Vielfach wird suggeriert, dass sich die Anzahl der Tornados infolge des Klimawandels erhöht hat. Aber ist das auch so? Dr. Jannick Fischer vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung– Troposphärenforschung erläutert Hintergründe – und weist auf eine andere Gefahr hin.
Stormchaser – den Begriff mag Dr. Jannick Fischer nicht besonders. Der 30-jährige Post-Doc forscht am „Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Troposphärenforschung“ (IMKTRO) in Karlsruhe mit Schwerpunkt Hagel und Gewitterdynamik. Der Begriff der „Sturmjäger“ sei vor allem in den USA populär, wo sich Menschen dann auch in Gefahr bringen und mit Absicht extreme Situationen suchen. „Das machen wir natürlich nicht“, so Jannick Fischer, „wir vermeiden wirkliche Gefahr und gehen auch nur in Situationen, die wir einschätzen können. Und auch hauptsächlich zu Forschungszwecken.“
Also: kein Besuch im Auge des Sturms, keine lebensgefährlichen Autofahrten in einen Tornado hinein und auch keine Kühe, die umherfliegen, wie es mancher Hollywood-Katastrophenfilm suggeriert. Stattdessen steht der Selbstschutz im Vordergrund, auch wenn er zugibt: „Wir sind schon fasziniert von unserem Forschungsgebiet, da schwingt natürlich schon ein bisschen Leidenschaft mit.“ Das IMKTRO ist eines von vier Departments des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung (IMK), das vom KIT – Campus Nord und der ehemaligen Universität Karlsruhe, dem heutigen KIT – Campus Süd, betrieben wird.
Im IMKTRO-Mittelpunkt stehen atmosphärische Prozesse in der Troposphäre, also auch Wirbelstürme wie Windhosen, auch Tornados genannt. „Es sind außergewöhnlich seltene Ereignisse, bei denen man intuitiv merkt, dass es was Besonderes ist.“ Das seien teilweise Naturphänomene, die einem die Nackenhaare hochstehen lassen. Seine Faszination für die schnellen Luftwirbel mit annähernd senkrechter Drehachse könne man vergleichen mit der von Menschen, die sich Vulkanausbrüche oder Erdbeben aus der Nähe anschauen.
In Deutschland heißen sie Windhose
Der letzte Tornado, den er live verfolgt hat, bildete sich am 3. Juli im baden-württembergischen Philippsburg. Auf seinem X-Account kann man sich dies ansehen, da er den Moment der Bildung per Video festgehalten hat. Auch einige Bilder hat er gepostet. Dabei habe er Glück gehabt, dass es in der Nähe seines Wohnortes passiert sei und er durch Radarbilder wusste, dass er den Moment abpassen könnte. Er verweist zudem auf die Analyse von TorKUD und Tornadoliste.de, „die wirklich gute freiwillige Arbeit leisten“. Eindrücke des Tornados finden sich unter www.torkud.de/post/vphilippsburg24.
Durch teils reißerische Berichterstattung in Bezug zum Klimawandel könnte man nun annehmen, dass sich Tornados in Deutschland in den vergangenen Jahren immer öfter bilden würden. Doch der in Philippsburg war zu diesem Zeitpunkt der 18. bestätigte, 22 sind dazugekommen. 40 sind es Stand 19. September also, wie man der aktuell gehaltenen Internetseite Tornadoliste.de entnehmen kann. Der Mittelwert der vergangenen Jahre liegt bei 45, heißt es beim Deutschen Wetterdienst. Und die Tornado-Saison neigt sich nun dem Ende entgegen. Neben den bestätigten Tornados gibt es jedoch immer auch Verdachtsfälle, die im Frühjahr des Folgejahres von der Tornado-Arbeitsgruppe Deutschland näher untersucht werden.
Tornados – diese Urgewalt, man kennt sie vor allem aus Nachrichten aus den USA, wo sie starke Beschädigungen in Orten verursachen. Dagegen werden sie hierzulande oftmals mit etwas Verharmlosung „Windhose“ genannt, obgleich es sich dabei um das gleiche Phänomen handelt. „Auch der, den ich bei Philippsburg gesehen habe, war sehr kurzlebig, vielleicht fünf Minuten, und auch recht schwach“, sagt Jannick Fischer. Es seien lediglich Bäume und Äste zerbrochen. Zudem war es bislang der einzige, den er selbst in Europa erlebt habe. In den USA, wo er in Texas seinen Doktortitel gemacht hat, seien sie tatsächlich häufiger zu erleben.
