In seinem neuen Buch „Mit Geist & Füßen im Saarland” hat Exil-Saarländer Johannes Quirin 18 Wander-Routen zusammengestellt, die besondere Geschichten hinter den Landschaften erzählen. Forum-Autorin Nele Scharfenberg hat ihn auf zwei Touren begleitet.
Wenn Johannes Quirin den Rucksack aufsetzt und sich nach dem nächsten Hinweisschild umschaut, erscheint sofort ein Lächeln auf seinem Gesicht. Und da ist es auch schon: Auf einem kleinen weißen viereckigen Plastik-Schildchen sind ein Teil eines grünen Blattes und ein blaues Fluss-Symbol abgebildet – das Zeichen der „Urwaldtour”, der ersten von insgesamt 18 Wander-Touren aus Quirins neuem Buch „Mit Geist & Füßen im Saarland”. Gemeinsam begeben wir uns auf die Route durch dem „Urwald vor den Toren der Stadt“. „Man glaubt kaum, dass es relativ nah an der Landeshauptstadt einen Wald gibt, der fast komplett sich selbst überlassen wird. Dass ein Wald einfach frei wuchern darf, ist nicht so häufig zu finden, das ist etwas Besonderes“, sagt Quirin.
Wir merken relativ schnell, dass wir tatsächlich in eine Art stadtnahen „Urwald“ vordringen: Es geht über umgefallene Baumstämme und Wasserläufe, an Hängen und kleinen Seen vorbei, sogar auf einen Berg hoch, den sogenannten kleinen Fuji, eine Spitzkegelhalde, die durch das Abschütten von Bergmaterial entstanden ist. Ein äußerst kurzweiliger und sehr abwechslungsreicher Weg und mit einer Länge von knapp acht Kilometern eine der kürzeren Touren in dem Buch. Die Schilder mit den grün-blauen Wellen weisen uns den Weg durch den „Dschungel“. „Man fühlt sich hier ein bisschen wie ein Entdecker, es ist ein wahres Kunstwerk der Natur“, sagt Johannes Quirin begeistert.
Den Traum vom Saarland-Buch erfüllt
Der 48-Jährige wurde in Saarbrücken geboren und wuchs im Bliesgau auf. „Das ist eine tolle Wander-Region, besonders seit so viel in die Biosphäre investiert wurde. Schon als Kind bin ich mit meinen Eltern gewandert, ich erinnere mich noch gut an die traditionelle Heringswanderung.“ Vor knapp 20 Jahren verließ er das Saarland, studierte Wirtschaftsinformatik, zog erst nach Hannover, später nach Stuttgart. Heute ist er Geschäftsführer einer Kreativagentur im Schwarzwald. „Ich war schon immer gern kreativ unterwegs, habe auch viel konzeptionell gearbeitet und immer mit Schreiben zu tun gehabt. Wenn man ein Konzept schreibt, dann muss man es schaffen, viele Informationen aufzusaugen, zu sortieren und so aufzubereiten, dass das Ziel dahinter klar wird und die Story rund ist.“
Irgendwann reifte in Johannes Quirin die Idee, ein eigenes Buch zu schreiben – 2021 setzte er sie erfolgreich um. „Ich war auf das Buch ‚Glücksorte in Stuttgart‘ aufmerksam geworden und habe den Verlag angefragt, ob ich etwas Ähnliches auch für das Saarland machen könnte, da ich gerne ein Buch mit Saarland-Bezug schreiben wollte“, erzählt er. „Aber das Saarland war tatsächlich schon in Planung. Also bot mir der Verlag ein anderes Format an.“ So entstand „Grüne Glücksorte in Stuttgart“. „Es hat Spaß gemacht, die 80 Orte zu recherchieren. Stuttgart ist an sich schon sehr grün, es gibt viele schöne Orte in der Natur. Aber es sollten auch Orte sein, die nicht jeder kennt, die vielleicht auch für Einheimische neu sind. Ich habe zum Beispiel eine grün gestrichene Bar gefunden. Ich wollte zeigen, wie vielseitig das Glück sein kann – eine tolle Aussicht kann genauso Glücksgefühle auslösen wie ein Schluck guter Wein.“ Es folgten die Bücher „Zu Fuß durch Stuttgart“ und „Glücksorte in Porto“. Porto und seine entspannten Bewohner lernte Johannes Quirin bereits in jungen Jahren durch seinen Patenonkel kennen und lieben und er teilt in diesem Buch einige seiner Lieblingsorte der portugiesischen Stadt am Meer.
