Für ihr Pop-up-Restaurant „Jens & Friede“ haben sich der Dresdener Top-Sommelier Jens Pietzonka und das Berliner Kochtalent Friedrich Hofmann zusammengetan. Das Duo verwöhnt seine Gäste noch bis Ende September mit einem Vier-Gänge-Menü und spannendem Wein-Pairing.
Über Sachsen und Thüringen ist in den Wochen viel gesagt und geschrieben worden. Dabei ging es hauptsächlich um die vergangenen Landtagswahlen. Dieser Tage hatte auch ich mit den beiden deutschen Bundesländern zu tun. Wir trafen uns zu einem kleinen Presse-Event in Berlin-Kreuzberg. Dabei plauderten wir über dies und das, speisten und genossen dabei unter anderem Weine von der Elbe. Über Politik redeten wir indes mit keiner einzigen Silbe. Bis zu jenem Abend war deutscher Wein, der nicht im Süden des Landes, sondern im Osten angebaut wird, überhaupt nicht in meinem Bewusstsein. Sachsen und Thüringen waren wie weiße Flecken auf meiner inneren Weinkarte. Wie gut, dass sich das nach dieser Einladung verändert hat. Anlass der Veranstaltung war die Eröffnung des Pop-up-Restaurants „Jens & Friede“ im Herzen von Berlin-Kreuzberg.
Hinten den beiden Vornamen verbergen sich der vielfach ausgezeichnete Sommelier Jens Pietzonka und das Berliner Kochtalent Friedrich Hofmann. Die beiden haben sich 2023 bei einem Hotelprojekt im badischen Freiburg kennengelernt. Der Funke ist sofort übergesprungen. „Wir haben schnell gemerkt, dass wir gleich ticken“, erzählt Jens Pietzonka im Gespräch. Der gebürtige Dresdener ist dreimaliger Sommelier des Jahres und derzeitiger DFB-Sommelier. Im November wird Jens Pietzonka eine weitere Ehre zuteil: Bei den Wine Awards vom Fachmagazin „Der Feinschmecker“ wird er als Weinbotschafter des Jahres 2024 ausgezeichnet. Er hat einige Stationen als Sommelier und Restaurantleiter in der Spitzengastronomie hinter sich, wie etwa den „Söl'ring Hof“ auf der Insel Sylt, die „Villa Merton“ in Frankfurt und das „bean&beluga" in Dresden. Schließlich machte sich der Sommelier im Jahr 2015 mit der „Weinzentrale Dresden“ selbstständig.
Räumlichkeit hat etwas Intimes
„Das Thema Sachsenwein hat unglaublich Interesse erweckt, sowohl bei den Einheimischen wie auch bei den Touristen!“, erinnert sich der Dresdener. Er selbst mag am liebsten Riesling. „Er ist so vielseitig und reift toll“, schwärmt der Sommelier. Seine Mission ist es unter anderem, die Weine von der Elbe bekannter zu machen. Dazu zählen auch neue Rebsorten in der Region wie etwa Chardonnay und Nebbiolo. „Doch durch den Klimawandel wachsen jetzt auch andere Sorten an der Elbe“, sagt der Dresdner.
Seine vor fast zehn Jahren in der sächsischen Hauptstadt gegründete Weinbar hat Jens Pietzonka mittlerweile geschlossen. Doch ihren Spirit lässt er von nun an in Form von Pop-up-Restaurants weiterleben. Im Gespräch erzählt er, dass das „Hinspiel“ der Tour von „Jens & Friede“ diesen Sommer bereits in seiner Heimat stattgefunden hat. Dort, im Sörnewitzer „Weingut Schuh,“ haben der Sommelier und sein kochender Kompagnon ihre Gäste vier Wochen lang bedient. Nun folgen vier weitere Wochen „Rückspiel“ – und zwar diesmal in Friedes Heimatstadt Berlin.
Aufgetischt und eingeschenkt wird jeweils von Donnerstag- bis Samstagabend. Donnerstags soll jeweils ein deutsches Weingut zu Gast sein und vorgestellt werden: So etwa kann man am 19. September edle Tropfen vom Weingut Siegmund & Klingbeil Saale-Unstrut kennenlernen. Am 26. September kommen Weine vom Schloss Wackerbarth Sachsen ins Glas. Auch für all diejenigen, die lieber ein alkoholfreies Pairing bevorzugen, ist gesorgt: Hier kümmert sich Sharin Polte, Sommelière vom „Sky Kitchen“, um passende Alternativen.
Die temporäre Location liegt an der Manteuffelstraße im Herzen Kreuzbergs. Draußen weist das Schild „Platz doch!“ noch auf das ehemalige Slow Food Restaurant von Vanda Molnár und Silvia Taha hin. Bei den beiden Slowakinnen gab es eine ähnliche Arbeitsteilung wie bei Jens Pietzonka und Friedrich Hofmann: Silvia Taha beriet die Gäste hinsichtlich des Weines, während Vanda Molnár hinter dem Herd stand. Ein plötzlicher Bandscheibenvorfall von Köchin Vanda Molnár machte den beiden jedoch einen gewaltigen Strich durch die Rechnung, und seitdem fungiert das ehemalige Restaurant nur noch als Weinhandlung. Oder eben, wie diesen Monat, als Event-Location für andere Gastronomen.
