Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ein Testament gültig ist? Kann man jemanden einfach so enterben? Und an wen vererben Alleinstehende ihr Hab und Gut am häufigsten? Diese Fragen und viele mehr hat uns Rechtsanwalt und Notar Ulrich Schellenberg aus Berlin beantwortet.
Herr Schellenberg, wenn eine Privatperson handschriftlich oder am PC ihr Testament aufschreibt und in ihrem Schrank verwahrt – ist dies dann gültig beziehungsweise welche Kriterien müssen hier erfüllt sein?
Auch handschriftliche Testamente sind wirksam, sie müssen aber eben handschriftlich und nicht am PC erstellt werden. Ausgedruckte Texte sind von vornherein als Testament ungültig. Damit ein handschriftliches Testament wirksam ist, ist es erforderlich, dass Ort und Datum der Errichtung aufgenommen werden und dass der Text des Testamentes am Ende persönlich unterschrieben wird. Wichtig ist, dass der Verfasser bei Errichtung dieses Textes auch davon ausgeht, ein Testament errichten zu wollen. Dabei ist es unerheblich, ob der Text auf einer Postkarte, einem fein gefalteten Stück Papier oder – auch das gibt es – auf die Schnelle auf einem Briefkuvert notiert wird.
Sind privatschriftliche Testamente – sofern die entsprechenden Formalitäten eingehalten werden – auch ohne notarielle Beglaubigung gültig?
Es besteht keine Pflicht, ein Testament vor einem Notar errichten zu lassen. Es ist aber durchaus empfehlenswert, sich von einem Fachmann beraten zu lassen, da der Laie mit den erbrechtlichen Fachbegriffen oft überfordert ist. Befinden sich im Nachlass Immobilien, so kann sich eine notarielle Beurkundung empfehlen, da dann der ansonsten notwendige Erbschein im Regelfall entfallen kann.
Wo werden privatschriftliche Testamente am besten verwahrt, damit nach dem Ableben auch jemand davon erfährt?
Auch ein privatschriftlich errichtetes Testament kann beim zuständigen Nachlassgericht hinterlegt werden. Hinterlegte Testamente, gleich ob handschriftlich oder notariell errichtet, werden im Falle des Todes auf jeden Fall aufgefunden und beachtet. Wird ein Testament hinterlegt, so kann es nur von derselben Person auch wieder aus der Verwahrung genommen werden. Ansonsten empfiehlt sich die Aufbewahrung eines privatschriftlichen Testamentes bei den wichtigen Unterlagen, wie etwa bei den Familiendokumenten und wichtigen Papieren (Verträge, Kontounterlagen, Versicherungsunterlagen et cetera). Auch kann einer Vertrauensperson ein verschlossener Umschlag übergeben werden mit der Bitte, dies im Falle des Todes beim Nachlassgericht abzuliefern. Es besteht aber immer die Unsicherheit, ob ein solches aufgefundenes Testament auch tatsächlich beim Nachlassgericht abgegeben wird, obwohl dies zwingend vorgeschrieben ist. Wenn jemand ein Testament nicht abgibt, macht er sich strafbar. Es besteht aber immer ein Risiko, wenn ein solches Testament von jemandem aufgefunden wird, der durch das Testament benachteiligt wird.
Wie ist es, wenn man an der gesetzlichen Erbfolge nichts auszusetzen hat – kann man dann auf ein Testament verzichten?
Wenn man an der gesetzlichen Erbfolge nichts auszusetzen hat, kann man tatsächlich auf ein Testament verzichten. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Zusammensetzung des Nachlasses hierzu auch geeignet ist. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Nachlass wie etwa bei Bargeld oder Wertpapieren leicht aufzuteilen ist. Besteht der wesentliche Nachlass aber im Wert einer Immobilie, so empfiehlt es sich, auch bei Beibehaltung der gesetzlichen Erbfolge Regelungen mit Blick auf diese Immobilie zu treffen.
Was ist der Unterschied zwischen Testament und Erbvertrag?
Ein einfaches Testament kann jederzeit ohne Mitwirkung von anderen Personen widerrufen werden. Das ist beim gemeinschaftlichen Ehegattentestament schon mit etwas größerem Aufwand verbunden und bei Abschluss eines Erbvertrages – ohne Mitwirkung der anderen Partei – nur möglich, wenn man sich ein ausdrückliches Rücktrittsrecht vorbehalten hat. Kurz gesagt: Die Bindungswirkung ist bei Erbverträgen erheblich ausgeprägter als bei einem Testament.
Ab wann fallen Steuern an, wenn man erbt? Und wie sieht dies aus, wenn nicht verwandte Personen wie Freunde des Verstorbenen etwas erben?
Erbschaftssteuern fallen unmittelbar mit dem Tod einer Person an. Die Ehegatten haben jeweils einen Freibetrag von 500.000,00 Euro, jedes Kind einen weiteren Freibetrag von 400.000,00 Euro und jedes Enkelkind einen Freibetrag von 200.000,00 Euro. Freunde, Nachbarn oder entfernte Verwandte des Verstorbenen haben allerdings lediglich einen Freibetrag in Höhe von 20.000,00 Euro. Mit Blick auf das gemeinsam genutzte Familienheim gibt es erbschaftssteuerliche Vergünstigungen. Dies gilt auch für Betriebsvermögen.
Geht bei Ehepaaren beim Tod eines Ehepartners automatisch alles an den hinterbliebenen Ehepartner oder muss dies zuvor extra festgehalten werden?
