Der 1. FC Saarbrücken kommt bei Energie Cottbus mit 1:4 unter die Räder. Vor dem Heimspiel gegen Arminia Bielefeld ist der Druck nun wieder einmal enorm.
Normalerweise gehört es beim Fußball zum guten Ton, dass sich ein Trainer nicht über einen gegnerischen Verein äußert. Ein meinungsstarker Typ wie Cottbus-Coach Claus-Dieter Wollitz macht da gerne mal eine Ausnahme. Schon während der Pressekonferenz vor dem Heimspiel gegen den 1. FC Saarbrücken brach der 59-Jährige eine Lanze für seinen Saarbrücker Kollegen Rüdiger Ziehl. „Er erreicht das Halbfinale im DFB-Pokal. Das hat Körner gekostet. Und dennoch spielt man in der Liga bis zwei Spieltage vor Schluss um den Aufstieg mit. Das ist eine fantastische Leistung. Und dann gibt es beim jedem Heimspiel Trainer-Raus-Rufe“, wunderte sich „Pele“. Nach dem 4:1-Sieg gegen den FCS sprang er dann dem frustrierten Ziehl noch einmal zur Seite: „Rüdiger hat in Saarbrücken nachweislich gute Arbeit geleistet, die Rufe kann ich nicht nachvollziehen. Aber das sind die Eigenarten von Traditionsvereinen.“ Der angesprochene Ziehl saß mit versteinerter Mine nebendran und mochte sich mit den Turbulenzen in der Heimat nicht sonderlich auseinandersetzen. „Ich kann die Menschen nicht beeinflussen. Das Einzige, was wir beeinflussen können, ist, dass wir versuchen, möglichst viele Spiele zu gewinnen.“ Nach zwei Siegen in Hannover und zu Hause gegen Viktoria Köln schien sich die Stimmung ein wenig beruhigt zu haben. Die zur Viererkette umfunktionierte Abwehrreihe funktionierte wesentlich besser als die zuvor vom verletzten Kapitän Manuel Zeitz organisierte Dreierkette. Nach sieben Spieltagen hatte der FCS die beste Defensive der Liga. Und nun der Aussetzer von Cottbus. „Das Spiel müssen wir ganz schnell abhaken. Wenn Du Dir die ersten zwei Tore selbst reinmachst, dann wird es schwer zu gewinnen. Der Gegner hat einen Lauf, irgendwann war jeder enge Ball auf ihrer Seite“, sagte Verteidiger Calogero Rizzuto. Trainer Ziehl hatte noch eine andere Erklärung: „Wir wollten nicht, dass es ein wildes Spiel wird. Aber wir haben es zu einem gemacht.“
Wollitz wundert sich über FCS-Umfeld
Vielleicht wäre alles anderes gekommen, wenn der schwache Schiedsrichter Mario Hildenbrand nach elf Minuten auf den Elfmeter-Punkt gezeigt hätte, als Richard Neudecker beim Torschuss regelwidrig gehindert wurde. Doch das erste Gegentor verursachte der FCS selbst. Dominik Becker und Torwart Philipp Menzel behinderten sich nach einem langen Ball gegenseitig. Der Ex-Lauterer Timmy Thiele bedankte sich mit dem ersten von vier Treffern. Beim zweiten Gegentor sah Menzel abermals nicht gut aus, wollte aber ein Foul gesehen haben. Die TV-Bilder geben hier allerdings eher dem Schiri Recht. Der eingewechselte Tim Civeja verkürzte noch vor dem Halbzeitpfiff und wenn Cottbus Torwart Elias Bethke nicht sein ganzes Können aufgeboten hätte, hätte Kasim Rabihic nur 30 Sekunden später den Ausgleich erzielt. „Das Spiel war enger als es das Ergebnis vermuten lässt“, sagte Wollitz.
In der zweiten Halbzeit wurde es dann turbulent. Der FCS versucht nach vorne viel, die zentralen Mittelfeldspieler Neudecker und Civeja vernachlässigten den Rückwärtsgang derart, dass phasenweise im Minutentakt Angriffe auf die Saarbrücker Abwehrkette zurollten. Bis zur 70. Minute hätten die Gastgeber sieben oder acht Tore geschossen haben können. Mehrfach rettete Menzel und einige Male hatte der FCS die Möglichkeit, ins Spiel zurück zu kommen. Doch im Angriff fehlte die letzte Konsequenz. „Am Ende hatten wir wieder viele verletzte oder angeschlagenen Spieler. Da hat nichts mehr gestimmt“, bilanzierte Rizzuto die Schlussviertelstunde, in der Cottbus noch zweimal traf. Dominik Becker humpelte mit Leistenproblemen vom Feld, die Blau-Schwarzen brachten die Partie in Unterzahl zu Ende.
Viele Offensiv-Spieler ohne Selbstvertrauen
Vor dem Heimspiel gegen Arminia Bielefeld ist die personelle Lage in der Innenverteidigung wieder einmal ausgedünnt. Bjarne Thoelke, Manuel Zeitz und Sven Sonnenberg fehlen sicher bis nach der Länderspielpause. Becker möglicherweise auch. Die englische Woche mit weiten Reisen hat Kraft gekostet. Die sportliche Leitung hatte darauf verzichtet, die Reise nach Cottbus mit einem Charter-Flugzeug anzutreten. Die reguläre Linie Saarbrücken – Berlin war aufgrund des Hauptstadt-Marathons bereits seit Monaten ausgebucht. Ein eigenes Flugzeug zu mieten, was im Profifußball immer wieder kontrovers diskutiert wird, erschien den Verantwortlichen nicht angebracht. Die Mannschaft hätte sich etwas anderes gewünscht. Nach acht Spieltagen lässt sich feststellen, dass die neuformierte Truppe gute Ansätze hat, aber nicht homogen wirkt. Das „kollektive Untergehen“ in der Schlussphase von Cottbus sollte ein Alarmzeichen sein.
Die dauerhaften Wehwehchen des als Schlüsselspielers geholten Sebastian Vasiliadis, der in Cottbus abermals vorzeitig vom Feld musste, verschärfen die personellen Probleme. In der Offensive wollte Ziehl die Problematik mit dem Überangebot damit lösen, dass alle Spieler irgendwann Spielzeit bekommen.
Manchmal wirkt es aber, als würden dadurch Automatismen fehlen. Zufriedenheit stellt sich so nicht ein. Der Saarbrücker Fußball-Herbst ist wieder einmal stürmisch. Aber das ist auch nichts Neues.