Auch mit etlichen neuen Spielern hat sich der Anspruch der BR Volleys vor dem Saisonstart nicht verändert: Der nationale Meistertitel soll her. Bei der Champions League gibt sich der Club bescheidener. Um dort ernsthaft anzugreifen, muss auch die Bundesliga wachsen.
Als Kaweh Niroomand vor viereinhalb Jahren öffentlich mit einem Umzug der BR Volleys nach Polen liebäugelte, war die Aufregung in der Szene groß. Michael Evers, der damalige Präsident der Volleyball-Bundesliga, reagierte „sehr erstaunt“ über die Pläne des deutschen Serienmeisters und nannte diese gar „unsolidarisch“. Der Wechsel in die polnische PlusLig kam damals zwar nicht zustande, komplett loslassen will der Geschäftsführer des Hauptstadtclubs die Idee aber nicht. Auch vor dem Start der neuen Saison am 20. September spielte Niroomand öffentlichkeitswirksam mit diesem Gedanken. „Rein sportlich würde ich morgen in die polnische Liga wechseln“, sagte der Deutsch-Iraner und begründete auch, warum: „Es würde uns ganz andere Wettkämpfe und Konkurrenz bringen. Außerdem würden wir interessanter für Weltstars werden.“
Besseres Gehalt, spannendere Liga
Topspieler wie Marek Sotola und Timothée Carle, die die Berliner in der neuen Spielzeit ersetzen müssen, „hätten dann keinen Grund zu wechseln“, argumentierte Niroomand. Nicht nur das bessere Gehalt sei ein wichtiger Grund, in andere Ligen zu wechseln. „Sondern weil die Ligen wie Italien oder Polen enger und spannender sind.“ Doch Niroomand weiß auch, dass der Polen-Plan längst noch nicht ausgereift und aktuell nicht umsetzbar ist. „Ich habe durchaus Bedenken bei dieser Idee“, sagte er dem „Tagesspiegel“. Infrastrukturell gebe es noch viele Fragen zu beantworten, wie Niroomand selbst zugab: „Wie macht man das mit der Meisterschaft? Können wir als deutscher Verein einen polnischen Titel gewinnen? Hinzu kommt das Problem der Identifikation unserer Fans und Sponsoren.“ Außerdem würde ein Umzug des Rekordmeisters der deutschen Bundesliga einen erheblichen Schaden zufügen, und das sei selbstverständlich nicht im Interesse des Clubs, betonte Niroomand. Man habe „auch ein Interesse daran, dass sich der Volleyball in ganz Deutschland weiterentwickelt“.
Innerhalb der Szene ist man sich einig, dass dies geschieht. Die zuletzt erfolgreichen Aufritte der Männer-Nationalmannschaft geben Anlass zur Hoffnung, bei Olympia in Paris kam das Aus erst im Viertelfinale durch eine hochdramatische Fünf-Satz-Niederlage gegen Gastgeber Frankreich. Und auch die Volleyball-Bundesliga befindet sich nach dem harten Einschnitt durch die Corona-Jahre auf einem guten Weg. Die Entscheidung, die Liga vor einem Jahr um die vier Vereine ASV Dachau, Baden Volleys SSC Karlsruhe, FT 1844 Freiburg und VC Bitterfeld-Wolfen zu erweitern, erwies sich als richtig. Das Potenzial an diesen Standorten ist vorhanden, und so hofft nicht nur Niroomand, dass sich mittel- und langfristig „aus diesem Kreis der eine oder andere vielleicht unter die ersten Sechs schieben kann“.
Noch ist der Konkurrenzdruck von den kleineren Vereinen zu gering, die Teams aus Lüneburg, Düren, Giesen, Friedrichshafen und natürlich Berlin scheinen noch zu stark. Doch es braucht Top-Spiele auf Augenhöhe, um gerade in der sportverwöhnten Hauptstadt die Fans anzulocken. In den vergangenen zwei Jahren habe man durchschnittlich 5.000 Zuschauer in die Max-Schmeling-Halle locken können, verriet Niroomand: „Natürlich streben wir mit unserem Ehrgeiz irgendwann die 5500 an und danach vielleicht die 6000.“ Doch gerade für die Spieltage unter der Woche müsse der Anreiz der Spielpaarung größer sein. „Wir brauchen eine starke Liga. In dem Moment, wo es richtig spannend wird, sind wir auch in der Lage, innerhalb einer Woche die Max-Schmeling-Halle vollzubekommen.“
Es wundert nicht, dass bei Finalspielen und den Champions-League-Duellen die Besucherzahlen am größten sind. „Das zeigt: Wir brauchen Top-Begegnungen“, so der Volleys-Manager: „Die Zuschauer sehnen sich nach spannenden Begegnungen in der Bundesliga. Es braucht vier, fünf ähnlich starke Clubs in der oberen Tabellenhälfte.“ Deshalb müsse die Liga mitwachsen, wenn die BR Volleys den nächsten Schritt machen wollen. Und das müssen sie, um international endlich auch um den Titel mitspielen zu wollen.
