Am Sonntag findet in der European League of Football das Finale der vierten Saison statt. Doch auch wenn durch das Finale für die ELF wieder Zuschauerrekorde fallen, hat die „kleine Schwester“ der NFL mit Problemen zu kämpfen – und verwundert durch eine ungewöhnliche Kooperation.
Klappern gehört zum Handwerk. Deswegen posaunt die European League of Football (ELF) Superlative wie ansonsten nur ihr großes US-Vorbild NFL immer ebenso selbstbewusst wie vor allem lautstark in die Welt hinaus. Dieser Kosmos besteht zwar immer noch nur aus einer recht überschaubaren Bubble von Fans. Dennoch konnte die ELF-Leitung bereits vor dem Finale ihrer vierten Saison am Sonntag (22. September) „auf Schalke“ wieder Rekorde zum Besten geben: Für das Endspiel zwischen dem Düsseldorfer Titelverteidiger Rhein Fire und den Vienna Vikings aus Österreich sind schon mindestens 35.000 Tickets abgesetzt, was sowohl den Besuch des Vorjahresfinals in Duisburg um wenigstens 3500 Karten als auch die ebenfalls nur ein Jahr alt gewordene ELF-Bestmarke für den Zuspruch für ein einzelnes Spiel um mindestens 2500 Billets übertrifft. Beinahe folgerichtig wird auch der Gesamtzuschauerrekord von rund 407.000 Besuchern aus 2023 nach dem Showdown in Gelsenkirchen deutlich verbessert sein.
Läuft also, könnte man meinen. Meint auch ELF-Boss Patrick Esume: „Ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich an das Finale denke.“
Denkt Esume jedoch an die Entwicklung der Liga in der ausklingenden Saison, erschaudert der „Commissioner“ wohl eher. Denn in der ELF hat sich mittlerweile eine Zwei-Klassen-Gesellschaft herausgebildet, durch die das Versprechen von Esume und seiner Marketingabteilung vor Beginn der Spielzeit für mehr Wettbewerb und mehr Spannung mitnichten eingehalten werden konnte. Rund die Hälfte aller Spiele brachte deutliche bis sogar vernichtende Kantersiege von dominierenden Teams gegen hoffnungslos unterlegene Gegner. Nur in etwa 25 Prozent der Begegnungen machten maximal nur ein Touchdown samt nachfolgendem Free Kick den Unterschied aus. Im Vergleich dazu herrschen in der NFL absolut gegensätzliche Kräfteverhältnisse zwischen den einzelnen Teams.
Die unzureichende Ausgeglichenheit in der ELF mit ihren 17 Mannschaften aus neun Ländern ist eine Gefahr für das gesamte Geschäftsmodell. Vorhersehbare Ergebnisse können nicht dauerhaft nur durch den folkloristischen Trubel der Fans auf den Rängen ausgeglichen werden – erst recht nicht, wenn es in absehbarer Zeit um potenziell immer wertvollere TV- und sonstige Vermarktungsrechte gehen soll.
Der Mangel von mehr als einem Drittel aller ELF-Teams an Wettbewerbsfähigkeit treibt außerdem schon skurrilste Blüten. In der ersten Saisonphase etwa kamen die Barcelona Dragons im Duell mit den Munich Ravens angesichts ihres 0:54-Halbzeitrückstands erst gar nicht mehr aus der Kabine zurück auf das Spielfeld.
Von Konkurrenz auf Augenhöhe, bei der ELF-Einführung ebenso versprochen wie Professionalität à la NFL, kann wahrlich längst noch keine Rede sein. Fand auch Esume: „Das darf nicht passieren, dafür gibt es keine Entschuldigung“, gestand der Liga-Boss.
Mangelnde Wettbewerbsfähigkeit
Im Rückspiel hielten die Spanier tapfer bis zum Schluss durch – und kehrten mit einer 0:90-Packung im Gepäck heim. In ihrer Chancenlosigkeit sind die Dragons, die auch bei den Tirol Raiders mit 63:7 untergingen, allerdings keineswegs allein. Die Milan Seamen blamierten sich bei den Ravens mit 7:47 und bei den Stuttgart Surge mit 9:55, die Fehervar Enthroners erlaubten sich bei Berlin Thunder einen 0:47-Offenbarungseid, und die Prague Lions führten bei den Vikings ihren Namen durch ein 3:42 ad absurdum.
