Von seiner Premierensaison beflügelt wollte Tobias Eder bei den Eisbären noch mehr Akzente setzen. Doch er erlitt einen persönlichen Schicksalsschlag. Hat dies auch Auswirkungen auf die neue Spielzeit des Titelverteidigers?

Vor gar nicht langer Zeit war Tobias Eder noch wunschlos glücklich. Der Eishockey-Profi feierte gleich in der Premierensaison mit seinem neuen Club Eisbären Berlin den ersten Meistertitel seiner Karriere. Anschließend durfte der Angreifer in Tschechien erstmals bei einer Weltmeisterschaft für Deutschland auflaufen. Und Mitte Juni wurde sein Vertrag beim Hauptstadt-Club vorzeitig bis 2026 verlängert. Mit seinem Wechsel von der Düsseldorfer EG nach Berlin hatte Eder alles richtig gemacht. „Ich hätte es mir nicht besser wünschen können“, sagte er. Doch dann folgte der Schock. Anfang August veröffentlichten die Eisbären eine Mitteilung mit der Überschrift „Tobias Eder schwer erkrankt“. Darin ließ der Club verlauten, dass beim 26-Jährigen im Rahmen der sportmedizinischen Untersuchungen vor dem Trainingsstart für die neue Saison ein bösartiger Tumor diagnostiziert worden sei. Dieser mache eine unmittelbare Therapie notwendig, Eder habe sich sofort in medizinische Behandlung begeben. Die Freude über die erfolgreiche erste Saison war verflogen, der Sport entwickelte sich zur absoluten Nebensache. Nicht nur bei Tobias Eder selbst.
„Wünschen ihnen viel Kraft“
„In solchen Momenten tritt das Sportliche komplett in den Hintergrund“, sagte Eisbären-Geschäftsführer Thomas Bothstede: „Wir sind alle geschockt von Tobis Erkrankung. Seine Mitteilung hat jeden Einzelnen bei den Eisbären wie ein Schlag getroffen und muss erst einmal verarbeitet werden.“ Das Wichtigste sei nun die vollständige Genesung des Profis, dafür würden Eder und dessen Familie „von uns zweifellos jede Unterstützung“ erhalten, kündigte Bothstede an: „Wir wünschen ihnen viel Kraft und Optimismus. Wir sind in diesen schwierigen Zeiten bei ihnen.“ Weitere Stellungnahmen in dem Fall sind nicht geplant, Rückfragen der Medien zum aktuellen Gesundheitszustand des Stürmers will der Club vorerst nicht beantworten. Eder selbst hat sich dazu noch nicht geäußert. Bruder Andreas (28), der bei Liga-Konkurrent Red Bull München unter Vertrag steht, wurden von Vereinsseite aus „alle Freiheiten“ eingeräumt, „die er in dieser schwierigen Zeit benötigt“. In Richtung des Titelkonkurrenten teilte Red Bull mit: „Auch den Eisbären Berlin drücken wir in dieser Zeit unser tiefstes Mitgefühl aus. Bei allen sportlichen Rivalitäten hält die Eishockey-Familie fest zusammen.“
Das trifft auch für die Nationalmannschaft zu. Er sei von Tobias Eder „persönlich informiert“ worden und habe mit ihm „kurz zu der Diagnose“ gesprochen, verriet Bundestrainer Harold Kreis. Im Namen des Deutschen Eishockey-Bundes versicherte Kreis: „Selbstverständlich haben wir ihm und seiner Familie jede Unterstützung unsererseits zugesagt. Wir stehen an seiner Seite und schicken ihm unsere ganze positive Energie und Kraft für den bevorstehenden Genesungsprozess.“ Denn auch für den Bundestrainer steht außer Frage: „Das Wichtigste ist, dass er wieder gesund wird.“
Eder hatte sich nach vier Jahren in Düsseldorf bei den Eisbären prächtig eingelebt. Für den Rekordmeister erzielte er in seiner Premierensaison 25 Tore und bereitete weitere zwölf Treffer vor. Keine herausragende, aber eine gute Bilanz. „Mit der Chancenverwertung war ich unzufrieden“, sagte er nach dem gewonnenen Meistertitel selbstkritisch: „Alleine im Finale hätte ich sechs Tore schießen können, wenn ich nur die Hälfte meiner Chancen genutzt hätte.“ In den Playoffs steuerte er drei Tore und drei Vorlagen bei und hatte damit ganz klar seinen Anteil am Triumph. „In den richtigen Momenten waren wir da“, sagte Eder. Von dieser fast schon legendären Berliner Playoff-Mentalität hatte auch er vor seinem Wechsel schon gehört, sie war auch ein Grund für sein „Ja“ zu den Eisbären. „Wenn das Interesse von einem Club kommt, der fast immer um die Meisterschaft spielt, muss man hellhörig werden“, sagte Eder.
