In der „Noumì-Lounge“ in Friedenau gibt es nicht nur fancy Drinks, sondern auch lauter panasiatische Köstlichkeiten. Dort haben der Gründer Tuyen Pham und seine Geschwister auch die Nudeln neu interpretiert.
Der Oktober in Berlin kann launisch sein. An einem Tag ist er großzügig und knipst goldenes Herbstlicht an. Und am nächsten Tag kleidet er den Himmel in stumpfes Mausgrau. Möglicherweise auch am Tag danach und am darauffolgenden Tag. Spätestens ab November wird der Grauschleier über der Stadt chronisch. Bis zum nächsten Frühjahr. Inmitten der Herbstmalaise können Exkursionen in andere und vor allem in buntere Welten kleine Wunder bewirken. Eine solche Flucht ermöglichte uns kürzlich die „Noumì-Lounge“, die mit vietnamesisch inspirierten Speisen und fancy Drinks aufwartet. Dort kann man in eine andere Welt eintauchen und das Alltagsgrau vergessen. Das charmante Interieur wird von Grün-, Blau- und Goldtönen bestimmt, und auf den Tellern wird es dann richtig bunt. Doch dazu später mehr.
Die „Noumì-Lounge“ befindet sich im ehemaligen „Hotel Klee“ direkt am Friedrich-Wilhelm Platz im gutbürgerlichen Friedenau. Es ist einer der letzten Spätsommertage bei tropischen Temperaturen, als wir die Location zum ersten Mal besuchen und wettergemäß draußen auf der einladenden Terrasse Platz nehmen. Wir nippen an hausgemachten Limonaden und Eistees, die hervorragend zum Wetter passen. Der „Cucumber Cooler“ mit Gurke und Limette ist sehr erfrischend. Mein persönlicher Favorit an diesem Nachmittag ist „Basil Mule“, jene süß-scharfe Ingwer-Limonade mit Basilikum, die ich schon von meinem Besuch im „Umami“ her kenne. Was ich noch nicht kannte, ist der „Bless Wasabi Sour“ – ein Gin-Cocktail, der ordentlich scharf ist, dank des Meerrettichs.
Während wir an unseren Drinks nippen, fallen mir die Bambusleuchten und ein Baldachindach aus ecrufarbenem Stoff ins Auge. Wie ein Segel flattert es dezent bei der leichter Brise. Gefühlsmäßig ließe sich von hier aus gleich weiter nach Hanoi oder zur Halong Bay schippern. Die Segel in Richtung Indochina sind schon gesetzt. Zumindest gedanklich.
Mondän geht es im Inneren der 2022 eröffneten „Noumì-Lounge“ zu: Die großzügig geschnittenen Räume mit Stofftapeten, Marmortischen, samtbezogenen Stühlen und Bänken sowie stilvollen Leuchten vermitteln stylish-elegantes Flair. Ein Retro-Radio, ein analoger Fotoapparat und ein Klavier wehen den Wind früherer Zeiten hinein, als Vietnam noch unter französischer Kolonialherrschaft stand. Reminiszenzen an frühere Jahrhunderte vermittelt auch das gemütliche Kaminzimmer im hinteren Teil, das Interessenten auch für private Veranstaltungen wie etwa Geburtstagsfeiern oder Firmen-Events mieten können. Auch das Piano ist nicht nur Dekoration. In den kälteren Monaten sollen in der Lounge regelmäßige Jazz-Konzerte stattfinden, erzählt mir die Pressesprecherin bei einem Rundgang durch die schmucke Location.
Name ist Neuschöpfung aus zwei Sprachen
Die Lounge im Südwesten der Stadt ist der neueste Sproß des „Umami“-Imperiums. Sein Gründer Tuyen Pham feierte erst vor wenigen Monaten das zehnjährige Jubiläum seines ersten Restaurants. Der Gastronomie-Unternehmer kam als 14-Jähriger von Vietnam nach Deutschland und wurde in Berlin von einer deutschen Pflegefamilie aufgenommen. Tuyen Pham war sehr fleißig und ambitioniert. Neben der Schule arbeitetet er zunächst als Tellerwäscher und später als Barkeeper – und an seinem Traum, einmal ein eigenes Lokal zu eröffnen. 2014 war es dann soweit, und auf das „Umami“ in Prenzlauer Berg folgten weitere Standorte in der Spree-Metropole. Nach und nach holte der Wahl-Berliner seine Brüder und seine Schwester Bien Nguyen ins Geschäft. Später rief der Familienunternehmer auch das „Bless“ und das „Noumì“ an der Jägerstraße in Mitte ins Leben und vor zwei Jahren dann die „Noumì-Lounge“.
