Seit zweieinhalb Jahren hat das Saarland als einziges Bundesland eine Alleinregierung einer Partei. Für die SPD mit Ministerpräsidentin Anke Rehlinger an der Spitze ist die Transformation der Saarwirtschaft zentrales Thema. Die CDU in der ungewohnten Oppositionsrolle sieht sich durch die Ergebnisse der Kommunalwahl gestärkt.
Die letzten Landtagswahlen haben einen Trend bestätigt, der schon länger zu beobachten ist: Koalitionsbildungen für einigermaßen stabile Regierungen werden immer schwieriger. Es finden Partner zusammen, deren inhaltliche politische Schnittmengen recht überschaubar sind. Die Ampel auf Bundesebene zeigt, welche Folgen das haben kann. Und im Osten der Republik könnte es nach den Landtagswahlen zu Zusammenarbeiten von Parteien kommen, von denen nur schwer auszumachen ist, welche Schnittmenge es überhaupt gibt, außer vielleicht dem gemeinsamen Interesse, eine Regierung ohne Beteiligung der AfD hinzukriegen.
In dieser politischen Gesamtgemengelage nimmt sich das Saarland fast aus wie das berühmte gallische Dorf in den Abenteuern von Asterix, Obelix und Co. Alleinregierung einer Partei – und zwar der SPD –, das ist in diesen Zeiten ein außergewöhnlicher Zustand. Und der währt nun schon zweieinhalb Jahre.
Die gelegentliche Diskussion, ob sich der richtige Zeitpunkt für eine Halbzeitbilanz am Tag der Landtagswahl (27. März 2022) oder am Tag der Wahl der Ministerpräsidentin im Landtag gut vier Wochen später (25. April 2022) orientieren sollte, ist nicht sonderlich entscheidend. Das dachte sich wohl auch die CDU, die bereits zur ersten Sitzung des Landtags nach den Sommerferien im September das Thema mit einem Antrag auf die Tagesordnung gesetzt hat. 2022 war es jedenfalls die politische Sensation schlechthin, als am späten Abend des 27. März das Wahlergebnis feststand. Und das in mehrfacher Hinsicht: Die SPD war klarer Wahlsieger und gewann die absolute Mehrheit der Sitze im Landtag. Erstmals hatte es der vielfache Juniorpartner einer Großen Koalition geschafft, stärkste Kraft zu werden. 43,5 Prozent reichten auch deshalb für die absolute Parlamentsmehrheit, weil die Grünen extrem knapp (4,99 Prozent) und die FDP etwas deutlicher (4,8 Prozent) gescheitert und die Linken mit 2,6 Prozent in die politische Bedeutungslosigkeit abgesunken waren. Die CDU war nach einem Vierteljahrhundert an der Regierungsspitze auf 28,5 Prozent abgestürzt. Die politische Landschaft im Saarland hatte sich komplett neu sortiert, das Saarland präsentierte sich ganz in Rot.
Schon relativ kurze Zeit, nachdem sich die einen vom ersten Schock, die anderen von der Überraschung einigermaßen erholt hatten, stand – vor allem für die neue CDU-Opposition – fest: In zwei Jahren, bei den nächsten Kommunalwahlen, soll die Niederlage wieder wettgemacht werden. Die bislang erfolgsgewöhnte CDU sah sich selbst in der ungewohnten Oppositionsrolle eigentlich als „Regierung im Wartestand“.
In der SPD war Regierungschefin und Parteivorsitzende Anke Rehlinger bemüht, Anflüge von Übermut zu bremsen, wie sie ein solches Wahlergebnis leicht hervorrufen kann. Ihr war klar, dass die große Aufgabe der Transformation der Saar-Wirtschaft nicht ohne Rückschläge gehen würde. Ohnehin war zu diesem Zeitpunkt völlig unklar, wie sich die Rahmenbedingungen insgesamt verändern würden. Am Tag ihrer Wahl im Landtag war der Überfall Russlands auf die Ukraine gerade mal zwei Monate her, die Folgen in ihrer Tragweite noch nicht wirklich absehbar. Energiepreiskrise und Inflation waren die für alle spürbarsten Folgen, dazu die hohe Zahl von Menschen, die vor dem Krieg flüchteten. Zudem waren die Folgen der Corona-Pandemie längst nicht bewältigt. Und über allem stand und steht der Druck auf Veränderungen aus Klimaschutzgründen: Das mit Automobil- und Stahl-Branche exportorientierte Saarland ist eine der am stärksten von diesen Veränderungen betroffenen Regionen (wenn nicht sogar die am stärksten betroffene Region). Eine Alleinregierung hat die Chance, ohne ständige Koalitionsabsprachen und -kompromisse Dinge schneller und konzentrierter anzupacken. Umgekehrt ist damit aber auch klar, dass es keinen Koalitionspartner mehr gibt, dem man vorhalten könnte, irgendetwas auszubremsen oder gar zu blockieren. Und wenn man ganz natürliche Verteilungskonflikte zwischen den Ressorts einer Regierung aushandeln will, ist das keineswegs einfacher, wenn alle am Kabinettstisch das gleiche Parteibuch haben.