Seine Unterschrift unter den neuen, langfristigen Vertrag fiel ihm daher auch alles andere als schwer. „Wir haben eine fantastische Mannschaft mit super Charakteren, und unsere Fans sind eine Klasse für sich“, sagte Eder nach der Vertragsverlängerung. Sportlich passe alles, der Hunger nach Erfolg sei nun sogar noch größer: „Die Meisterschaft in der letzten Saison war dabei hoffentlich erst der Anfang einer grandiosen Zeit.“ Auch privat fühle er sich mit seiner Freundin in Berlin „unglaublich wohl“. Doch all diese Aussagen stammen aus der Zeit vor der schrecklichen Diagnose, die für ihn vieles, wenn nicht sogar alles verändert haben dürfte.
Spannende Profile bei Neuzugängen
Für den Verein ist es auf dem Papier betrachtet zunächst etwas einfacher, Eder muss bis auf weiteres sportlich ersetzt werden. Das dürfte einfacher zu bewerkstelligen sein, als die Sorge um den Mitspieler aus der Kabine fernzuhalten. Oder setzt die schockierende Nachricht vielleicht sogar zusätzliche Kräfte frei, weil sie das Team noch enger zusammenschweißt? Eine Antwort drauf wird erst der Saisonstart ab dem 20. September geben, wenn die Eisbären mit einem Auswärtsspiel bei den Kölner Haien ihre Mission „Titelverteidigung“ beginnen. Beim Trainingsstart vor einigen Wochen lag noch viel Traurigkeit in der Luft, als der schwer erkrankte Eder als einziger Eisbären-Profi fehlte. Es trübte auch etwas die Freude, die Neuzugänge Liam Kirk, Gabriel Fontaine, Olivier Galipeau, Mitch Reinke und Matej Leden erstmals auf dem Eis zu sehen.
Ein spannendes Profil hat vor allem Außenangreifer Kirk. Der 24-Jährige, der einst von den Arizona Coyotes als erster Engländer überhaupt für die NHL gedraftet wurde, könnte mit seiner Schnelligkeit und seiner Torgefahr auf Anhieb eine Verstärkung sein. Seine zwei Treffer und zwei Torvorlagen im ersten Testspiel in Weißwasser waren ein verheißungsvoller Start. „Unsere Reihe mit Ty (Ronning) und Blaine (Byron) hat bereits gut harmoniert. Wir haben schon in den Trainings gut zusammengespielt. Es ist schön, dass das dann auch im Spiel funktionierte“, sagte Kirk. Entscheidend sei jedoch, welche Leistungen er und die Teamkollegen im Ligaalltag zeigen.Wie er der Mannschaft am besten hel-fen könne? Mit einem Schuss Egoismus, antwortete Kirk: „Ich bin mehr Torjäger als Spielmacher. Meine Mentalität ist es, direkt zu schießen.“

Von allen neuen Spielern erwartet Sportdirektor Stéphane Richer viel. Sie alle seien „starke Profis, die unserem Spiel neuen Schwung geben werden“, meinte er. Das Meisterteam konnte weitestgehend zusammengehalten werden, ein XXL-Umbruch wie im Vorjahr war auch nicht notwendig. Besonders hoch einzuschätzen ist die jüngste Vertragsverlängerung mit Nationalspieler Manuel Wiederer bis 2028. Der Vizeweltmeister von 2023 hatte sportlich großen Anteil am Titel der Vorsaison, auch seine Führungsqualitäten werden teamintern hoch eingeschätzt. „Manuel ist ein wichtiger Spieler für uns, und Manuel gehört zu den besten Defensivstürmern der Liga“, schwärmte Richer: „Wir sind froh, ihn auch in den kommenden Jahren in unserem Team zu haben.“
Auch Eder soll in Zukunft wieder zum Team gehören. Doch dessen sportliche Zukunft steht zunächst erst mal komplett hintenan. Er hat einen anderen, viel wichtigeren Kampf zu kämpfen.