Die rechtsextreme FPÖ ist erstmals die stärkste Kraft in Österreich
Das Ergebnis der österreichischen Parlamentswahl am Sonntag ist ein historischer Paukenschlag: Erstmals seit 1945 wurde eine rechtsextreme Partei zur stärksten Kraft im Land. Die FPÖ erzielte knapp 30 Prozent und hielt die konservative ÖVP und die sozialdemokratische SPÖ klar auf Distanz. Das ist umso bemerkenswerter, als die FPÖ nach der Ibiza-Affäre 2019 völlig am Boden lag.
Doch Parteichef Herbert Kickl gelang es, die Rechtsaußen-Gruppierung mit einem stark polarisierenden Kurs wieder aufzurichten. Er machte im Wahlkampf die strikte Begrenzung der Migration zum Hauptthema und stieß damit bei vielen Österreicherinnen und Österreichern auf große Resonanz. Die Absage von drei Taylor-Swift-Konzerten im August in Wien aufgrund von Terrorplänen mutmaßlicher IS-Anhänger haben das migrationsskeptische Grundgefühl in der Bevölkerung verstärkt.
Kickl, eine Art Alpen-Höcke, argumentiert ähnlich radikal wie der Thüringer AfD-Anführer. Er übernahm dessen Schlachtruf der „Remigration“ und forderte die massenhafte Abschiebung von Ausländern. Das beinhaltet den Stopp aller Asylgesuche aus Syrien, Afghanistan und Somalia. Darüber hinaus soll Menschen aus Nicht-EU-Ländern die Staatsbürgerschaft entzogen werden. „Remigration“ wird unter anderem auch von der Identitären Bewegung propagiert, die in Österreich als rechtsextrem eingestuft ist. Kickl macht mittlerweile keinen Hehl mehr aus seiner Nähe zu den Identitären.
Doch nicht nur das Thema Migration trug zum Erstarken der FPÖ bei. Auch Kickls Sturmlauf gegen die Teuerung (obwohl die Inflationsrate mittlerweile auf unter drei Prozent gesunken ist), die Hilfe für die Ukraine sowie seine Attacken gegen „die da oben“ und „das System“ verschafften seiner Partei Zustimmung.
Ähnlich wie die AfD verfügt die FPÖ über einen weiteren Trumpf: ihre Kommunikationsstrategie. Die Partei hat sich praktisch ein eigenes Medienhaus zugelegt. In den sozialen Netzwerken verbreitet sie ihr Narrativ über Millionen Interaktionen. Das auf Youtube ausgestrahlte FPÖ-TV hat rund 200.000 Abonnenten. „Keine andere Partei hat einen so direkten und umfangreichen Draht zu ihren Anhängern“, betont der österreichische Politik-Analyst Thomas Hofer.
Der Wahlsieg der FPÖ reiht sich ein in den Aufschwung der rechtspopulistischen Parteien in Europa. Egal ob in Frankreich, Italien, den Niederlanden oder zuletzt bei den AfD-Wahlerfolgen in Ostdeutschland: Das Schüren von Ressentiments gegen die „politischen Eliten“ treibt ihnen viele Frust- und Protestwähler zu.
Trotz des spektakulären Wahlsieges dürfte Kickls Traum vom „Volkskanzler“ nicht aufgehen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der den Regierungsauftrag erteilen muss, hat tiefe Vorbehalte gegen den FPÖ-Vorsitzenden. Es ist sogar fraglich, ob die FPÖ wie etwa in den Jahren 2000 und 2017 ins Kabinett kommt. Kanzler Karl Nehammer von der zweitplatzierten ÖVP ist zwar offen für eine Koalition mit der FPÖ – aber nicht unter Beteiligung von deren Frontmann Kickl. Eine derartige Liaison wäre also nur möglich, wenn Kickl der Regierung fernbleibt. Für einen Machtpolitiker wie ihn ist das eher unwahrscheinlich.
Alle anderen Parteien außer der ÖVP haben ein Bündnis mit den Ultrarechten ausgeschlossen. Am plausibelsten ist eine Allianz zwischen der ÖVP, der SPÖ und vermutlich den liberalen Neos. Eine derartige Dreier-Konstellation wäre jedoch kompliziert. Die SPÖ ist unter ihrem Parteichef Andreas Babler weit nach links gerückt. Das lässt sich an Forderungen wie der Einführung der Vermögensteuer oder der 32-Stunden-Woche ablesen. Mit der konservativen ÖVP wäre das kaum zu machen.
Koalitionen mit hohem Reibungs-Potenzial – das Ampel-Chaos in Deutschland spricht Bände – sind nach dem Gusto der Rechtspopulisten. „Seht her, die kriegen es nicht hin. Wählt uns, wir liefern euch die einfachen Rezepte!“, lautet ihre Devise. Bei der AfD in Ostdeutschland hat das Drehbuch funktioniert.
Doch bereits heute hat die FPÖ Einfluss auf die Regierung. Unter Kanzler Nehammer hat die ÖVP in der Migrationspolitik ihre Gangart verschärft. Genau das entspricht der Taktik der Rechtspopulisten: Sie versuchen, die etablierten Parteien vor allem beim Thema Asyl und Einwanderung vor sich her zu treiben. Sie wollen regieren, auch wenn sie nicht regieren.