Stimmen der Grünen, Linken, Liberalen fehlen
Was das Wahlergebnis schwierig macht, ist die Zusammensetzung des Parlaments, in dem neben SPD und CDU nur die AfD vertreten ist. Über zehn Prozent der Wählerstimmen (insbesondere die der knapp gescheiterten Grünen und Liberalen) sind nicht im Landtag repräsentiert, die Linke hat sich durch die lang anhaltenden inneren Querelen selbst ins politische Abseits manövriert.
Im Parlament konzentrieren sich also die Auseinandersetzungen auf SPD und CDU. Die AfD trägt zur Sacharbeit im Parlament kaum etwas bei. SPD und CDU mit ihren Protagonisten kennen sich aus zehn Jahren Großer Koalition. Die CDU hat vergleichsweise schnell ihre Oppositionsrolle angenommen und den Ton der Debatten deutlich verschärft.
SPD und CDU sind im Saarland nach wie vor Volksparteien, repräsentieren insofern auch das breite Spektrum landespolitischer Themen. Trotzdem macht sich bemerkbar, dass Stimmen wie die von den Grünen, den Liberalen und langsam auch von der Linken fehlen.
Aber für Grüne und FDP war und bleibt es schwer im Saarland. Aktuell erst recht, da sich die Stimmung für beide bundesweit und grundsätzlich geändert hat, und alles andere als zum Besseren. Die Performance der FDP und ihres Parteichefs Christian Lindner in der Ampel-Koalition dürfte mit daran Schuld sein, dass die Saar-Liberalen ihren kurzen Höhenflug bei der letzten Bundestagswahl wohl vergessen können. Und die Saar-Grünen, die wieder Ruhe in ihre Partei gebracht haben und viel Energie in inhaltliche Arbeit stecken, werden sich nur schwer dagegen wehren können, dass sich die allgemeine Stimmung gewendet hat und aus dem einstigen Höhenflug ein kontinuierlicher Sinkflug geworden ist.
Ein Stück weit dürfte sich das bereits bei den Kommunalwahlen Anfang Juni ausgewirkt haben. Die Grünen mussten im Vergleich zur letzten Kommunalwahl ein Minus von mehr als fünf Prozentpunkten verzeichnen, das Kreistags-Wahlergebnis von 7,3 Prozent zeigt trotzdem, dass es ein Potenzial gibt. Die FDP kam mit leichten Verlusten auf 3,9 Prozent. Die CDU hatte die Kommunalwahlen zu einem „Härtetest“ ausgerufen, der Auskunft geben sollte, wo die Partei steht. Gewonnene Oberbürgermeisterwahlen und landesweit stärkste Kraft – die Partei scheint das Landtagswahldesaster hinter sich zu haben. Im Vergleich zur letzten Kommunalwahl bedeuten 34,4 Prozent aber nur einen leichten Zugewinn von 0,4. Die SPD kam auf 29,9 Prozent, ein Minus von 0,1 Punkten.
Auch wenn es eine Kommunalwahl war – die bekanntlich nach eigenen Gesetzen läuft – ist der Einfluss des allgemeinen Bundestrends unverkennbar. Und der steht seit geraumer Zeit gegen die Parteien der Ampel-Koalition, für die CDU – und für die AfD. Die hat (wiederum Kreistagswahlergebnis) mit 10,4 Prozent ein zweistelliges Ergebnis erzielt, zweistellig auch überall dort, wo sie angetreten war (in Saarbrücken brachte die AfD keine gültige Liste zustande und war entsprechend nicht zugelassen). Das Ergebnis sind teilweise schwierige Koalitionsbildungen auf kommunaler Ebene und teils heftige Zerwürfnisse, wie beispielsweise bei den Wahlen im Bezirksrat Saarbrücken-West.
Für die zweite Hälfte der Legislaturperiode ist entscheidend, welche Fortschritte in den großen Transformationsfeldern gelingen. Und mindestens ebenso wichtig ist, ob sich das Saarland als weltoffenes Land mit einem überdurchschnittlichen ehrenamtlichen Engagement gegenläufigen Trends und Stimmungen erwehren kann. Am Ende hängt beides eng zusammen, wenn es um die Zukunft des Saarlands als attraktiver Standort geht.