Seit Kurzem hat das Saarland ein Kompetenzzentrum Kinderschutz. Kinderschutzbeauftragter und die neue Ombudsstelle arbeiten Tür an Tür zusammen. Schutzkonzepte sind eine wesentliche Aufgabe. Dazu werden auch Pilotprojekte etwa mit dem Landessportverband entwickelt.
Alles wirkt noch ziemlich frisch auf dieser Etage. Ist es auch. Erst vor ein paar Monaten hat das Kompetenzzentrum Kinderschutz die neuen Räume in der Saarbrücker Innenstadt an der Berliner Promenade bezogen. „Die Arbeit läuft“, sagt Mathias Dier von der Ombudsstelle Kinder- und Jugendhilfe Saarland. Und Kai Frisch, der Kinderschutzbeauftragte des Saarlandes ergänzt: „Ich bin froh, dass wir diese Bürogemeinschaft haben, Tür an Tür“. Das sei nämlich die Idee, die im Kompetenzzentrum Kinderschutz realisiert worden ist: „Kinderschutzbeauftragte und Ombudsstelle sind unabhängig voneinander, arbeiten aber fachlich zusammen“.
Das Kompetenzzentrum ist ein weiterer Schritt. Vorangegangen war, dass das Saarland überhaupt einen unabhängigen Kinderschutzbeauftragten bekommen hat, womit eine langjährige Forderung der Kinderschutzkommission in Erfüllung ging. Kai Frisch, erfahrener Sozialpädagoge, hat im Mai vergangenen Jahres seine Arbeit aufgenommen. Auch die Ombudsstelle ist eine noch junge Einrichtung, beschlossen ebenfalls im vergangenen Jahr, um „eine Leerstelle in der saarländischen Kinder- und Jugendpolitik“ zu schließen, wie es der zuständige Minister Magnus Jung formulierte.
Ein weiterer Schritt für besseren Schutz
Erstmal ist ein saarländischer Rat für Kinderschutz gebildet worden, „eine Expertengruppe mit Menschen, die aus den unterschiedlichsten Bereichen und gesellschaftlichen Gruppen kommen, die den Kinderschutzbeauftragten bei der Umsetzung seiner Arbeit unterstützen sollen. Wir setzen gemeinsam auch Themen: Wo geht es mit Kinderschutz im Saarland hin, wo sind Lücken? Dabei wollen wir gezielt die Erkenntnisse der Kinderschutzkommission aufgreifen und umsetzen, das zusammen mit den beteiligten Ministerien, der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe und der privaten Jugendhilfe“.
Der Kinderschutzbeauftragte hat also nicht nur „ein riesiges Themenfeld“ zu beackern, sondern auch mit zahlreichen Akteuren zu tun. Das soll im Kompetenzzentrum gebündelt werden, betont Kai Frisch: „Hier ist unser Bürositz, wir haben Platz für Veranstaltungen, hier tagen die Gremien.“ Und geht es nach seinen Plänen, würden hier etwa auch Workshops als Fortbildung oder zu Themen wie Schutzkonzepten stattfinden können.
Schutzkonzept ist ohnehin ein zentrales Stichwort. Schulen sind jetzt verpflichtet, Schutzkonzepte zu entwickeln, dazu soll es im Oktober eine große Kick-off-Veranstaltung geben. Und es gibt ein Pilotprojekt gemeinsam mit dem Saarländischen Landessportverband (LSVS).
Treibende Kraft dabei ist Clara Blessing, die sich dem Thema Schutzkonzepte und Sport auch in einer Masterarbeit widmet. „Für den Sport gibt es nach dem saarländischen Kinder- und Jugendschutzgesetz eher den Appell, sich in Sachen Prävention auf den Weg zu machen. Ich glaube, dass auch im Sport mit Blick auf die Ehrenamtlichen oft die zeitlichen Ressourcen fehlen, sich dem Thema zu widmen. Jeder, mit dem wir gesprochen haben, sagt: Natürlich ist das ein wichtiges Thema, aber das konkret anzugehen, mit den entsprechenden Kapazitäten, sei es fachlich, zeitlich oder auch personell, um ein Schutzkonzept aufzubauen, ist vielleicht für die einzelnen Vereine sehr, sehr schwierig. Das möchte ich auch in meiner Masterarbeit ergründen“, erläutert Blessing.
