In Krummhörn testet Uniper den ersten großen Wasserstoffspeicher in Deutschland. Bis dieser Teil eines umfassenden Energienetzes wird, dauert es jedoch. Noch fehlen Komponenten, die gerade allesamt gleichzeitig geplant und gebaut werden müssen.
Deutschland stellt um auf Wasserstoff. Nicht sofort, denn noch ist klimaneutral hergestellter Wasserstoff Mangelware. Doch das soll sich bald ändern. Werden die milliardenschweren Pläne von Politik und Wirtschaft verwirklicht, könnte es schon in einigen Jahren Elektrolyseure für Wasserstoff aus Grünstrom, Anlandeterminals für Importe, ein Pipeline-Netz zum Wasserstoff-Transport und Großabnehmer in Industrie und Energiewirtschaft geben. Vorstufen wie etwa in der Stahlindustrie gibt es heute schon, ganze Branchen müssen sich wegen erhöhter CO2-Preise umorientieren. Nötig sind dann aber genügend Speicher für das leichteste aller Elemente, damit immer genug Vorrat vorhanden ist – ähnlich der zahlreichen Gasspeicher, die ebenfalls an strategischen Punkten in Deutschland stehen. Einige davon könnten umgebaut werden.
Test soll zwei Jahre dauern
Der erste größere Wasserstoffspeicher wird nun in Niedersachsen getestet. Im ostfriesischen Krummhörn, genauer unter Krummhörn, befindet sich ein ehemaliger Gasspeicher in Salzkavernen, der dafür geeignet sein könnte, so der Betreiber Uniper. Etwa zwei Jahre lang soll dort geprüft werden, wie etwa Materialien und Technik mit dem Gas zurechtkommen. Der Speicher wird einer der ersten seiner Art sein und soll bis 2024 in Betrieb gehen. Uniper will in das grüne Zukunftsprojekt mit einem Speichervolumen von bis zu 250.000 Kubikmeter Wasserstoff rund zehn Millionen Euro investieren. Die Nähe zu Wilhelmshaven ermögliche die Anbindung an das Uniper-Projekt „Green Wilhelmshaven“, so der Konzern. Dort entwickelt das Unternehmen zwei Projekte für grünen Wasserstoff: Zum einen ist ein Importterminal für Ammoniak geplant, das in der Lage sein wird, den Ammoniak in Wasserstoff zurück zu verwandeln. Zum anderen sieht Uniper eine Großelektrolyse vor, die mit einer Leistung von bis zu 1.000 MW grünen Wasserstoff erzeugen soll. Sollte sich die Wasserstoffspeicherung nach der zweijährigen Testphase wirtschaftlich lohnen, will Uniper die Kaverne für eine kommerzielle Nutzung vergrößern. Das sogenannte Aussolen wird nach Angaben des Unternehmens voraussichtlich drei bis fünf Jahre dauern. Die nutzbare Menge liege dann bei 250 Gigawattstunden Wasserstoff. Für das Aussolen dieser neuen Kaverne rechnet man mit Kosten in Höhe von 350 Millionen bis 500 Millionen Euro.
Doch das Speichern von Wasserstoff unter Tage ist eine komplexe Angelegenheit. Zwei Speichertypen werden unterschieden: Bei Kavernenspeichern wird das Gas in riesigen Hohlräumen gelagert, die künstlich in Salzstöcke gespült wurden. Einige Kavernen sind mehrere hundert Meter hoch. Bei Porenspeichern wird das Gas in porösen Gesteinen gespeichert. Allerdings ist bislang noch nicht abschließend geklärt, welche konkreten Anlagen sich auch für die Speicherung von Wasserstoff eignen, erklärt ein Sprecher von Ines, der Initiative Energien Speichern. Deutschlands größter Erdgasspeicher-Betreiber Uniper testet seit einigen Monaten im bayerischen Bierwang, wie man Wasserstoff auch in porösem Gestein lagern kann.