Mit dem Buch „Mit Geist & Füßen im Saarland“ ist jetzt endlich sein Traum vom Saarland-Buch wahr geworden. „Ich hatte ein Konzept geschrieben und an den Verlag geschickt und es stellte sich heraus, dass sie das Saarland als Wander-Region gar nicht auf dem Schirm hatten. Über den Schwarzwald gibt es schon unglaublich viele Bücher, das ist eine klassische Wanderregion, aber das Saarland ist diesbezüglich immer noch ein Geheimtipp.“ Obwohl er seit fast 20 Jahren nicht mehr im Saarland lebt, ist es für Johannes Quirin trotzdem seine Heimat. „Ich fühle mich durch Familie und Freunde verbunden und werde mich immer als Saarländer fühlen“, sagt der 48-Jährige mit Nachdruck. Für das Buch lernte er diese Heimat jetzt aus einem ganz neuen Blickwinkel kennen. „Ich habe Orte und Wege entdeckt, die ich vorher gar nicht kannte. In Neunkirchen sieht man zum Beispiel, wie ein Industriezweig eine Stadt prägen kann. Bei der Litermont-Gipfeltour war ich beeindruckt von den Bunkeranlagen und der Vorstellung, wie das große Kreuz auf den Berg transportiert wurde. Auch in Riegelsberg, wo meine Mutter geboren wurde, war mir nicht bewusst, dass es so viele Bunkeranlagen gibt.“
Das Gute liegt laut Johannes Quirin sprichwörtlich vor der Haustür: „Man fährt quer durch die Welt, dabei bietet das Saarland so viele tolle und spannende Orte und super ausgeschilderte Premiumwanderwege.“ Eine davon ist die Urwaldtour. Zurück am Forsthaus Neuhaus angelangt, gibt es erst mal eine kleine Stärkung. Auf dem Weg zum Parkplatz springt uns eine Bücher-Tausch-Telefonzelle ins Auge. Da kommt Johannes Quirin eine spontane Idee: „Ich hinterlasse einfach mein Buch.“ Er schreibt noch eine Widmung und legt es in den Schrank.
„Was Landschaften erzählen“ ist der Untertitel des Buches. Was es damit auf sich hat, erklärt Johannes Quirin gern: „Es geht darum, den Geist zu beleben durch den Weg. Das kann geschichtlich sein oder kulturell – oder natürlich auch durch die Natur an sich. Ich habe meine eigene Heimat auf eine Art und Weise entdeckt, die ich vorher noch nicht kannte. Einfach, indem ich in die Geschichten hinter den Orten eingetaucht bin. Es ist also kein klassischer Wanderführer, sondern eher ein Begleiter für zusätzlichen Input.“
Unterwegs ein Stopp mit einem Eisbecher
Die dritte Tour des Buches trägt den Titel „Das große (Be-)Staunen“. Wir machen uns gemeinsam auf in die Kulturlandschaft rund ums Dorf im Warndt. Der Start ist am Jagdschloss Karlsbrunn. Am nahe gelegenen Wildgehege freuen sich Ziegen darauf, gefüttert zu werden. „Ich finde, dass man die Geschichte der beiden Nationen hier in dem Grenzgebiet regelrecht fühlen kann.“ In Frankreich angekommen dann das Highlight: Von der Aussichtsplattform Carrière de Freyming bietet sich ein wahrhaft unwirklicher Blick auf die rund 300 Hektar große Sandgrube des Warndt-Canyon. In seinem Buch erzählt Johannes Quirin die Geschichte des Naturdenkmals, das durch den Steinkohlebergbau entstanden ist. „Da braucht man eigentlich gar nicht um die ganze Welt reisen, wenn man so etwas direkt vor der Haustür hat“, sagt er schwärmerisch. Am Nikolausweiher ist etwa die Hälfte des Weges geschafft – hier bietet sich eine Rast in der örtlichen Gastronomie an. Im idyllisch gelegenen Blockhaus Restaurant ist für jeden was dabei, zum Beispiel eine leckere Crêpe oder ein Eisbecher. Da gutes Essen eine weitere Leidenschaft von Johannes Quirin ist, haben alle Touren auch kulinarische Tipps.
Die Vorgabe von 18 Wanderungen hat für den Buch-Autor gut gepasst: „Bei sechs Landkreisen war es naheliegend, drei Routen in jedem Landkreis aufzunehmen.“ So ist ein Streifzug quer durchs Saarland entstanden, der das kleine Bundesland von allen Seiten zeigt: „Jeder Landkreis hat seine Besonderheiten und Eigenarten.“ Hat er eine Lieblings-Tour? „Die Tour in meinem Heimatkreis durch die Biosphäre liegt mir natürlich besonders am Herzen. Tatsächlich war ich bis dato noch nie am Gollenstein.“
Obwohl es inzwischen schon sein viertes Buch ist, ist es für Johannes Quirin immer noch etwas Besonderes, das fertige Ergebnis dann in den Händen zu halten. Und der umtriebige Exil-Saarländer hat noch weitere Projekte. Als leidenschaftlicher Hobby-Koch und Genießer ist Quirin seit 2021 Gastgeber des Podcasts „Genusstalk“. „Das Thema begleitet mich schon mein ganzes Leben und die Corona-Zeit schien genau richtig dafür. Egal ob Käse, Wein oder Schokolade, Spitzengastronomie oder Currywurst – die Themen gehen nie aus.“
Und die Reise geht weiter: Als nächstes erscheint ein Buch über die Weinregion Franken und ein Quiz über den Schwarzwald. Mit Johannes Quirin wird es einfach nie langweilig.