Der Elektro-SUV Smart #3 punktet mit Kampfpreisen und einer guten Ausstattung. Manche Assistenzsysteme sind jedoch gewöhnungsbedürftig. Eine Testfahrt.
Alarmstufe Rot! Kaum bin ich auf der Autobahn, blinkt das Head-up-Display in der Frontscheibe auf. Was will mir der Elektroflitzer damit sagen? Fahre ich zu schnell? Kommt hinter der nächsten Kurve ein Stau? Ist der Akku gleich leer? Optisch erinnert das halb offene, rot blinkende Rechteck an ein Fadenkreuz aus einem Ballerspiel. Schießt mein Testauto gleiche eine Rakete ab?
Vorsorglich nehme ich meinen Fuß vom Strompedal, wohl wissend, dass derartige Dinge normalerweise nicht zur Serienausstattung gehören. Als ein paar Kilometer später das „Fadenkreuz“ erneut auftaucht, kapiere ich endlich den Sinn. Es handelt sich um eine Warnung, wenn man – in den Augen des Smart – zu schnell oder zu nah auf ein vorausfahrendes Fahrzeug auffährt. Eine sinnvolle Anzeige! Warum sie jedoch wie bei einem Ego-Shooter aussieht, erschließt sich vermutlich nur den Entwicklern.
Ich sitze im Smart #3, einem Elektro-SUV, der „Häschtäg drei“ gesprochen wird. Aus der Ferne sieht er aus wie ein Kompaktwagen, näher betrachtet ist er aber etwas bulliger. Mit der Vorstellung eines kleinen Schuhkartons, der in jede Parklücke passt, hat dieser Smart jedenfalls nichts mehr gemeinsam. Seit der chinesische Geely-Konzern die Mehrheit am Konzern hält – Mercedes gehören noch 49 Prozent –, laufen in Changxing hochmoderne Fahrzeuge vom Band.
Viele Schmankerl im Einstiegsmodell
Der #3 kostet in seiner einfachsten Variante 38.490 Euro. Damit landet er deutlich vor anderen Elektro-SUV, etwa dem Kia EV6 (ab 46.990 Euro) oder dem Ford Mustang Mach-E (ab 54.684 Euro). Im Vergleich zum VW-Konzern, der zuletzt seine Preise drastisch gesenkt hat, fällt der Unterschied jedoch nur gering aus: Der VW ID.4 kostet derzeit in seiner Standardversion 39.065 Euro.
Positiv fällt beim Smart #3 auf, dass selbst im Einstiegsmodell schon viele Schmankerl an Bord sind, für die man anderswo Aufpreis zahlen muss. Zum Beispiel das riesige Panorama-Glasdach, eine 360-Grad-Kamera oder eine elektrische Heckklappe. Der kleine Akku fasst 49 Kilowattstunden und bietet eine Normreichweite von 325 Kilometern.
Auch Ledersitze und eine Schnellladefunktion mit 130 Kilowatt sind ab Werk dabei. Damit soll der Akku in weniger als einer halben Stunde von zehn auf 80 Prozent gefüllt werden. Lediglich das langsame Laden mit Wechselstrom ist in der Einstiegsvariante nur mit 7,2 Kilowatt möglich – das ist sehr mickrig. Elf Kilowatt sind inzwischen Standard, zumal der #3 in den teureren Ausstattungsvarianten sogar auf die doppelte Ladeleistung kommt. Aber gut, irgendwo muss man Abstriche machen; schließlich will der Hersteller, dass man die teureren Modelle kauft.
Mein Testfahrzeug verfügt über die 46.490 Euro teure Premiumausstattung, wozu ein 150kW-Akku mit einer Normreichweite von 455 Kilometern gehört. Ebenfalls an Bord: ein Soundsystem mit 13 Lautsprechern, ein automatischer Parkassistent, eine Wärmepumpe sowie das eingangs erwähnte Head-up-Display mit „Alarmstufe Rot“-Anzeige.
Hauptmenü wirkt etwas überfrachtet
Innen gibt sich der Smart äußerst schlicht: glatte weiße Oberflächen, ein großes Zentraldisplay, Ledersitze mit eingenietetem Smart-Logo. Knöpfe finde ich – außer am Lenkrad – keine; stattdessen wird alles über ein 12,8-Zoll-Display und darunterliegende Berührungsfelder gesteuert. Die runden Lüftungsdüsen leuchten im Dunkeln, wobei die Farbe frei wählbar ist. Die Bein- und Kopffreiheit ist üppig; lediglich hinten muss man die Beine aufgrund der tiefen Rücksitze ein wenig anwinkeln – kein Problem bei kurzen Ausflügen; auf der Langstrecke könnte es aber irgendwann unbequem werden.
Als ich die Armlehne hochklappe, offenbart sich darunter ein kleines, gekühltes Staufach – nützlich für Getränke oder sonstige Dinge, die bei sommerlichen Temperaturen frisch bleiben sollen. Der kleinere Konzernbruder, der Smart #1, hat dieses Feature ebenfalls.
