„Maggy“ Prijak kellnert seit 1987 auf dem Münchener Oktoberfest. Als erste Wiesn-Wirtin schrieb sie nun ein Buch über ihren „Ferienjob“. Zwölf Maß Bier könnte die Bayerin tragen.
Da ist der Geschäftsmann, der Wiesnwirtin „Maggy“ Prijak jedes Jahr vorm Anstich 2.000 Euro aufs Privatkonto überweist, damit er sich im Rausch nicht mehr um die Bezahlung kümmern muss. Da sind Storys über Promis mit schrägen Outfits, Geschichten über verlorene Gebisse, aber auch Details zum dramatischen Wiesn-Attentat von 1980: Nach 37 Jahren als Bedienung auf dem Münchener Oktoberfest hat Wiesn-Wirtin Margarete Prijak, genannt „Maggy“, einiges zu berichten. Dies tut sie nun im Buch „O‘ zapft is!“ (Goldmann Verlag), die erste Lektüre einer Wiesn-Kellnerin überhaupt.
Die gebürtige Münchenerin liefert in ihrem Werk skurrile Anekdoten, Insidertipps, plaudert aus dem Nähkästchen, erteilt aber auch Bayerisch-Lektionen für „Preiß‘n“ (Preußen). „Ich hätte fünf Bücher schreiben können, so viel gibt es nach all den Jahren zu berichten“, so die waschechte Bayerin. Alle Histörchen und Erinnerungen auf 208 Seiten zwischen zwei Buchdeckel zu bringen, sei durchaus eine Herausforderung gewesen.
„Mit 18 gab’s dann kein Halten mehr“
Margarete Prijaks Oktoberfest-Arbeitsplatz ist seit 1987 die Augustiner Festhalle. „Ich trat damals in die Fußstapfen meiner Mutter und meiner Tante, die bereits auf der Wiesn kellnerten.“ Bis heute arbeiten Verwandte von „Maggy“ Prijak auf der Theresienwiese, wie im Interview mit der angenehmen Gesprächspartnerin zu erfahren ist. „Für mich ist das Oktoberfest wie ein zweites Zuhause. Hier fühl’ ich mich pudelwohl. Während der 16 Tage kommt wohl mein zweites Ich zum Vorschein“, lächelt die Bayerin, die im richtigen Leben als Assistentin im Personalmanagement einer Firma arbeitet. In ihren Arbeitsverträgen stehe seit 37 Jahren, dass sie während des Oktoberfests 16 Tage Urlaub erhält, um ihrem „Ferienjob“ nachzugehen.
Zwölf Maß Bier könne sie auf einen Hieb zur Kundschaft tragen. „Das mache ich aber fast nie, denn ich bin ein Sicherheitstyp. Dafür laufe ich schneller“, sagt die Mutter eines erwachsenen Sohnes. Schon mit 16 Jahren habe sie an Wochenenden auf der Wiesn ausgeholfen. „Mit 18 gab’s dann kein Halten mehr, und ich stieg voll ein. Natürlich juckt einen als junger Mensch das Geld. Aber mir macht die Arbeit auch wirklich Spaß, trotz aller Anstrengung“, berichtet „Maggy“ Prijak. Anfangs habe sie noch mitgefeiert, was sie heute nur noch selten macht.
Die Zeiten hätten sich ohnehin geändert. Viele Wiesn-Gäste seien heute anstrengender und vor allem Jüngere unverschämter, berichtet das bayerische Original. „Nach den Anschlägen von 9/11 (Terroranschläge aufs New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 – Anm. d. Red.) wurde es zwischendurch ruhiger, fast etwas gemütlich“, blickt die Oktoberfest-Wirtin zurück. Es sei ein Trend, den sie durch Energiekrise und Ukraine-Krieg auch zuletzt wieder spüre, wie sie sagt.