„Wir sind begeistert von der positiven Resonanz auf unser zweites Noumì und freuen uns, unseren Gästen noch mehr Möglichkeiten zu bieten, unsere kreativen Nudelgerichte in einem einzigartigen Ambiente zu genießen“, sagt Tuyen Pham. Wir besuchen das „Noumì“ ein weiteres Mal und wollen wissen, was es mit der Neuinterpretation der Pasta auf sich hat. Schließlich ist schon der Name des Restaurants Programm: „Noumì“ ist eine Wortneuschöpfung aus dem Französischen und dem Vietnamesischen, ein Kofferwort, zusammengesetzt aus „Nou“ von den französischen „Nouilles“ und dem vietnamesisch „Mì“. Beides heißt übersetzt so viel wie Nudeln.
Eigentlich kennt man Nudeln in vietnamesischen Restaurants als Bestandteil der traditionellen Pho-Suppe. Dort werden sie mit aromatischen Brühen und vielen frischen Zutaten zubereitet. Doch die Geschwister Bien und Tuyen Bien sind kreative Köpfe mit langjähriger gastronomischer Erfahrung und haben ihren selbst gemachten Nudeln einen ganz neuen Touch verliehen: Ob als Vermicelli oder als glutenfreie Klebreisnudeln – die beliebte Sättigungsbeilage brilliert in Friedenau durch eigene Farben und Geschmacksnuancen. Pink Mì nennen sich die mit Roter Bete gefärbten Teile, während die grünen Fresh Mì Spinat beinhalten. Weitere Varianten der Farbpalette sind Kurkuma- und Tintenfischnudeln.
Zum Kaffee gibt’s Kuchen à la Indochine
Bevor wir uns dem nudeligen Vergnügen hingeben, beginnen wir mit ein paar Appetizern mit Gemüsigem aus Südostasien. Dazu zählt allerlei Veganes wie etwa frittierte Taro-Reiskuchen-Dreiecke mit gehacktem Seitan an einem Soja-Honig-Dip sowie frischer Koriander und Kimchi.
Fleischfrei und sehr lecker sind auch gold gebackene Tofu-Würfel ummantelt von Kokosnussflocken an hausgemachtem Coleslaw. „Crunchy und leicht spicy“, befindet der begleitende Fotograf. Völlig begeistert sind wir beide auch von den gebackenen Portobello-Pilzen mit gerösteten Zwiebeln an hausgemachter Chili-Mayo-Sauce. „Die Pilze schmecken wie Fleisch“, meint der Fotograf sichtlich positiv überrascht. Auf unseren „Veggie for 2“-Tellerchen befinden sich auch gedämpfte Dumplings mit Gemüsefüllung.
Sowohl pflanzlich als auch fleischig geht es bei unserem Hauptgang zu. Wir probieren uns quer durch die Karte: Teller und Schüsseln mit Fisch, Fleisch und veganen Leckereien. Der begleitende Fotograf nimmt mit Curry Canard vorlieb, findet die Kreation aus Ente, kurkumagelben Vermicelli und Kürbis allerdings eine Spur „zu süßlich“, wie er sagt. Uns beiden munden die schwarzen Trüffelnudeln mit Entrecôte-Streifen und Gemüse am meisten. Aber auch das vegane „Pesto de Seitan“ überrascht durch den sehr umami schmeckenden Fleischersatz, gepaart mit Brokkoli, knackigen Edamame und aromaintensiven Vermicelli.
Am Ende beschließen wir unsere Exkursion ganz klassisch mit Kaffee und Kuchen à la Indochine: Während der aromatische Cà Phê noch meditativ aus dem Blechfilter in die süße Kondensmilch tropft, naschen wir schon mal an den hausgemachten Tortenstückchen. Der Matcha Cheesecake und Madame Rosé sind alles andere als graue Mäuse unter den süßen Leckereien. Ersterer bezirzt durch die grüne Farbe seines edlen Teepulvers, während die geschichtete Erdbeer-Crêpe-Torte als rosaroter Augenschmaus mit uns kokettiert. Mir hat es vor allem der grüne Käsekuchen angetan. Der besondere Twist ist Mascarpone-Creme gebettet auf einem Biskuitboden aus Oreo-Kekskrümeln. Ich erfahre, dass es Bien Nguyen war – die einzige Schwester in dem Familienunternehmen –, die ihn erfunden hat. „Wunderbar“, denke ich, „diese Frau versteht mich“, und ich nehme noch einen letzten Happen.