Auf einen Restaurantbesuch sollte man sich gut vorbereiten!
Wenn wir Menschen nicht an irgendetwas leiden, fehlt uns was! Beispielsweise leiden heute überwiegend junge Zeitgenossen laut einer britischen Studie immer öfter unter einer „Speisekarten-Angst“: Sie bekommen Schweißausbrüche, wenn sie im Lokal etwas bestellen sollen. Angeblich löst bei ihnen der Anblick der Menükarte statt erhöhtem Speichelfluss puren Stress aus, weil die spontane Vor-Ort-Entscheidung die Internet-Generation offensichtlich überfordert. Sie ist es eben gewohnt, sich zu Hause am PC erst mal einen Überblick über alle Angebote zu verschaffen, in Ruhe zehnmal hin und her zu überlegen und erst dann ihre Entscheidung zu treffen. Ist das Bestellte dann geliefert, kann man ungestört alles sorgsam prüfen – und notfalls kostenlos zurückschicken. Diesen Service bietet das Restaurant in aller Regel nicht.
Eine solche Speisekarten-Angst ist bei uns bisher noch nicht zu verspüren, auch weil wir uns durch Internet-Recherche intensiv auf einen Restaurantbesuch vorbereiten. Längst haben auch wir mitbekommen, dass man sich zum Genießen nicht einfach so an den Tisch setzen und spontan von einer vorher unbekannten Speisekarte irgendwelche Köstlichkeiten bestellen kann. Da muss man sich im Vorfeld schon von Experten einstimmen lassen.
So haben wir beispielsweise kürzlich im Internet über das Personal eines Lokals gelesen, dass es unfreundlich, gelangweilt und extrem langsam sei. Bei unserem Besuch dort begegneten uns aber alle sehr höflich, aufmerksam und erkundigten sich sogar bei der Begrüßung nach unserem Wohlbefinden. Natürlich ahnten wir sofort, dass man uns hier mit billigen Floskeln zu einer späteren positiven Internet-Bewertung drängen wollte. Von solch plumpen Anbiederungsversuchen bleiben wir jedoch unbeeindruckt, um uns voll auf unsere Kompetenz bei der Gastronomie-Begutachtung konzentrieren zu können.
Von Online-Urteilen anderer Leute mit zweifelhafter Eignung lassen wir uns ohnehin nicht beeinflussen. Zumal man über dasselbe Lokal lesen kann, dass es eine „total überschätzte Küche“ und eine „einfallslose Menü-Zusammenstellung“ hat, von anderen Juroren aber gerade dessen fantastische Kreativität und die „total spannende Speisenfolge“ in höchsten Tönen gelobt werden. Natürlich durchschauen wir, dass die negative Bewertung einem konkurrierenden Lokalbesitzer zuzuordnen ist und die positive Kritik von guten Freunden des Küchenchefs stammt, die mit Sicherheit bei ihm kostenlos speisen dürfen.
Ein anderes Mal konnten wir dem Internet entnehmen, dass in einem gegoogelten Lokal die Steaks üblicherweise zäh sind. Bei unserem Besuch dort waren wir dann ausschließlich darauf bedacht, die Qualität des Fleisches genau zu prüfen und die im Internet angekündigte „gummiartige Konsistenz“ zu verifizieren. Leider waren wir mit unserer Expertise so beschäftigt, dass wir unseren Teller geleert haben, ohne hinterher etwas über den Geschmack des Steaks und seiner Beilagen aussagen zu können: In unserem kritischen Eifer hatten wir glatt vergessen, hinzuschmecken.
Ganz wichtig ist uns beim Gastronomiebesuch auch, dass ein guter Tropfen unsere Speisen begleitet. Daher sind uns vorab fachkundige Auseinandersetzungen mit dem Angebot der Weinkarte besonders willkommen. Ein wenig wundert uns dabei aber, wenn der eine Online-Experte herausgeschmeckt haben will, dass der Lokalbetreiber seine Weine aufwändig direkt bei hochpreisigen Erzeugern europäischer Spitzenlagen eingekauft hat, während ein weiterer Rebensaft-Fachmann sich den Hinweis erlaubt, den Sommelier des gelobten Restaurants öfters beim Wein-Großeinkauf im Supermarkt zu treffen.
Hier bilden wir uns dann lieber eine eigene Meinung und achten bevorzugt darauf, ob der Wein uns schmeckt. Bei hochwertigen Gewächsen lassen wir uns sogar nicht davon abschrecken, dass sie manchmal fast so sündhaft teuer sind wie das Mineralwasser in der Edelflasche mit dem Glasstopfen. Wie gesagt: Speisekarten-Angst kennen wir nicht. Etwas Angst macht uns allenfalls immer die Rechnung!