Der Beruf der Treue-Testerin hat Konjunktur
Durch Automatisierung und Digitalisierung hat die Zahl der seltenen und ausgefallenen Berufe in den vergangenen Jahrzehnten rapide abgenommen. Wurde früher die Profession des Rollmopsdrehers oder des Käseriechers schmunzelnd bestaunt, so bleibt heute nur noch der Käseriecher in den Niederlanden, in der Schweiz und in einigen deutschen Städten. Edam-Volendam und Bern halten hier die Stellung, nachdem selbst Tilsit sich verabschiedet hat und nunmehr im polnischen Ostpreußen Sowetsk heißt.
Als überaus ungewöhnlicher und seltener Beruf, zudem als vermutlich großartige Chance für Frauen, hat sich inzwischen die anspruchsvolle Profession der Treuetesterin etabliert. Sie wird sogar in Prozessen vor Gericht heutzutage zwecks Wahrheitsfindung – speziell zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit eines Angeklagten oder eines Informanten – in den Zeugenstand berufen. Da zählt nur die Wahrheit, und zu der gehört auch die Vollständigkeit der Aussage – sonst droht eine empfindliche Strafe.
Eine Agentur der Treuetesterinnen ist heute mit bis zu 3.000 freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein lohnendes Geschäftsmodell. Eine solche Agentur wird bemüht – überwiegend von Frauen –, weil nahezu sämtliche Erkenntnisse von Sigmund Freud und Alfred C. Kinsey über das sexuelle Verhalten des Mannes und der Frau offenbar in Vergessenheit geraten sind. Wer sich nicht an die Weisheit des englischen Schriftstellers und Weltbürgers Graham Greene halten will, wonach das erotische Prickeln zwischen Mann und Frau spätestens nach zweijähriger Beziehung endet, der erfährt alles Nötige, wissenschaftlich belegt und begründet, bei Freud und Kinsey.
Danach neigen 70 Prozent der Männer und 30 Prozent der Frauen zu Seitensprung und Fremdgehen. Das Aussehen und das Lebensalter bilden demzufolge meist die Anreize für Männer. Frauen springen zur Seite, wenn sie sich vernachlässigt fühlen. Hierbei haben die Wissenschaftler wesentliche emotionale Unterschiede entdeckt: Ein Mann kann seine Partnerin „betrügen“ und sie trotzdem weiterhin auf seine Art hingebungsvoll lieben. Für Frauen bricht oft eine Welt zusammen, wenn sie – romantisch veranlagt – von den Aktivitäten ihres Partners erfahren.
Wohlgemerkt: Dies sind Erkenntnisse, die teils 70 Jahre und mehr zurückliegen. Die zentrale Frage ist: Ticken Männer und Frauen heute auch noch so wie zu Zeiten von Freud und Kinsey? Als die Liaison zwischen Berlins Regierendem Bürgermeister Wegner und seiner Bildungssenatorin bekannt wurde und sogleich kritische Stimmen aus den Reihen der Grünen und der Linkspartei laut wurden, kam folgerichtig sofort die Gegenfrage: Wissen diese Kritiker denn überhaupt, wie eine Liebesbeziehung zwischen Mann und Frau funktioniert? Die Zeiten haben sich geändert.
Eine Treuetester-Agentur, die heute Fremdgeher in die Falle locken will, setzt auf das Bauchgefühl einer Partnerin oder eines Partners. 70 Prozent der Aufträge kommen von Frauen. Betrügt mein Partner mich? Trifft er sich mit anderen Frauen? Hier geht die Agentur mehrstufig vor. Es beginnt mit E-Mails und Nachrichten des Lockvogels bis hin zu einem arrangierten Treffen, zur Untreue-Observation und dem Sperma-Test. Da finden sich dann Hotelbuchungen, Mietverträge, Flugtickets, Urlaube mit anderen Frauen. Meist sei das ungute Gefühl einer Frau in der Partnerschaft nicht unbegründet, sofern die Treuetesterin ganze Arbeit leistet und nicht selbst Opfer eines Seitensprungs wird.
Doch deshalb gleich alles beenden? Selbst ohne Hinweis auf die Lehre des Oswalt Kolle von der „offenen Beziehung“ lohnt laut Treue-Agentur das Nachdenken über eine Fortsetzung der Partnerschaft. Die Erfinderin von Deutschlands größter Agentur für Treuetests in Baden-Württemberg ist selbst durch die kleine Hölle der Zweifel, des Bauchgefühls und des Seitensprungs gegangen. Die Tatsache, dass in vielen Partnerschaften heutzutage – mit und ohne Swingerclub – die Mehrfach-Täterschaft als anregend empfunden wird, ist ihr nicht fremd und wird stets in ihren Rat einbezogen.