Nicht ganz so durchdacht wirkt das Hauptmenü, das völlig überfrachtet daherkommt. Auf dem Startbildschirm wird so gut wie alles angezeigt: Reichweite, Reifendruck, Stromverbrauch, Wetterbericht, Innenraumtemperatur, Handyempfang, Uhrzeit sowie unzählige Felder zur Navi-Steuerung, zur Ladesäulen- und Parkplatzsuche. Beim Ein- und Ausparken ploppt zusätzlich ein Fenster auf, das die 360-Grad-Kamera anzeigt. Und dann ist da noch ein animierter Fuchs am unteren Bildschirmrand. Der sieht putzig aus, kratzt sich, gähnt, steht auf und setzt sich wieder hin. Aber für einen schnellen Blick bei 120 km/h auf der Autobahn ist dieser Startbildschirm völlig ungeeignet.
Beim Fahrwerk hat Smart alles richtig gemacht. Auch nach stundenlanger Fahrt über Autobahn und Landstraße sind die Ledersitze noch bequem. Bei der Dämmung lässt sich Smart ebenfalls nicht lumpen: Selbst auf der Autobahn bleibt der Innenraum angenehm ruhig. Die Assistenzsysteme hinterlassen dagegen nur einen zweischneidigen Eindruck.
Positiv überrascht mich das Spurhaltesystem, das – anders als bei vielen Konkurrenten – nur dann eingreift, wenn es wirklich nötig ist. Die Verkehrsschild-Erkennung funktioniert hingegen nur suboptimal. Immer wieder blendet der Bordcomputer Tempolimits falsch ein und warnt vor angeblich zu schnellem Fahren. Vor allem zeitlich befristete Schilder („Tempo 30 von 7 bis 17 Uhr“) bereiten dem System Probleme. Der #3 geht dann automatisch davon aus, dass die Beschränkung immer gilt.
Bei meinem Autobahn-Landstraßen-Mix beträgt die Reichweite etwa 400 Kilometer – völlig in Ordnung bei einem Fahrzeug dieser Klasse. Liegt das Ziel außerhalb der Reichweite, plant das Navi automatische Ladepausen mit ein. In meinem Fall soll ich zwei Schnellladesäulen des Marktführers EnBW ansteuern. Das klappt gut, ist aber für eine 400 Kilometer lange Strecke arg vorsichtig gewählt. Die zweite Pause spare ich mir, komme aber trotzdem sicher am Ziel an. Kurios: Mehrfach findet das Navi eine Adresse nicht, die ich ihm per Sprachbefehl nenne – obwohl diese im Display korrekt angezeigt wird. Als ich die Adresse händisch eintippe, wird sie problemlos erkannt.
Schicker Innenraum, gute Ladeplanung
Der Stopp an der Schnellladesäule dauert knapp eine halbe Stunde. Der #3 lädt mit bis zu 150 Kilowatt, was ein guter Wert ist, der sich aber toppen lässt. Der deutlich teurere Kia EV6 kommt auf bis zu 240 Kilowatt, wodurch er von zehn auf 80 Prozent im Idealfall unter 20 Minuten braucht. Im Schwarzwald angekommen, meldet sich der Bordcomputer mit einer unangenehmen Nachricht: Druckverlust am hinteren Reifen. Zwar höre ich nichts zischen, und es handelt sich nur um 0,2 bar. Trotzdem gehe ich auf Nummer sicher und pumpe den Reifen an der nächsten Tankstelle auf. Als das Problem am nächsten Morgen erneut auftritt, steure ich die nächste Smart-Werkstatt an. Und wirklich: Im Wasserbad treten kleine Luftbläschen hervor. „Vermutlich ein Mini-Riss am Ventil“, informiert mich der Mechatroniker.
So endet die Testfahrt mit einem neuen Ventil und der Gewissheit, dass die Reifendruckanzeige funktioniert. Ankreiden würde ich dieses Erlebnis dem #3 nicht, denn es kann bei jedem Auto passieren. Insgesamt bleibt für mich ein überwiegend positiver Eindruck zurück: schicker Innenraum, hübsches Glasdach, gute Ladeplanung. Und erst recht das markante „Fadenkreuz“ im Head-up-Display! Lediglich der überfrachtete Startbildschirm und die fehleranfällige Verkehrsschilderkennung trüben den Eindruck.
Insgesamt befindet sich Smart mit dem #3 mindestens auf Augenhöhe mit VW, Kia, Ford & Co.; beim Preis liegt der Chinese vorne. Noch besser gefällt mir nur der Volvo EX30, der zum selben Mutterkonzern gehört wie Smart. Er nutzt recycelte Materialien, verzichtet auf jeglichen Schnickschnack – und fährt sich trotzdem gut.