Viele Tore geworfen, aber noch mehr kassiert: Die HG Saarlouis hat den Fluch der Vorsaison noch nicht ganz besiegt. Top-Torschütze Lars Weissgerber weiß aber, was zu tun ist.
Wirklich glücklich ist Lars Weissgerber mit dem Saisonstart seiner Mannschaft nicht. Der 27-jährige Leistungsträger von Handball-Drittligist HG Saarlouis hatte insgeheim gehofft, das Team hätte so manche Schwachstelle der Vorsaison im Griff. Doch sowohl beim Saisonstart in Haßloch (34:27-Sieg) als auch beim ersten „Heimspiel“ der Saison in der Hermann-Neuberger-Halle in Völklingen gegen den TV Gelnhausen (34:36-Niederlage) lief noch nicht alles rund. „Es war natürlich nicht optimal, dass wir nicht in unserer Halle trainieren konnten. Hier haben wir unsere eigene Kabine, jeder hat seinen festen Platz“, sagt der Torschützenkönig der vergangenen Saison (249 Treffer). Aufgrund von Renovierungsarbeiten war die heimische Stadtgartenhalle bis in den September hinein gesperrt: „So sind wir mehrmals umgezogen und haben immer woanders trainiert. Das war schon anders, aber darf natürlich keine Ausrede sein“, stellt Weissgerber klar.
Sportlich gesehen war die Vorbereitung „absolut in Ordnung. Anfangs haben wir viel im Bereich Ausdauer, Kraft und Athletik gemacht, später dann mehr im taktischen Bereich. Leider hatten wir das Pech, dass sich Yves Kunkel verletzt hatte und dann drei Wochen raus war“, blickt Weissgerber auf die Wochen vor dem Saisonstart zurück: „So konnte sich unsere Achse noch nicht richtig einspielen. Aber dafür haben wir die Neuzugänge schon ganz gut integriert. Wir müssen nur noch an der Feinabstimmung feilen, um das Selbstverständnis zu entwickeln, das es braucht, um erfolgreich zu spielen.“
Das hat man gleich am ersten Spieltag in Haßloch gesehen, wo der erste Durchgang mit 17:15 an die Gastgeber ging. „Da waren wir in der ersten Halbzeit alle ein bisschen nervös und haben deshalb einfach zu viele Fehler gemacht“, gibt er zu, „Aber es war definitiv gut, dass wir mal wieder auswärts zurückgekommen sind und das Spiel am Ende gewonnen haben. Letzte Saison hatten wir das bis auf ein, zwei Ausnahmen auswärts nicht geschafft.“ Dank einer starken Leistungssteigerung drehten die Saarländer die Partie zum 34:27-Endstand. Auch das erste „Heimspiel“ in Völklingen weckte bei Weissgerber nicht die besten Erinnerungen an die Vorsaison: „Wenn man zu Hause 34 Tore wirft, muss man das Spiel eigentlich gewinnen. Aber wir waren in der Abwehr immer einen Schritt zu spät, es kam immer zu Durchbrüchen und Siebenmetern, was es auch den Torhütern schwer gemacht hat“, analysiert der Linkshänder die 34:36 (15:14)-Niederlage in Völklingen gegen den TV Gelnhausen. „In der Stadtgartenhalle wäre die Stimmung vielleicht noch etwas emotionaler gewesen, weil in Völklingen auch viele neutrale Fans in der Halle waren“, merkt er an, „Dadurch hat in den entscheidenden Momenten der ‚Push‘ von den Rängen gefehlt. Aber trotzdem hätten wir das Spiel gewinnen müssen.“