Auf der anderen Seite gibt es als Rahmen vom DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund) einen Zehn-Stufen-Plan, der bis Ende 2024 abgearbeitet sein sollte, ansonsten drohen beispielsweise Mittelkürzungen. „Das erhöht sicher den Druck auf die unteren Ebenen. Aber dann ist die Frage, wenn alles nur auf Druck geschieht, wie dann Konzepte aussehen und wie sie gelebt werden“, gibt Clara Blessing zu bedenken. Es komme schließlich auch immer mehr auf die Vereine zu, „man merkt, dass die overloaded sind“. Aber das Thema sei einfach zu wichtig: „Für mich ist es eigentlich die Basis überhaupt, wenn man mit Kindern und Jugendlichen zusammenkommt. Man braucht sich nicht über den Sport zu unterhalten, wenn man keinen sicheren Ort bieten kann. Das ist die Basis, auf der aufgebaut werden soll –zumindest in meiner Vision. Deshalb ist wichtig, da dranzubleiben“.
Es gebe eine gute Zusammenarbeit mit dem LSVS, unterstreicht auch Frisch, und die SOS-Beratungsstelle für Kinderschutz sei über einen Rahmenvertrag eingebunden, um Vereine zu unterstützen. „2026 bekommen wir die Special Olympics ins Saarland, da kommen Tausende von Jugendlichen, und da können wir erste Erkenntnisse sicher ganz gut brauchen. Überall wo Kinder, Jugendliche und Erwachsene kommen, da passieren auch Dinge, und auf die müssen wir uns vorbereiten.“
Es darf kein Tabuthema bleiben
Was Vereine betrifft, müssten die ohnehin bei ihrem Personal, auch bei Honorarkräften, mit Führungszeugnissen arbeiten, sagt der Kinderschutzbeauftragte. „Auf der anderen Seite muss man auch eine Ansprech- und Beschwerdekultur entwickeln. Dafür muss man auch sensibilisieren, zu erkennen, dass es einem Kind nicht gut geht, eventuell auch im Elternhaus.“ Und dann stellt sich auch die Frage: „Was mache ich dann mit dieser Erkenntnis?“ Clara Blessing ergänzt: „Ansprechpartner in Vereinen sollte es geben, die müssen aber auch geschult werden.“ Beim DOSB werde immer von einer Kultur des Hinsehens gesprochen. „Und da muss man hinkommen, dass es kein Tabuthema bleibt, dass es nicht heißen kann: passiert bei uns nicht. Gerade in kleinen Vereinen kennt ja jeder jeden, trotzdem ist wichtig, offen zu sein, die Strukturen zu hinterfragen, schauen, wo Risiken sind. Oft kann man schon mit ganz einfachen Mitteln einen guten Schritt zu mehr Kinderschutz machen“.
Für Frisch ist Partizipation ein wichtiges Stichwort. „Man muss die Kinder miteinbeziehen. Die sollen sagen, wie sie sich im Verein fühlen, wo es gut ist. Kinder merken, wenn etwas schiefläuft oder Situationen grenzwertig sind.“

Schutzkonzepte sind im Grunde eine „pädagogische Stütze“. „Man muss sie so gestalten, dass es handhabbar und lebbar ist, man muss die Leute miteinbeziehen, sodass jeder davon profitiert.“
Das alles betrifft natürlich nicht nur Schulen, Kitas und Sport. Für vieles, was in diesem Bereich jetzt geschieht in Sachen Schutzkonzepte, waren auch die Missbrauchsfälle in kirchlichem Umfeld ein Auslöser. Wobei Frisch betont: „Gerade das Bistum Trier gehörte zu den ersten, die sich bei mir gemeldet haben, um ihre Ideen dazu vorzustellen. Die haben Präventionsbeauftragte, auch im Bereich der offenen Jugendarbeit“. Insofern habe das Bistum Trier durchaus beispielhaft in Sachen Prävention reagiert, was man aus seiner Sicht über die Frage der Aufarbeitung der alten Fälle nicht unbedingt sagen könne.
Während der Kinderschutzbeauftragte und die Gremien vor allem in Sachen Prävention, Aufklärung und strukturellen Verbesserungen des Kinderschutzes im Land tätig sind, geht es bei der Ombudsstelle um andere Aspekte des Kindeswohls.