Zwar sollen nach und nach vorhandene Erdgasspeicher für die Wasserstoff-Speicherung umgerüstet werden. Das Bundeswirtschaftsministerium geht jedoch davon aus, dass mehr Wasserstoffspeicher neu gebaut werden müssen als durch den Umbau bestehender Gasspeicher gewonnen werden können. Laut dem Ministerium werden Speicher benötigt, die Wasserstoff mit einem Energiegehalt von insgesamt 76 bis 80 Terawattstunden bis ins Jahr 2045 speichern können. Aus dem Bestand an Gasspeichern hierzulande lassen sich laut Ines schätzungsweise 32 Terawattstunden davon decken, der Rest muss neu gebaut werden. Wieviel tatsächlich gebraucht wird, ermittelt derzeit die Ines in einer Marktabfrage.
Um- und Neubau des Leitungsnetzes
In Deutschland gibt es bislang nur wenige Test-Anlagen. So untersucht etwa der Oldenburger Energiekonzern EWE schon seit Längerem in Rüdersdorf bei Berlin, worauf es beim Betrieb eines Wasserstoffspeichers in einem Salzstock ankommt. Geplant sind Großspeicher unter anderem in Huntorf bei Oldenburg (Betreiber: EWE), Bad Lauchstädt bei Halle (Saale)(VNG) und Gronau-Epe (RWE) geplant. Alle drei Projekte werden von Bund und Ländern mit zusammen rund 234 Millionen Euro gefördert. Die kommerzielle Inbetriebnahme in Gronau plant RWE schon für 2026. In Huntorf will EWE ab 2027 Wasserstoff speichern. Dennoch sind zuvor noch viele Fragen zu klären: Wie reagiert die Geologie auf den Wasserstoff? Außerdem sind laut Ines Fragen zu Planungs- und Genehmigungsprozessen sowie Kostenfragen für Errichtung und Betrieb offen. Bis Jahresende nun will das Bundeswirtschaftsministerium eine Wasserstoffspeicherstrategie vorlegen. Die Branche erhofft sich davon etwa Hinweise, wie Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden können. Derzeit wird geschätzt, dass die Umwidmung eines Gasspeichers auf Wasserstoff ungefähr sechseinhalb Jahre dauert. Ein Neubau könnte über zehn Jahre dauern.
Während die Speicherindustrie in den Startlöchern steht, Elektrolyseure geplant werden, beginnt auch der Umbau des deutschen Gasnetzes inklusive Neubau von Leitungen zum Wasserstofftransport. Die Betreiber der Gasnetze arbeiten nach politischem Beschluss in Berlin zur Finanzierung bereits daran (siehe Karte). Gleichzeitig erwartet die Industrie möglichst bald eine Kraftwerksstrategie – denn auch die deutschen, mit Gas betriebenen Kraftwerke sollen in Zukunft mit Wasserstoff laufen und entsprechend nahe an den Transporttrassen liegen. Noch liegt diese nicht vor. Der Bundesverband der deutschen Industrie hält jedoch die derzeit nur in Grundzügen bekannte Strategie der Bundesregierung für nicht ausreichend. Entsprechend könnte dies bedeuten, dass der geplante Kohleausstieg bis 2030 in Deutschland nicht zu halten sei, so BDI-Präsident Siegfried Russwurm bereits im Juli.
Die Koordination all jener Baustellen mit Überschneidungen ins deutsche Stromnetz und allen dortigen Umbaumaßnahmen bleibt eine Herkulesaufgabe. „Wir bauen das erste Mal eine Energieinfrastruktur auf der Grundlage von Vermutung und auf Vorrat“, sagt Felix Christian Matthes, Forschungskoordinator Energie- und Klimapolitik am Öko-Institut Berlin. „Das machen wir sonst nirgendwo. Wir bauen sonst Infrastrukturen immer auf der Basis des nachgewiesenen Bedarfs und nie vorausschauend. Und das machen wir jetzt extrem im Bereich Wasserstoff. Und wir fangen an, das in deutlich stärkerem Maße zu tun, als wir das in der Vergangenheit getan haben im Bereich der Strominfrastrukturen. Und ich glaube, diese Koordinationsaufgabe ist auf einer solchen Metaebene die eigentlich wirklich herausfordernde Sache: An welchen Stellen müssen wir uns langfristig festlegen, weil man auch nur wenig Korrekturmöglichkeiten hat, und an welchen Stellen können wir mit flexiblen Mechanismen arbeiten, mit flexiblen Institutionen?“ Diese Frage wird die kommenden Jahre der deutschen Energiewende bestimmen – auch den Ausbau der deutschen Wasserstoffspeicher.