Die Umstrukturierung der Führung bei Viktoria Berlin sorgt für Skepsis bezüglich ihrer Motive – und der Zukunft des Vereins.
Zeitpunkt und Inhalt der Mitteilung vom 27. August sorgten für einige Fragezeichen – da gab Viktoria Berlin bekannt, dass sowohl Geschäftsführer Rocco Teichmann als auch Sportdirektor Bernd Nehrig schon zum Monatsletzten aus ihren Ämtern scheiden. Teichmann und der Regionalligist hatten dabei sogar gerade erst vor Saisonbeginn die Fortführung der Zusammenarbeit vereinbart – Mitte Juni hieß es zu der Personalie noch: „Rocco Teichmann wird seine erfolgreiche Arbeit als Geschäftsführer des FC Viktoria 1889 Berlin fortsetzen und hat seinen Vertrag bis zum 30. Juni 2026 verlängert.“
Teichmann war das Gesicht des Clubs
Ein Punkt mehr, der dafür spricht, dass sich in der Kürze der Zeit die Zusammenarbeit mit Hauptgesellschafter Zeljko Karajica und seiner Sports Entertainment Holding (SEH) deutlich eingetrübt haben muss. Zunächst jedoch war die Sprachregelung dergestalt, dass man sich auf lobende Worte beschränkte. „Unser Dank gilt Rocco Teichmann und Bernd Nehrig für ihren großen Einsatz und ihre Arbeit für Viktoria Berlin in den zurückliegenden Jahren, auf die wir nun in der neuen Konstellation aufbauen und gemeinsam voller Leidenschaft anpacken werden, um den Verein in allen Bereichen weiterzuentwickeln“, ließ sich Karajica zitieren. Geschäftsführer Teichmann, der durch seine lange Arbeit für die Himmelblauen erst als Sportdirektor, dann sportlicher Leiter und schließlich Sportvorstand zum Gesicht des Vereins respektive der ausgegliederten KGaA wurde, wählte noch einmal emotionale Worte: „Nach achteinhalb intensiven und spannenden Jahren ist es nun an der Zeit, Abschied zu nehmen. Von Herzen möchte ich mich bei allen bedanken, die mich auf diesem Weg begleitet haben. Diese Zeit war mehr als nur eine berufliche Station – sie war eine besondere Reise, geprägt von gemeinsamen Herausforderungen, Erfolgen und wertvollen Erfahrungen. Es war mir eine große Ehre, Teil der himmelblauen Familie zu sein.“
Der inzwischen 38-Jährige hatte den Verein dabei 2019 erfolgreich durch ein Insolvenzverfahren geführt – zentraler Baustein der Rettung war dabei das Finden eines neuen Geldgebers, und das war Karajicas SEH. Ein Glücksfall für Viktoria und Teichmann zu dem Zeitpunkt, versprach der Hamburger Investor zwar nicht so viel Kapital wie der zuvor säumige Finanzier aus China, dafür aber Zuverlässigkeit.
Der Sohn kroatischer Einwanderer schloss Mitte der 90er Jahre unter anderem sein Studium zum Diplom-Volkswirt ab, wurde später Geschäftsführer etwa bei DSF und Sport 1 sowie ProSiebenSat.1, gründete dort als CEO die Sportbusiness Unit 7Sports GmbH (unter anderem „ran“-Formate) – ehe er 2016 mit seinem Bruder Tomislav seine eigene Gesellschaft, die SEH, gründete. Dort war und ist er in verschiedenen Bereichen des Sports als Investor tätig: Aktuell sind hier etwa die European Football League (ELF) zu nennen sowie neben Viktoria noch die Fußball-Erstligisten Austria Klagenfurt (Österreich) und HNK Sibenik (Kroatien). Den Berlinern verschaffte der Einstieg Karajicas gewissermaßen einen Kickstart – raus aus der Insolvenz noch im Winter 2019 hin zum Aufstieg in die Dritte Liga im Sommer 2021. Trotz eines furiosen Starts musste dort am Ende der Spielzeit jedoch der Abstieg hingenommen werden – die Einsicht, dass der Profifußball am Standort Berlin-Lichterfelde allein schon von der Infrastruktur kaum zu bewältigen ist, bewog die Verantwortlichen um Gesellschafter Karajica dann zu einem Schnitt.
Wieviel investiert der Investor?
Auf der Basis des Vereins mit der größten Jugendabteilung in Deutschland sollte Viktorias Profimannschaft ein reines Ausbildungsteam werden. Entsprechend hoch ist die Fluktuation im Team, allein zwischen den drei SEH-Klubs wird quasi eine Rotation praktiziert, um den Talenten Einsatzzeiten auf dem ihnen entsprechenden, aktuellen Leistungslevel anbieten zu können. Wo bei dieser Verfahrensweise allerdings der Fortschritt für den Verein selbst beziehungsweise die perspektivische Entwicklung seiner eigenen Mannschaft liegt, erschließt sich für Außenstehende nicht unbedingt. Unter diesen Umständen war der dritte Platz zum Ende der vergangenen Saison in der Regionalliga Nordost jedenfalls beinahe schon eine Sensation. Erneut aber verließen die besten Spieler die Himmelblauen – und auch Trainer Semih Keskin suchte beim Berliner Ligakonkurrenten VSG Altglienicke eine neue Herausforderung. Umso erstaunlicher, dass man mit Dennis Kutrieb einen neuen Trainer für die Aufgabe gewinnen konnte, der zwar auch schon im Nachwuchsfußball tätig war – zuletzt aber fast vier Jahre im unterklassigen englischen Profifußball gearbeitet hat. Trotz einer ordentlichen Startbilanz von elf Punkten aus acht Ligaspielen mussten die Berliner dann aber nur drei Wochen nach dem Ausscheiden von Teichmann und Nehrig auch vermelden, dass man sich mit dem neuen Coach auf eine von ihm gewünschte Vertragsauflösung geeinigt hat. Vielleicht auch eine Reaktion auf mittlerweile neue Statements der beiden bisherigen sportlich Verantwortlichen. So tätigte Rocco Teichmann gegenüber der „Berliner Morgenpost“ die nachdenklich stimmende Aussage: „Um auf diesem Niveau hauptamtlich Fußball anzubieten, brauchst Du einen stabilen Partner – das ist die SEH in meinen Augen rein wirtschaftlich nicht.“ Laut der „Fußball-Woche“ fand auch Bernd Nehrig Worte („Wir haben es als Club nicht geschafft, professionell zu arbeiten“), die für die Zukunft Viktorias Fragen aufwerfen. Doch davon will der Chef des Hauptgesellschafters nichts wissen: „Wir haben und werden unsere Gehälter und Außenstände bezahlen. Das einzige, was ich sage, ist, dass wir uns strategisch neu aufgestellt haben“, so Zeljko Karajica, der nun selbst die Geschäftsführung übernimmt. Die sportliche Leitung teilen sich vorerst bis zum Ende des Jahres Massoud Khaleqi, ein Vertrauter Karajicas aus der SEH-Führungsetage, sowie mit dem Immobilienunternehmer Henry Berg ein langjähriger Partner des Vereins. Die geplante Premiere des neuen Trainers Lucio Geral, der im Sommer als Assistent Kutriebs bei Viktoria angetreten war, musste unterdessen vor 14 Tagen abgesagt werden – Gegner FSV Zwickau stand im Stau. Es passt irgendwie ins Bild.