Sie soll das künftige Herzstück der nachhaltigen Verkehrswende in Deutschland werden: die Deutsche Bahn. Lange wurde sie gerade im Westen mehr als stiefmütterlich behandelt. Nach fast 30 Jahren erfreut sich die Schiene jedoch nun neuer Aufmerksamkeit.
Im Bahnvorstand trauten die Mitglieder anfangs ihren Ohren nicht. In den kommenden drei Jahren sind für das Unternehmen 55 Milliarden Euro für Betrieb, Erhaltung und Sanierung vorgesehen. Ab 1. Januar bis Ende Dezember 2027 also über 18 Milliarden Euro pro Jahr. Was das Ganze noch unglaublicher machte: Ausgerechnet FDP-Verkehrsminister Volker Wissing soll sich nach eigenen Aussagen im Bundeskabinett für die Bahn ins Zeug gelegt haben. Ein Mann des Autos entdeckt sein Herz für die schienengebundene Fortbewegung. Seine sechs Vorgänger seit 2002, die letzten vier von der CSU sowie davor zwei von der SPD, hatten für die Bahn nur wenig übrig.
Mehr Geld und Planungssicherheit
Nun plötzlich 55 Milliarden Euro auf einen Schlag. „So viel Geld hatte die Bahn noch nie, und sie hat jetzt drei Jahre Planungssicherheit“, freut sich selbst der Vorsitzende der Allianz pro Schiene, Dirk Flege. Sein Verein ist dafür bekannt, gerade bei solchen Ankündigungen sehr genau hinzuschauen, ob die Geschichte nicht doch einen Haken hat, aber auch die kritischen Schienenfreunde fanden bislang keinen. Einzig die Frage, wie es nach 2027 finanziell weitergeht, ist offen.
Das Konzept der Bahn AG einer Generalsanierung von Schiene, Signalanlagen und Stellwerken ist bis 2031 für 41 Strecken ausgelegt. Bis zum durchfinanzierten Ende fehlen also noch drei Jahre und damit vermutlich mindestens noch einmal eine solche Summe, eher mehr. Doch die Baukosten könnten in den kommenden Jahren steigen. Monatelang wurde im Verkehrsausschuss des Bundestages über ein Sondervermögen Bahn für die Sanierung diskutiert, ähnlich wie bei der Bundeswehr. Auch wenn der liberale Verkehrsminister sein Herz für die Bahn entdeckt hat – sein Parteifreund, FDP-Bundesfinanzminister Christian Lindner, lehnte ab. Mehr Milliarden potenzieren die ohnehin monumentale Aufgabe der Bahn. Baufirmen müssen gefunden werden, die die plötzliche Auftragsflut überhaupt abarbeiten können, und die Bahn kann nicht einfach alle Hauptstrecken dichtmachen, um Gleise und Signale gleichzeitig zu erneuern.
Digitalisierung verschoben
Und: Es gibt doch einen Haken. Signale sowie Stellwerke sollten im Zuge der Generalsanierung digitalisiert werden, so die Pläne. Aufgrund des Ausmaßes des gesamten Sanierungsstaus aber soll diese Digitalisierung nun eine nachrangige Priorität haben. Notwendige Erneuerungen erfolgen mit herkömmlicher Elektronik, das neue digitale europäische Zugsicherungssystem ETCS wird deutlich weniger stark zum Einsatz kommen. Mit dem ETCS soll der gesamte europäische Schienenverkehr harmonisiert, besser aufeinander abgestimmt werden. Der Vorteil: Kann derzeit zwischen zwei Hauptsignalen nur ein Zug fahren, können es zukünftig bis zu drei sein, je nach Länge des Streckenabschnitts. Das würde heißen, nach der Generalsanierung könnte sich der Verkehr mindestens verdoppeln. Das könnte die Kapazitäten deutlich erhöhen und Anschlüsse über EU-Binnengrenzen hinaus verbessern.
Erhöhte Kapazität auf der Schiene, wie mit dem ETCS flächendeckend geplant, wird es seitens Deutschland aus Kostengründen also erst einmal nicht geben. Die Bahn als Triebfeder der Verkehrswende, mehr Frachtkapazität weg von der Straße und auf die Schiene, das funktioniert jedoch am effizientesten mit digitaler Signaltechnik.
Eine der meistbefahrenen Strecken, die Riedbahn zwischen Frankfurt am Main und Mannheim, ist der erste große Streckenabschnitt, der erneuert wird. Die Arbeiten liegen im Zeitplan, im Dezember sollen hier wieder Züge rollen. Verspätungen aber werden in den kommenden Jahren wohl noch erhalten bleiben und zwischen den aktuellen Bauabschnitten eher mehr werden.