Zurück nach Deutschland: Dort hält sich die Zahl in diesem Jahr also im Mittel der zurückliegenden Jahre – und laut Jannick Fischer sei eine steigende Zahl in Folge des von Menschen gemachten Klimawandels in den nächsten Jahren auch nicht zu erwarten. „Bezüglich Tornados ist es korrekt, dass es nach aktuellem Stand der Forschung keinen eindeutigen Zusammenhang gibt.“ Für eine Erhöhung der Tornado-Zahl müssten andere Bedingungen herrschen, beispielsweise müsste verstärkt ein bestimmter Typ von Superzellen auftreten, der auf Veränderung des Windes in der Höhe angewiesen ist, nicht unbedingt auf mehr Energie im Aufwind des Gewitters.
Vermehrter Hagelfall ist eine Folge des Klimawandels
Er erläutert: „Soweit ich weiß, gibt es weltweit keine Studien, die gezeigt haben, dass es deutliche Veränderungen gibt. Auf jeden Fall gibt es zumindest für Europa noch keine Forschung, die das zeigt.“ Einige Medienberichte suggerierten jedoch eben, dass durch den Klimawandel mehr Tornados auftreten könnten. „Das hängt eher damit zusammen, dass die sozialen Medien immer beliebter wurden, mehr Leute mit ihrem Handy das sofort aufnehmen können und sich das dann schnell verbreitet. Dieser Effekt ist deutlich stärker, als dass wir vom Wetter her eine Zunahme haben könnten.“
Das ist natürlich keine Entwarnung für den Umgang mit dem Klimawandel. Denn eines hat in Europa zugenommen– und das vermutlich tatsächlich durch die Erderwärmung: Hagel. Hagel besteht aus Eisklumpen und tritt überwiegend in warmen Jahreszeiten und den Mittleren Breiten auf, also auch in Europa. In einigen Regionen, besonders in Norditalien, aber auch in Süddeutschland, gebe es einen „positiven Trend“. Es müsse freilich noch mehr geforscht werden, um eine sichere Erkenntnis zu erlangen. Jedoch sehe man jetzt bereits physikalisch eindeutige Argumente, die dafür sprechen.
Das Gefährliche am zunehmenden Hagel: Vermutlich wird es sich bei dem zu erwartenden Niederschlag um größere Hagelkörner handeln, die dementsprechend mehr Schaden anrichten können. Durch die sich aufheizende Erde gibt es mehr Feuchtigkeit in der Luft, was quasi zum Gewitter-Treiber werden kann. „Wenn wir mehr Feuchtigkeit haben, haben wir auch stärkere Aufwinde in den Gewittern. Das ist besonders gut für die Entstehung von großem Hagel“, erklärt er. „Es gibt allerdings viele weitere komplexe Einflussfaktoren, deswegen ist das noch nicht ganz klar.“
Warum solche Wetterereignisse noch nicht wirklich in der Politik angekommen sind, obwohl sie großen Schaden anrichten können, ist Jannick Fischer auch nicht ganz klar. „Ich denke, es hat mit der Seltenheit zu tun.“ Vielleicht hänge es auch damit zusammen, dass durch Tornados außer durchaus hohem Sachschaden in Deutschland noch nicht wirklich viel zu Schaden gekommen ist. „Dann würde das wahrscheinlich sofort aufgerollt.“ Wichtig sei es seiner Meinung nach, besser vorbereitet zu sein.
Bessere Vorbereitung habe er beispielsweise in seinen dreieinhalb Jahren in den USA erlebt, wo Schutz vor Tornados und Hurrikans bereits ein großes Thema in der Schule sei. Dort gebe es auch feste Evakuierungspläne für die Gebiete, in denen dies häufig auftritt. Hierzulande seien Pläne angebracht, wie man sich bei großem Hagel oder eben Tornados verhalten sollte. „Aus unserer Erfahrung ist das wichtig, denn die meisten Leute erleben nie großen Hagel oder einen Tornado. Dadurch werden solche Warnungen nicht ernst genommen, wenn man nicht dazu sagt dass es sehr unwahrscheinlich ist, aber trotzdem jeden treffen kann.“ Sein Tipp: Am besten in den Innenräumen oder im Keller bleiben.