Die mediterrane Schönheit der Côte d’Azur mit ihrer Mischung aus Unbeschwertheit, genussvollem Leben und reicher Geschichte hat einst auch den Schriftsteller Klaus Mann inspiriert. Der Sohn des berühmten Thomas Mann wohnte dabei gerne in einem Hotel, dem eine Deutsche zu neuem Glanz verholfen hat.
Barbara Kimmigs Gespür hat ganze Arbeit geleistet! Deshalb laden überall in ihrem Hotel „Villa Rivoli“ Bücherberge zum Schmökern ein. Fein säuberlich in Zeitungspapier eingeschlagen, türmen sich in den Zimmern und Fluren Klassiker und moderne Literaten in den verschiedensten Sprachen. Von Anfang an hat Barbara Kimmig in dem Bau aus der Belle Époque eine künstlerische Atmosphäre verspürt, also übernahm sie das Haus mit dem besonderen Flair kurzentschlossen und verwandelte es nach und nach in ein Schmuckkästchen. Doch erst kürzlich wurde ihre Ahnung bestätigt. Es erreichte sie die Kopie eines Briefes, in dem der Schriftsteller Klaus Mann am 25. Mai 1935 Rudolf Olden, dem Sekretär des „Exil-PEN“, schrieb: „Ich werde schon morgen nach Nice zurückfahren. Meine Adresse bleibt dort zunächst Pavillon Rivoli, rue de Rivoli.“ Also jenes architektonische Kleinod, das 1890 nur hundert Meter vom Strand entfernt errichtet wurde.
Klaus Mann wusste sehr genau, warum er sich ausgerechnet dort niederließ. Schließlich war er ein Kenner der Côte d’Azur. Bereits 1931 verfasste er mit seiner Schwester Erika den Reiseführer „Das Buch von der Riviera“, in dem die beiden begeistert die „großen Reize dieser Stadt am Meer“ beschreiben. Sie schwärmen vom historischen italienischen Viertel hinter Nizzas Hafen, den breiten Boulevards voller Geschäfte, dem Leben, das sich nach keiner Saison richtet.
So vergnüglich der immer wieder aufgelegte „Alternativ-Baedeker“ aus dem Kindler-Verlag zu lesen ist, auf die Bar- und Restauranttipps ist natürlich kein Verlass mehr. Aber dafür gibt’s ja Barbara Kimmig, die gebürtige Schwarzwälderin. Zumindest wenn man das Glück hat, eines ihrer 24 einladenden Zimmer in der „Villa Rivoli“ zu ergattern. Weil dort die Gäste nicht nur mitten in Nizza und unweit des Bahnhofs, der mit seiner Architektur aus der Belle Époque zu den schönsten Europas gehört, willkommen sind, sondern auch alle Fragen neben Französisch und Englisch in Deutsch beantwortet bekommen.
Barbara Kimmig ist sich sicher, dass ihr kleines Hotel mit dem lauschigen Innenhof genau die richtige Unterkunft für alle ist, die das Authentische suchen. „Die Architektur hat was Verträumtes, ich musste ‚nur‘ das in den 60er-Jahren verschandelte Innenleben wieder zum Leben erwecken.“ Das passende Interieur fand sie auf Auktionen, bei Möbelmessen und Antiquitätenhändlern.
„Museen, Shopping und kilometerlanger Strand“
Bevor Barbara Kimmig ihr kleines Traum-Hotel schuf, arbeitete sie in Baden-Baden, lernte in Montreux, studierte an der Uni in Nizza Französisch und fragte parallel dazu hartnäckig immer wieder in Hotels nach einer passenden Stelle, bis es 1982 im renommierten, bereits 1912 eröffneten „Negresco“ an Nizzas berühmter Promenade des Anglais klappte. Aber irgendwann war ihr der Fünf-Sterne-Bereich zu distanziert. Sie studierte Touristikmanagement, ließ sich von ihrem ewigen Reisefieber in dieses und jenes Land verschlagen, bis sie schließlich vor etlichen Jahren dann doch an der Côte d’Azur sesshaft wurde. Seitdem ist sie Zeugin geworden, wie Nizza immer schöner wurde, grüner, ruhiger, sauberer und sicherer.