Die Räumlichkeiten haben etwas Intimes. Eine kleine Treppe führt in einen Souterrain, in dem maximal 20 Gäste Platz finden. Schnittblumen in herbstlichen Farben und Kerzenlicht sorgen für Behaglichkeit. Direkt neben unserem Tisch steht eine kleine Kücheninsel. Dahinter steht auch schon Friedrich Hofmann, der gerade seine „Wohlfühlküche“ – wie er sie selbst nennt – vorbereitet. Er schnippelt und rührt noch, während Jens Pietzonka schon über die Kochkünste seines Kollegen ins Schwärmen gerät: „Das Vier-Gänge-Menü von Friede ist einfach nur lecker“, sagt er. „Dazu braucht man kein Wörterbuch und auch keinen Pfadfinder auf dem Teller.“
Der Berliner kam über Umwegen zu seiner heutigen Passion. Nach dem Abitur wollte Friedrich Hofmann eigentlich Jurist werden und schrieb sich zunächst an einer Universität in Bayern ein. Doch irgendwann merkte der Student, dass sein Herz mehr für die direkte und unmittelbare Arbeit in der Küche als für Gesetzestexte und Paragrafen schlug. Der heutige Mittdreißiger zog zurück in seine Heimatstadt, absolvierte eine Kochlehre und wurde später Sous-Chef von Max Strohe im „Tulus Lotrek“.
Perfekte Auswahl der Weine
Während er an jenem Spätsommerabend vor unseren Augen hinter dem Herd werkelt, begrüßt uns Jens Pietzonka zum Auftakt mit etwas Prickelndem. Wir nippen an einem feinaromatischen 2018er Pinot brut von Schloß Wackerbarth aus dem Elbtal. „Da gibt es keinerlei Restzucker“, sagt der Sommelier über die Cuvée handverlesener sächsischer Spät-, Weiß- und Grauburgunder-Trauben. Dazu serviert uns das Duo alsbald schon Nussbutter und Sauerteigbrot der Berliner Bio-Bäckerei Keit. Als Amuse-Gueule gibt es eine hübsch geblümte und knusprige Tartelette: On top ist das Törtchen mit gelben Tagetes-Blüten und etwas Kresse verziert, während die Füllung des Appetizers mit einer zitronigen Crème fraîche überrascht.
Dann zaubert der Koch den ersten Gang: Der zarte Hamachi passt auf dem erfrischenden Gurken-Beet mit Labne wunderbar zu dem immer noch heißen Septembertag. Hinzu kommt noch ein fein-säuerlicher Tomatillo-Sud mit Sancho-Pfeffer und leichter Chillinote. Unser kleines Testerinnen-Team ist sehr angetan.
Beim nächsten Gang wird es herbstlich: Vor uns stehen Tellerchen mit Kartoffel-Molke-Schnee, unter denen sich ein wachsweiches Eigelb mit Kräuterseitling verbirgt. Bissen für Bissen wird mir klar, was der kreative Kopf anfangs damit meinte, als er von Comfort Food sprach: Dieser Gang ist cremig und zugleich erdend – der perfekte Übergang in die kühler werdende Tage. Dann verrät er uns noch, wie er dem Ei zu seiner perfekten Konsistenz verholfen hat. „Ich habe es wie ein Onsenei bei 72 Grad 20 Minuten lang gedämpft“, erklärt er.
Auch der dritte Gang stimmt weiter in die neue Jahreszeit ein: Vor uns steht ein Teller mit einem zarten Thüringer Duroc-Filet an einer Sauce Suprême PX mit Chicoree und Steckrübe. Auch hier gibt es einvernehmliche und uneingeschränkte Zustimmung von den Berliner Food-Bloggerinnen. Fabelhaft finden wir auch den Orange-Wein. Der Weiße Berg von Jörg Bretz kommt nicht aus Sachsen, sondern aus dem österreichischen Burgenland. „Dieser Landwein war über fünf Jahre im Fass und verfügt dann noch über ein Jahr Flaschenreife“, erläutert der Sommelier.
Nur beim Nachtisch scheiden sich plötzlich die Geister: Die Créme Brûlée ist zwar wunderbar cremig und besticht durch echte Vanillenoten. Aber ob es wirklich noch der Williams-Birne mit Kakao-Nips bedurfte, darüber sind sich die Kolleginnen und ich uneinig. Die einen beschreiben das fruchtige Extra als perfektes Pendant, den anderen hätte das französische Dessert auch in seiner klassischen Form vollends gereicht. Überraschend fruchtig wird es zum Abschied sowieso. Anstatt eines süßen Dessertweines serviert uns Jens einen 2022er Andert-Wein mit Quitte.