Wird die löchrige Abwehr, die in der Vorsaison mit 947 Gegentoren statistisch die drittschwächste der Liga war, auch weiterhin ein Problem sein? „Mit Meti (Muhamet Durmishi – Neuzugang vom TV Homburg, Anm. d. Red.) haben wir ja einen guten jungen Mann für den Innenblock dazubekommen. Mit ihm werden wir uns in der Abwehr weiterentwickeln, aber gerade der Innenblock braucht natürlich Zeit, um sich aufeinander einzustimmen“, findet Weissgerber. Wollte das Team ernsthaft um den Aufstieg in die 2. Bundesliga mitspielen, bräuchte es seiner Meinung nach allerdings noch einen erfahrenen Profi im Abwehrzentrum: „Aber das ist natürlich auch eine Frage des Budgets.“
„Ganz anders als zu meiner Zeit als Profi“
Profi war er selbst auch mal. 2018, im Alter von 21 Jahren, wechselte der frühere Jugend-Nationalspieler vom damaligen Zweitliga-Absteiger HG Saarlouis in die Handball-Bundesliga zur HSG Wetzlar. Als Nummer Zwei gestartet, war Weissgerber zu Beginn der Saison 2022/2023 gesetzt, wurde von Fans sogar ligaweit zum „Spieler des Monats September“ gewählt. Ausschlaggebend dafür waren vor allem durch seine hohe Trefferanzahl (35 Tore in sechs Spielen) und die mit 81,4 Prozent hervorragende durchschnittliche Erfolgsquote. In dieser Zeit hatte sich der Linkshänder sogar auf den Zettel von Bundestrainer Alfred Gislason gespielt. Doch dem Karriere-Höhepunkt folgte der Tiefpunkt: Im Dezember 2022 wurde Trainer Ben Matschke vom Verein entlassen und durch Hrvoje Horvat ersetzt. Unter ihm hat Weissgerber keinen guten Stand. In der Winterpause teilte der Verein dem Saarländer mit, dass man die Zukunft ohne ihn plane. Nach 145 Spielen und 191 Toren in der stärksten Handball-Liga der Welt folgte im Sommer 2023 die Rückkehr zu seinem „Herzensclub“ nach Saarlouis.
Inzwischen arbeitet der 27-Jährige in Vollzeit bei einer Bank im Bereich Rechnungswesen. Täglich von 7.30 Uhr bis 16 Uhr. Vier Mal die Woche geht es danach gleich weiter zum Training. „Das ist schon was ganz anderes als zu meiner Zeit als Profi. Damals habe ich morgens trainiert, gut zu Mittag gegessen und mich danach für ein kleines Schläfchen hingelegt, bevor wir abends wieder trainiert haben“, erinnert er sich: „Das ist schon was anderes, als nach acht Stunden Arbeit ins Training zu gehen. Aber mittlerweile hat man sich daran gewöhnt.“
Die Lust, sich wieder intensiver dem Handball widmen zu wollen ist aber noch da: am liebsten nach einem Aufstieg mit „seiner“ HG Saarlouis. „Unsere Einzelspieler haben auf jeden Fall die Qualität, ganz oben mitzuspielen. Die HG Saarlouis hat immer schon ausgezeichnet, dass wir – auch wegen des knappen Budgets – über gute Nachwuchsarbeit kommen“, sagt Lars Weissgerber und meint, „dass wir in den vergangenen Jahren hier nochmal einen Schritt nach vorne gemacht haben. Auch durch den Aufstieg der 2. Mannschaft in die Regionalliga. Davon werden wir noch profitieren.“ Allerdings fehle es noch an professionellen Strukturen: „Wenn ich mir andere Drittligisten anschaue wie den TV Emsdetten, HC Empor Rostock oder die HSG Krefeld-Niederrhein, die gezielt vorne angreifen wollen, dann stelle ich fest, dass die mindestens auf Halbprofis, wenn nicht sogar Profis setzen. Bei uns arbeitet die Hälfte der Spieler in Vollzeit.“ Das mache es schwierig bis unmöglich, beispielsweise pro Woche zusätzlich zwei Trainingseinheiten am Morgen zu absolvieren. Wobei es sich im Ernstfall aber auch einrichten ließe: „Ich habe gesagt, dass ich auf jeden Fall weiterarbeiten möchte“, sagt Weissgerber und schiebt mit einem breiten Grinsen nach: „Das ginge dann aber auch halbtags.“