Die Sichtweise des Jugendamtes nachvollziehen
Die Ombudsstelle ist besetzt mit Mathias Dier, einem Volljuristen, und einer Sozialpädagogin, und kommt immer dann ins Spiel, wenn es bereits Konfliktfälle gibt. „Wenn beispielsweise ein Antrag abgelehnt worden ist, oder die Frage ist, wie es nach einer Inobhutnahme weitergeht, oder es Probleme gibt mit einem Sachbearbeiter. Gerade im Kinder- und Jugendhilfekontext sind die Fälle oft hochemotional, Leuten fällt es oftmals schwer, die Sichtweise eines Jugendamtes nachvollziehen zu können. Da ist es oft hilfreich, wenn die Ombudsstelle mit ein bisschen Objektivität und für die Ratssuchenden neutral auf den Fall schauen und erklären kann“, erläutert Mathias Dier. „An uns können sich alle Eltern, Pflegeltern sowie Kinder und Jugendliche wenden, wenn es einen Konfliktfall mit dem Jugendamt oder einem freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe gibt.“
Dier ist erst seit November letzten Jahres in dieser Position. Nach wie vor ist eine seiner Aufgaben, sich und die Stelle und ihre Funktion bei Jugendämtern und freien Trägern bekannt zu machen, dazu gehören aber auch Besuche bei Wohngruppen. „Obwohl wir öffentlich noch nicht so bekannt sind, sind wir dieses Jahr schon bei mittlerweile 75 Fällen. Das ist im Vergleich zu anderen Bundesländern bezogen auf die Bevölkerung nicht wenig, der Bedarf ist auf jeden Fall da.“
Die Ombudsstelle in Anspruch zu nehmen ist kostenlos für den Ratsuchenden und auf Wunsch auch anonym. „Wir treten nach außen nur auf, wenn die Leute das wollen. Der Ratsuchende bestimmt, wo die Reise hingeht. Es wird alles zusammen besprochen, welche Schritte welche Konsequenzen haben und wie das weitere Vorgehen ist“, betont Dier. Das kann beispielsweise Hilfe dabei sein, einen Widerspruch gegen einen Bescheid zu formulieren, das kann aber auch sein, den Ratsuchenden zu einem klärenden Gespräch zum Jugendamt zu begleiten. „Wir versuchen, das alles immer im Austausch (nach Schweigepflichtentbindung), damit man beide Perspektiven hat und dem Ratsuchenden bestmöglich weiterhelfen kann.“
In den meisten Fällen geht es um Fragen, die auftauchen, wenn Kinder in Obhut genommen wurden und die Beteiligten nicht wissen, wie es weitergeht. „Wir sind bemüht, den Konflikt zu lösen, bevor es zu einem Gerichtsverfahren kommt, und den Leuten gerade in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt weiterzuhelfen.“ Das ist ein Stück weit natürlich Rechtsberatung, aber das in einer in der Regel emotional aufgeladenen Situation. „Es gibt kaum Fälle, wo das Juristische keine Rolle spielen würde. Und oft kann man damit auch weiterhelfen. Aber man muss auf die Leute zugehen, oftmals sie beruhigen, ihnen zuhören. ihnen auch erklären, welche Rechte oder Ansprüche sie haben“. Darüber sollten die Ämter eigentlich auch umfassend und unabhängig informieren, was aber in der Praxis oft nicht in gebotenem Umfang passiert. Was einerseits sicherlich auf Belastungen mangels Personal zurückzuführen ist. Jugendämter und freie Träger leiden eben auch unter Fachkräftemangel. Andererseits gibt es eben auch unterschiedliche Sichtweisen auf die Fälle. Konflikte zwischen Jugendämtern und Betroffenen, die sich nicht verstanden oder benachteiligt fühlen, gehören durchaus zum Alltag.
Die Omdudsstelle ist insofern für Einzelfälle zuständig. Aber es gibt eine ganze Reihe von Schnittstellen zum Kinderschutzbeauftragten. „Wenn uns auffällt, dass da immer wieder ein ähnliches Problem bei verschiedenen Jugendämtern auftaucht – dafür ist der Kinderschutzbeauftragte da, solche strukturellen Probleme anzugehen.“ Und beide betonen übereinstimmend: „Der Fachaustausch ist ganz wichtig und klappt ganz gut.“
An Arbeit mangelt es den beiden Teams im Kompetenzzentrum Kinderschutz jedenfalls nicht. Und dabei gibt es eine klare Idee, wo das Saarland in ein paar Jahren in Sachen Kinderschutz stehen soll: „Dass Kinder wissen, was ein Schutzkonzept ist, dass Kinder wissen, was Täterstrategien sind, und dass jedes Kind weiß, an wen es sich wenden kann, in Kita, Schule oder Verein“, sagt Kai Frisch, und ergänzt: „Das ist alles keine Selbstverständlichkeit.“