Tango und Salsa haben längst in der ganzen Welt Einzug gehalten. Aber wer kennt schon den vals criollo, den peruanischen Walzer? Anders als sein europäischer Bruder wird er meist gesungen, behandelt volkstümliche Themen und wird von Gitarren und Cajón, einem Schlaginstrument aus Holz, begleitet. Mario Vargas Llosa hat ihm ein Denkmal gesetzt.
Im Mittelpunkt des Romans „Die große Versuchung“ steht Toño Azpilcueta, ein Schreiberling, der sich in einem Armenviertel von Lima mit Artikeln über peruanische Musik durchschlägt. Nachdem er ein Konzert des Gitarristen Lalo Molfino, eines Ausnahmetalents hört, schlägt seine Begeisterung geradezu in Besessenheit um. Er nimmt sich vor, ein Buch über den Musiker zu verfassen. Dabei weitet er das Thema immer mehr aus und schreibt allgemein über peruanische Folklore und die Geschichte Perus. Seine These, dass der peruanische Walzer den gesellschaftlichen Kitt des von Terrorismus geplagten und gespaltenen Landes darstellen sollte – das Buch spielt in den 1990er Jahren –, hat zunächst Erfolg. Doch in den folgenden Buchausgaben versteigt sich der Autor in immer kühnere Visionen seines Landes und wird selbst immer verrückter. Dass der 88-jährige Literaturnobelpreisträger seinen – angeblich – letzten Roman seiner Heimat Peru widmet, ist wohl kein Zufall. Mit seiner Hommage an den peruanischen Walzer will er seinen Landsleuten auch vor Augen halten, was sie ihm selbst, dem Erfolgsautor, zu verdanken haben.
Die Romanhandlung mit Liebeleien und Schilderungen aus dem Alltag in Lima, in die Kapitel über die Geschichte der Volksmusik und einstige Stars wie Oscar Avilés eingebettet sind, liest sich durchaus vergnüglich. Doch mit der Virtuosität früherer Romane kann Vargas Llosa nicht mithalten. Immerhin ist das 300 Seiten starke Buch in der deutschen Übersetzung von Thomas Brovot eine unterhaltsame Lektüre, die einem mit einer weniger bekannten Seite des südamerikanischen Landes vertraut macht.