Eins habe sich aber in all den Jahren nicht geändert, und zwar das gute Trinkgeld: „Ich kann aber auch auf den Cent rausgeben, das kommt auch vor und da bin ich auch nicht beleidigt. Dennoch leben wir natürlich vom Trinkgeld“, sagt die Urbayerin. Die Pauschalverträge während der Fünften Münchener Jahreszeit seien nicht gerade überwältigend. Ein paar Tausend Euro Tipp können in zwei Wochen aber durchaus zusammenkommen, so die Kellnerin auf Zeit, die auch schon etliche Promis bediente. Namen will Margarete Prijak im Interview allerdings nicht nennen.
Während des Telefonats genießt sie den Blick auf den Gardasee. Italien sei eine Art Ritual vorm Oktoberfest: „Die eine Woche Gardasee im August ist uns heilig und für mich die Ruhe vor dem Sturm“, so die Buchautorin, die dem Start des diesjährigen Oktoberfests am 21. September entgegenfiebert. Zu ihren Lieblingsecken in München zählt sie auf Nachfrage neben der Theresienwiese (auch ohne Oktoberfest-Rummel) den Viktualienmarkt. „München ist für mich eine Weltmetropole, ohne wirklich Metropole zu sein. Für eine Weltstadt eher klein, hat München viel zu bieten.“
79.225 Hektoliter Bier im Jahr 2011
Bleibt Zeit, ist sie einem Spaziergang an der Isar oder durch den Englischen Garten vorbei an der „Eisbachwelle“ nicht abgeneigt. Welche Großstadt biete schon eine eigene Surfwelle mitten in der City, fragt „Maggy“ Prijak in Anspielung auf den einzigartigen Surf-Hotspot, der durch das Gefälle des Eisbachs am Rand des Englischen Gartens entsteht. Die Flusswelle sei die konstanteste ihrer Art weltweit in einer Großstadt und seit nunmehr 40 Jahren offiziell zum Surfen freigegeben. In Münchens Biergärten ist die Wiesn-Wirtin dagegen nicht so oft anzutreffen, wie sie berichtet.
In die Berge vor der Haustür zieht es Margarete Prijak auch selten. „Dafür sehe ich die Alpen jeden Tag, denn ich lebe mittlerweile nah dran zwischen Rosenheim und Wasserburg. Mein Sohn sagt beim Blick auf die Bergsilhouette immer: ‚Das ist mein Bayern‘.“ Zudem widme sie ihrem 24 Jahre alten Pferd viel Zeit, so die „Süddeutsche“ über ihr Hobby.
Die Liebe zur Heimat bedeute jedoch nicht, dass sie mit der Familie nicht auch mal ausschwärmt, um andere Regionen kennenzulernen. „Wir haben beispielsweise sieben Jahre, von 1992 bis 1999, in Dresden gelebt, weil mein Mann dort arbeitete. Es war eine schöne Zeit in einer sehr kulturvollen Stadt“, erinnert sich „Maggy“ Prijak an Elbflorenz. In dem Zusammenhang verweist sie auch auf andere sächsische Reise-Destinationen. Den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche bewundere sie. Dennoch habe sie auch die vorherige Ruine der Frauenkirche als Gedenkort und Mahnmal beeindruckt, erklärt die Frau, die in den letzten 37 Jahren nur ein Kniebruch, die Geburt ihres Sohnes und zwei Jahre Pandemie von ihrer Arbeit als Wiesn-Bedienung abhalten konnte.
Zum Schluss kommt das Gespräch noch mal auf das seit über 200 Jahren stattfindende Münchener Oktoberfest. Die meisten Besucher kamen im Vorjahr: rund 7,2 Millionen Menschen bei der 18 Tage dauernden „XXL-Wiesn“, erinnert sich „Maggy“ Prijak. Das meiste Bier tranken Gäste 2011: 79.225 Hektoliter. In seiner langen Geschichte fiel das Fest insgesamt 26-mal aus; unter anderem während des Zweiten Weltkriegs und seinen Folgen von 1939 bis 1948 sowie zuletzt wegen der Corona-Pandemie 2020 und 2021. Das größte Wiesn-Zelt aller Zeiten war das Pschorr-Bräuroslzelt von 1913. Es bot auf 5.500 Quadratmetern rund 12.000 Menschen Platz. Heute gilt die Hofbräu-Festhalle mit einem Fassungsvermögen von etwa 10.000 Plätzen als größtes Wiesn-Zelt.