Die HomBuch findet unter dem Motto „Besondere Begegnungen“ statt. In ihrem Buch „Zeit der Zäune“ geht Katja Riemann der Frage nach, wie Menschen in offiziellen Camps, inoffiziellen Dschungeln, im Warten und der Ungewissheit leben. Bald kommt sie nach Homburg.
Als „große Metallgebisse, die in der Landschaft stehen und Schönheit und Lebendigkeit verschlingen“ beschreibt Katja Riemann die Zäune in ihrem aktuellen Buch. Sie wolle eine Alternative anbieten zu den Bildern, die von oben herab auf Geflüchtetenlager aufgenommen werden, die weiße Zelte von Hilfsorganisationen zeigen. Nähe statt Distanz, persönliche Begegnungen statt offizieller Berichte, Erlebnisse statt Nachrichten. „Ich spreche mit Menschen statt über sie“, betont Riemann im Vorwort zu „Zeit der Zäune“.
Fast drei Jahre ist sie immer wieder alleine an die „Schmerzpunkte der Welt“ gereist, nicht, um über Rat- und Lösungsvorschläge für die Flüchtlingskrise zu schreiben, sondern über das Interim, wo Menschen im Warten und in Ungewissheit leben. Vor Ort begleitet sie Projekte von Filmschaffenden, Theaterleuten, Traumatologinnen, Ärzten, Köchen und anderen. Eine Vielzahl an Erlebnissen. „Es ist komplizierter, differenzierter und vulnerabler als man denkt“, nimmt sie ihr Fazit vorweg.
Erlebnisse statt Nachrichten
Die erste Reise führt die Autorin ins griechische Flüchtlingslager Moria. Obwohl sie auf Fotografien und Grafiken verzichtet, entstehen beim Lesen Bilder von dem offiziellen Camp und dem innoffiziellen Dschungel, von dem es umgeben ist. Kleine Hütten, aus denen Eier oder Zigaretten – „auch einzeln“ – verkauft werden, eine Bäckerstraße mit behelfsmäßigen Öfen, die mit Schaufeln in den harten Geröllboden geschlagen wurden, Rinnen, die Abwasser aller Art mit sich führen, Toilettenwagen, die unangenehme Gerüche verbreiten, eine Zeltschule, in deren drei Klassenräumen 2.400 Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden. Tagsüber Chaos und Tumult als ein Minister das Lager besucht, abends Gastfreundschaft und Alltagsgespräche bei einer afghanischen Flüchtlingsfamilie sowie die Erkenntnis: „Wir wurden beschenkt von Menschen, die alles verloren haben. Scham und Ohnmacht reichen sich die Hand.“ Zwei Wochen später zerstörte ein Großbrand Moria.
Katja Riemann trifft geflüchtete Jesiden in der Autonomen Region Kurdistan im Norden des Iraks und Migranten in den spanischen Enklaven Melilla und Ceuta in Nordafrika. Mit der Soziologin und Globalisierungsexpertin Professor Teresa Koloma Beck sprach sie über Gewalt, mit Katharina Lumpp, Vertreterin des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) in Deutschland, über die Arbeit der Organisation, die die derzeitige Anzahl von Geflüchteten weltweit mit über 100 Millionen beziffert. Beide Gespräche sind ebenso in dem Buch zu lesen wie ein emotionaler Brief, den Riemann an ihre vor über 20 Jahren verstorbene Mutter geschrieben hat. Darin berichtet sie von dem Puppenspielprojekt „Walk with Amal“, das den Weg eines unbegleiteten syrischen Flüchtlingsmädchens durch Europa nachvollzieht. Während dessen 8.000 Kilometer langer Reise durch acht Länder und über 70 Städte und Gemeinden in der Türkei und Europa begegnete die Autorin Amal zweimal und fühlte sich bewegt von der Empathie der Menschen, die die dreieinhalb Meter große animierte Puppe mit Jubel und Musik empfingen. Erlebnisse, die Hoffnung machen – wie so viele in „Zeit der Zäune“.