Der Bau der Chipfabrik in Magdeburg wird verschoben. Für die Bundesregierung ein Rückschlag. Aber weitere Fabriken sind schon in Planung oder werden bereits gebaut. Die Strategie für mehr Unabhängigkeit geht derzeit auf.
Intels geplante Chipfabrik in Magdeburg liegt erst einmal für zwei Jahre auf Eis – der Konzern kämpft an anderen Fronten. Das sind keine guten Nachrichten für den Arbeitsmarkt in Sachsen-Anhalt, keine guten Nachrichten für die deutsche und europäische Unabhängigkeit in Sachen Halbleiter. Jedenfalls auf den ersten Blick.
Intel kämpft gegen Milliardenverlust
Was war passiert? Die Hintergründe sind komplex. Intel fiel als innovativer Produzent von Chips schon vor Jahren hinter die Konkurrenz zurück. Der ambitionierte Plan von Konzernchef Pat Gelsinger war nun, sich als Auftragsfertiger für andere Chipfirmen zurück in die Weltspitze zu kämpfen. Dafür sollen für viele Milliarden Dollar neue Werke gebaut werden – in den USA, aber auch in Europa. In Irland hat die Produktion bereits begonnen. Trotzdem muss der Konzern nun sparen, und dies trifft nicht nur das geplante Werk in Magdeburg, sondern auch im polnischen Breslau. Intel kämpft mit Milliardenverlusten, streicht bereits 15.000 Jobs. Auch mit zehn Milliarden Euro Zuschuss von der Bundesregierung hätten in Magdeburg immer noch 20 Milliarden Dollar investiert werden müssen. Vor diese Wahl gestellt, steckt Intel die Milliarden nun zunächst in Fabriken im Heimatmarkt USA, wo es ebenfalls hohe Subventionen von der Regierung gibt und Intel als Rüstungszulieferer tragend sein kann.
Intel braucht nun Geld. Im zweiten Quartal 2024 verbuchte der Chipkonzern aus Kalifornien einen Verlust von 1,6 Milliarden Dollar bei einem Umsatz von 12,8 Milliarden Dollar. Nicht nur Arbeitsplätze sollen nun wegfallen, auch die Forschungsausgaben werden heruntergefahren. Die Hoffnung liegt auf einer neuen Chipgeneration, die 2025 produziert werden soll, unter anderem in Irland.
Intel ist jedoch nicht der einzige Konzern, der einigermaßen verhalten in die Zukunft schaut. Aufgrund der hochlaufenden Elektromobilität, in der Halbleiter zentraler Bestandteil sind, und dem KI-Hype galten Konzerne wie Intel, AMD und Nvidia als entscheidende Zulieferer. Vor allem in Europa aber stottert der E-Motor und das Bemühen der USA, China fortschrittliche Halbleiterchips zu verwehren, um deren wirtschaftlichen Aufstieg zu bremsen, sorgt bei Halbleiterfertigern und Zulieferern für Sorgenfalten.
Politisch aber ist die Ansiedlung von Chipfabriken – die derzeit vor allem in Asien und dort insbesondere in Taiwan zu finden sind – in Europa gewollt. Denn die Halbleiter-Engpässe zu Beginn der Corona-Krise waren ein Weckruf. Damals standen mehrfach Bänder bei Autobauern still, Laptops waren schwer zu bekommen. Die Abhängigkeit von Asien, besonders von TSMC in Taiwan bei Hightech-Chips, wurde im Westen als Problem erkannt. Die USA und die Europäische Union überboten sich bei Subventionen, um schon in einigen Jahren mehr Versorgungssicherheit zu haben.
Für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist es ein Prestigeprojekt, Deutschland zum großen Chip-Standort in Europa zu machen. Nach dem Intel-Vertragsabschluss für Magdeburg sprach Scholz über „die größte ausländische Direktinvestition, die es je in Deutschland gegeben hat“. Politisch ist die Intel-Entscheidung also ein Rückschlag für Scholz und die Ampel-Koalition. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betonte sofort, die Verschiebung sei eine rein unternehmerische Entscheidung. Scholz versicherte, Intel habe zugesagt, an dem Projekt festhalten zu wollen. Halbleiterproduktion in Europa und in Deutschland bleibe richtig, der „Ausbau geht weiter“.
TSMC und Wolfspeed bauen in Deutschland
Denn auf den zweiten Blick gibt es weitere Projekte, die in die Gänge kommen. So etwa die Ansiedlung von TSMC in Dresden. Dort hat der Bau der Fa-brik schon begonnen. Das erste Werk des Branchenriesen in Europa soll 2.000 Arbeitsplätze schaffen. An der Investition sind TSMC und die bereits in Dresden ansässigen Firmen Bosch, Infineon und NXP Semiconductor beteiligt. Auch der US-amerikanische Produzent Wolfspeed will im Saarland eine der weltweit größten Fabriken für Siliziumkarbidchips bauen und mit dem deutschen Zulieferriesen ZF eine Kooperation eingehen. Dafür werden gerade die Bauflächen vorbereitet. TSMC könnte in Dresden sogar seine eigenen Zulieferer mitbringen. In Deutschland wolle man die Firmen zunächst dabei unterstützen, Fuß zu fassen und sich im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) anzusiedeln, da Taiwan weltweit führend für Hardware in diesem Feld sei, heißt es laut Medienberichten aus Taipeh. So könne man anderen Ländern dabei helfen, diesen Bereich zu entwickeln. Ähnliches geschieht gerade rund um die erweiterte TSMC-Fabrik im japanischen Kyushu.
TSMC war bislang so gut wie einzigartig in der Welt: Als weltweit größter Halbleiterproduzent gilt das Unternehmen als entscheidender Partner zahlreicher Branchen – für Computer, Energietechnik und Elektronik, Smartphones, die Rüstung. Nun kommt die Automobilbranche hinzu, denn in Elektrofahrzeugen sind je nach Modell rund 1.000 Chips verbaut.
Dass die Halbleiterindustrie trotzdem in der Krise ist, liegt nicht zuletzt auch am fehlenden Absatz europäischer und deutscher E-Autos weltweit. Marktkapazitäten aufzubauen lohnt sich auch für die Chipproduzenten nur dann, wenn der Absatz auf Jahrzehnte garantiert ist. Neue Märkte wie der für E-Autos aber schwächeln.
Chinas Interesse an einer Rückeroberung Taiwans aber könnte die Zukunftspläne ganzer Branchen ins Wanken bringen, sollte sich das Land zu einer Blockade oder einer gewaltsamen Eingliederung der Inselnation durchringen. Schon jetzt ist China laut der internationalen Semiconductor Industry Association das Land mit der größten Halbleiterproduktion der Welt – die Qualität westlicher und taiwanesischer Produkte erreicht das Land jedoch nicht. Noch nicht. Nicht zuletzt deshalb hat die gesamte Europäische Union den „Chips Act“ auf den Weg gebracht: Die Halbleiterindustrie soll auch in anderen Teilen Europas Standbeine aufbauen. Die Expansion der deutschen und europäischen Halbleiterstrategie wird damit nicht nur zu einer Frage des Geldes und der Zukunftsfähigkeit, sondern der nationalen Sicherheit.