Zum Beispiel wurde die Promenade des Anglais, von den Mann-Geschwistern als „herrlichste der Küste“ beschrieben, weil keine andere mit „einem solchen Schwung und solcher Grandezza dem Meer entlang“ führe, so umgebaut, dass endlich auch Fußgänger, Radfahrer und Jogger unbehelligt für sich Platz haben.
Wenn Barbara Kimmig die Vielseitigkeit Nizzas preist, kommt sie ins Schwärmen: „In welchem schönen Touristenort gibt es sonst so ein kompaktes Angebot: Interessante Museen laden ein, Shopping-Freuden allerorten, gleich daneben erstreckt sich kilometerlanger Strand mit Cafés, Bistros und Beach-Restaurants. Und jede Ecke atmet Kultur und Geschichte.“ Es war also nur eine Frage der Zeit, dass die dynamische Stadt seit Juli 2021 zum Unesco-Weltkulturerbe gehört.
Wer sehen möchte, wie Nizza nach und nach gewachsen ist und zu der Stadt von heute geworden ist, erklimmt den Schlossberg für einen traumhaften Ausblick. Wer des Laufens müde ist, besteigt den „Hop -and-on“-Bus und lässt sich vom Matisse-Platz einmal quer durch die Baustile von Jahrhunderten fahren.
Bei aller Schönheit und Vielfalt Nizzas – mindestens zwei Ausflüge ins Umland bereichern ungemein und versprechen nicht nur Abwechslung, sondern auch etwas Ruhe von Stadt und Strand. Das Bergstädtchen Saint-Paul de Vence fiel schon den Mann-Geschwistern als „einzigartiger Flecken“ auf, „schmal, winklig und holprig“ und von „heimeliger und raffinierter Eleganz“. Berühmte Künstler sämtlicher Genres suchten sich in dem mittelalterlichen Ort mit seinen verwunschenen Gassen eine Bleibe. A uch Marc Chagall, dem übrigens in Nizza das „Musée national Marc Chagall“ gewidmet ist, lebte die letzten 20 Jahre seines Lebens in Saint-Paul. Der Blick über sein Grab reicht über die herrlich grüne und bergige Landschaft, die es ihm so angetan hatte.
Öffnet plötzlich der Himmel alle Schleusen, gibt es in den schmalen, verwunschenen und romantischen Gassen Zuflucht in Galerien und kleinen Bistros oder im charmanten „Chez Andreas“. Dort kann der Regen gern etwas länger auf das Vordach trommeln, denn der Wirt serviert köstliche (und trotzdem preiswerte) lokale Weine, Platten mit erlesenem Käse, Salami, Schinken und vielem anderen Hausgemachten. Dank dieses Genusses hört sich der prasselnde Regen bald an wie eine heitere Oper.
Verwinkelte Altstadt mit Zitadelle
Der zweite Ausflug führt mit Bus, Bahn oder Boot ein paar Kilometer in Richtung Monaco in eines der verträumtesten und schönsten Fischerstädtchen der langen französischen Mittelmeerküste: Villefranche-sur-Mer. In seinem berühmten „Hotel Welcome“, entstanden in einem alten Kloster, saß einst auch Klaus Mann opiumrauchend mit Jean Cocteau, der die Kapelle des Heiligen Peter der Fischer gegenüber dem Hotel mit seiner Malkunst bereicherte. Klaus Mann zog es mehrmals an diesen liebenswerten Flecken an dem kleinen und alten Hafen „wo ich lange und oft gehaust und gearbeitet habe“. Dort schrieb er seinen Roman-Erstling „Alexander“ und 1935 schließlich den Welterfolg „Mephisto“.
Außer Geschichte hat der Ort natürlich noch viel mehr zu bieten. Eine verwinkelte Altstadt mit Zitadelle und Museen, einen schönen Strand, Beach-Bars und Fischrestaurants und das Treiben im Hafen mit seinen ständigen Ab- und Anlegemanövern von kleinen Segelbooten, Fischkuttern und stattlichen Kreuzfahrtschiffen.
Der rechte Ort also, um Pastis, frisch gefangenen Fisch und einen guten provenzalischen Rosé zu genießen und sich an allem sattzusehen. Und Barbara Kimmig für die guten Tipps zu danken.