinnert sich der kreative Kopf. Schließlich hat er die fermentierte Shiitake-Soße entdeckt. „Das ist sehr umami“, betont der Küchenchef.
Am Ende unseres kulinarischen Nachmittags ziehen der Fotograf und ich wieder getrennter Wege. Gern hätten wir noch an einem „Whiskey Sour“ mit pflanzlichen Eiweiß-Schaum oder einem anderem Cocktail genippt. Aber dafür ist der Tag noch zu jung. Das heißt im Umkehrschluss aber auch: Wir kommen wieder. Ganz bestimmt.