Das ist einer der grundlegenden Irrtümer zum Erbrecht. Der hinterbliebene Ehepartner erbt auch dann nicht allein, wenn es keine Kinder gibt. Das Erbrecht des Ehepartners richtet sich nach dem Güterstand der Ehe. Im Regelfall gilt der Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Dann beträgt das gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten die Hälfte, während die andere Hälfte des Nachlasses zu gleichen Teilen auf die Kinder des Verstorbenen übergehen.
Wie sieht dies bei kinderlosen Ehepaaren aus?
Sollte es keine Kinder geben, so geht diese Hälfte auf die Eltern des Verstorbenen (also die Schwiegereltern) über. Sind diese bereits vorverstorben, so verteilt sich diese Hälfte des Nachlasses wieder auf die Geschwister des Verstorbenen oder, falls solche nicht vorhanden sind, über die Großeltern in die benachbarten Linien. Möchte man sicherstellen, dass der überlebende Ehepartner Alleinerbe wird, so ist es zwingend erforderlich, ein Testament zu errichten.
Kann man jemanden komplett enterben oder steht Erben fast immer der Pflichtteil zu?
Nach deutschem Recht ist es nicht möglich, die Ehefrau, die Kinder oder die Eltern vollständig zu enterben. Diesen steht auf jeden Fall die Hälfte des gesetzlichen Erbteils als Pflichtteilsanspruch zu. Dieser Pflichtteilsanspruch wird dann gegen die Erben geltend gemacht und besteht in einem Anspruch auf Auszahlung von Geld. Eine ganz seltene Ausnahme gilt nur dann, wenn sich Ehepartner oder Kinder einer sehr schweren Verfehlung gegenüber dem Verstorbenen schuldig gemacht haben. Die eigenen Geschwister haben keinen Pflichtteilsanspruch.
An wen vererben kinderlose Paare oder Alleinstehende ohne Angehörige ihr Hab und Gut am häufigsten?
Menschen, die keine Angehörigen haben, vererben ihren Nachlass meist an gute Freunde oder Nachbarn, oft aber auch an gemeinnützige Stiftungen, die sie bereits zu Lebzeiten sehr sorgfältig ausgewählt haben und die dann im Falle ihres Todes bedacht werden. Es ist eigentlich kaum denkbar, dass es gar keine Erben gibt, da das Deutsche Erbrecht in den Generationen immer einen Schritt zurückgeht und dann wieder schaut, ob es jeweils in dieser Linie noch lebende Abkömmlinge gibt. Das kann ein sehr aufwändiger und langwieriger Prozess sein. In dieser Zeit wird ein Nachpfleger eingesetzt, der sich um die Verwaltung und Sicherung des Nachlasses kümmert, damit in der Zwischenzeit keine Schäden eintreten. Eine solche Erbabwicklung kann oft über Jahre hinweg andauern.
Was passiert, wenn kein Testament und wirklich keinerlei Angehörige mehr existieren – wohin geht das hinterlassene Hab und Gut dann?
Sollte es tatsächlich keinen Erben geben, so erbt nach den gesetzlichen Regelungen das Bundesland, in dem man verstorben ist.
Ist das immer so einfach mit dem Vererben und Erben oder gibt es auch problematische Fälle?
Erben und Vererben ist nie einfach, da sich viele unterschiedliche Fragen überlagern. Zum einen wissen viele Menschen nicht genau, welche rechtlichen Regelungen im Erbfall gelten. Aber selbst wenn man diese Regeln kennt, ist es oft kompliziert, weil sich aus der Struktur des Nachlasses – insbesondere, wenn werthaltige Immobilien beinhaltet sind – Schwierigkeiten in der Abwicklung ergeben können. Auch wenn die gesetzliche Erbfolge gilt, erben die Erben gemeinschaftlich und bilden eine Erbengemeinschaft. Dies kann oft mit Streit verbunden sein, der dadurch geregelt werden kann, dass schon der Erblasser Regeln für diese Erbauseinandersetzung mit auf den Weg gibt. Und zu allem kommt noch der Umstand, dass der Tod eines Menschen eine große emotionale Erschütterung bedeutet und sich in die Fragen der Erbauseinandersetzung auch lange zurückliegende innerfamiliäre Verletzungen mischen, deren Aufarbeitung lange Zeit vernachlässigt wurde.
Gab es in den letzten Jahren wichtige gesetzliche Neuerungen bezüglich Testamenten?
Das Erbrecht gehört zu den Rechtsgebieten, die von kurzfristigen Rechtsänderungen zum Glück weitgehend verschont geblieben sind. Die wesentlichen Grundlagen unseres Erbrechts reichen zurück in das 19. Jahrhundert. Gleichwohl hat sich auch in dieser Zeit vieles geändert. Das gilt insbesondere auch für die steuerrechtliche Behandlung eines Nachlasses.
Mit welchen Kosten kann man bei einem vom Anwalt oder Notar erstellten Testament grob rechnen?
Die Kostenrechnung eines Notars richtet sich nach dem Kosten- und Gerichtskostengesetz und betragen für ein Einzeltestament bei einem Wert des Nachlasses von 100.000,00 Euro circa 273,00 Euro zuzüglich der jeweils anfallenden Auslagen und der gesetzlichen Umsatzsteuer, bei einem Wert des Nachlasses von 500.000,00 Euro circa 935,00 Euro zuzüglich der jeweils anfallenden Auslagen und der gesetzlichen Umsatzsteuer und bei einem Wert des Nachlasses von 1.000.000,00 Euro circa 1.735,00 Euro zuzüglich der jeweils anfallenden Auslagen und der gesetzlichen Umsatzsteuer.