Esume empfindet solche Ergebnisse als Nackenschläge. „Wir versuchen, in unserem Sport den Transfer vom Amateurwesen zum Profitum hinzubekommen. Wenn man aber eine solche Diskrepanz in der Liga hat, läuft das massiv schief.“ Der 50-Jährige sieht aber zum Prinzip von „Versuch und Irrtum“ keine Alternative: „Ein Handbuch, wie man den Footballsport in Europa nach 30 oder 40 Jahren Amateurliga professionalisiert, hat noch niemand gefunden.“
Generell sieht Esume sein Projekt trotz Dragons oder Seamen auch weiter auf einem guten Weg. „Es ruckelt, und mal macht man einen Schritt zur Seite oder auch einen oder zwei nach hinten, aber das ist okay, wenn es grundsätzlich nach vorne geht – und für Football zeigt alles in die richtige Richtung: Wir kommen inzwischen in größere Stadien, Flag Football wird olympisch, und die NFL kommt mit Spielen nach Deutschland.“
Ganz besonders den landesweiten Hype um die NFL-Gastspiele in München und Frankfurt will seit Beginn der diesjährigen ELF-Saison ein bislang eher kaum kommerzieller Partner im Sport-Umfeld wahrgenommener Akteur: die Bundeswehr. Die Truppe fungiert offiziell als „Karrierepartner“ der ELF und einzelner Teams.
NFL-Spiele als Werbefläche
Die Zusammenarbeit wird wie zuvor schon bei einigen Begegnungen vor dem Endspiel auch in Gelsenkirchen sichtbar. Wenige Meter neben Merchandisingständen mit Camouflage-Trikots der Teams im militärischen Tarnmuster ist das Karrieremobil der Bundeswehr geparkt, zeigen Soldaten in Uniform Präsenz und werben für das deutsche Militär als Arbeitgeber und kommen auch schon Kinder durch Übungen für Kraft, Ausdauer und Reaktionsschnelligkeit spielerisch mit der Bundeswehr in Kontakt. Vor Spielbeginn sollen Soldaten im Gleichschritt die deutsche Fahne auf das Feld bringen.
„Die direkte Ansprache sportbegeisterter und potenziell interessierter Menschen für eine Karriere bei der Bundeswehr ermöglicht einen authentischen Austausch auf Augenhöhe und trägt damit zu Dialog und Transparenz zwischen Bundeswehr-Angehörigen und der Gesellschaft sowie zum Ausbau eines positiven Images bei“, erläuterte ein Bundeswehr-Sprecher in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung das Engagement. Zeljko Karajica aus der ELF-Chefetage betonte ebenfalls Schnittmengen bei der Identifizierung und Förderung von Talenten zur bestmöglichen Funktionsweise eines Teams.
In den USA sind Football und Militär aufgrund durchaus militärischer Merkmale in diesem Sport – klare Hierarchien, Wortwahl bei Kommandos inklusive Befehlston oder auch die Präzision bei Manövern für Raumgewinne und zur Verteidigung von Gebieten – bereits seit dem Vietnamkrieg in den 60er und 70er Jahren Partner. Soldaten der US-Streitkräfte gehören im NFL-Umfeld geradezu zum Alltag: als Träger von Flaggen vor Spielbeginn, als Piloten in Jagdflugzeugen bei spektakulären Überflügen von Stadien oder bei nicht minder aufsehenerregenden Fallschirmsprüngen von Navy Seals in Arenen mit einem Football für den Kick-off im Rucksack.
Für das US-Militär sind die millionenfach gesehenen NFL-Spiele unbezahlbare Werbeplattformen. Die Streitkräfte werden nicht zuletzt durch die beschriebenen Auftritte einerseits ideologisch und andererseits als Arbeitgeber in der Mitte der Gesellschaft verankert.
Vergleichbare Strategien sind seit der ausgerufenen Zeitenwende durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine in Deutschland schon vor den ELF-Spielen zu beobachten gewesen. Das Sponsoring des Rüstungskonzerns Rheinmetall beim Fußball-Spitzenklub Borussia Dortmund und beim früheren Eishockey-Meister Düsseldorfer EG dient ähnlichen Zielen.
Die finanzielle Größenordnung der Bundeswehr-Auftritte im Rahmen von ELF-Spielen, die 2025 ausgeweitet werden sollen, ist nicht bekannt. Die Truppe, die zur Anwerbung und Imagepflege inzwischen auch schon auf der weltgrößten Fitnessmesse FIBO oder bei Rennen der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft sowie der Leichtathletik-DM in Braunschweig in Erscheinung getreten ist, schweigt sich ausdrücklich „zum finanziellen Aufwand“ aus. Die Bundesregierung ließ im vergangenen Juni allgemein wissen, „dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Bundesmittel als Sponsoringmittel an Sportvereine oder Sportveranstaltungen verausgabt werden“.