Aktuell sei man vom Triumph in der Champions League noch „sehr weit“ entfernt, bekräftigte Niroomand. Die Clubs aus Polen und Italien befänden sich auch in dieser Saison gemessen an der Finanzkraft auf einem „ganz anderen Niveau, dort spielen etliche Topstars“. Doch den Kampf David gegen Goliath nimmt der deutsche Rekordmeister gerne an. Zumal die Nationalmannschaft in Paris und vor allem davor beim Qualifikationsturnier mit Siegen unter anderem gegen Brasilien und Italien vorgemacht hat, wie man als Außenseiter die „Großen“ ärgern kann. „Man braucht nicht einzelne Stars, sondern kann auch mit einem breiten Kader Spiele gewinnen“, sagte Niroomand: „Das kann ein Vorbild sein.“
Anders als in den Vorjahren hatte der Club diesmal etwas mehr Glück bei der Auslosung. In der Gruppe A bekommt er es mit Projekt Warschau (Polen), Greenyard Maaseik (Belgien) sowie Ach Volley Ljubljana (Slowenien) zu tun. Die Gruppe sei durchaus „herausfordernd“, meinte Niroomand: „Wir treffen auf allesamt renommierte Mannschaften, die seit vielen Jahren in der Champions League antreten. Vor allem die Auswärtsspiele werden eine Herausforderung, aber wir sind nicht chancenlos und wollen in die nächste Runde einziehen.“
Amedegnato erhält einen Kaderplatz
Im 14-köpfigen Profikader hat es einen größeren Umbruch gegeben, mehr als die Hälfte der Plätze werden von neuen Spielern besetzt. Der belgische Nationalspieler Simon Plaskie, der zuletzt in seiner Heimat bei Top-Club Knack Roselare aufgelaufen war, wurde als letzter Neuzugang verpflichtet. Davor hatten sich schon Diagonalangreifer Jake Hanes, die Mittelblocker Matthew Knigge und Florian Krage, Libero Kyle Dagastino sowie die Außenangreifer Jan Fornal und Moritz Reichert dem Club angeschlossen. Außerdem erhält Zuspiel-Eigengewächs Djifa Amedegnato einen Kaderplatz. Eine Schlüsselrolle soll Rückkehrer Reichert einnehmen. Der inzwischen 29-Jährige hat in seinen vier Jahren im Ausland viele Erfahrungen gesammelt und kehrt als gestandener Nationalspieler zurück zu den BR Volleys. „Sowohl Polen als auch Frankreich waren in jeder Hinsicht gute Erfahrungen für mich. Man sammelt viele neue Eindrücke und kann sich dadurch entwickeln. Ich denke, ich habe Schritte nach vorn gemacht und möchte das jetzt in Berlin wieder zeigen“, sagte er.
Dass das neuformierte Team noch Zeit benötigt, zeigte das hochkarätig besetzte Vorbereitungsturnier im polnischen Gorzow. Dort belegte der deutsche Champion sieglos den letzten Platz – und das, obwohl Trainer Joel Banks erstmals der komplette Kader zur Verfügung stand. Auch der zuvor erkrankte Nationalspieler Johannes Tille und Libero-Neuzugang Kyle Dagostino, der einen Sonderurlaub erhielt, waren mit dabei. Durch den unterschiedlichen Saisoneinstieg innerhalb des Teams durch die Olympischen Spiele musste Coach Banks viel Feingefühl bei der Trainingssteuerung beweisen. Es scheint ihm gelungen zu sein, zumindest war die Liga-Generalprobe ein Erfolg. Im Finale des Volleyball-Liga-Cup in Hildesheim bezwangen die Volleys ihren Erzrivalen VfB Friedrichshafen mit 3:1. „Meine Spieler haben gezeigt, dass sie als Mannschaft schon gut funktionieren“, sagte Coach Banks.