Skyseed kümmert sich um den Umbau und Aufbau von Waldflächen. Dabei kommt die neueste Drohnentechnologie zum Einsatz. Wie das genau funktioniert, das erklärt Ole Seidenberg, Mitbegründer des Unternehmens.

Herr Seidenberg, was genau ist Skyseed?
Skyseed ist ein seit drei Jahren tätiges Unternehmen, das es sich zum Ziel gesetzt hat, naturnahe Renaturierung und Wiederbewaldung skalierbar zu machen. Das heißt ganz konkret: Wir haben so viele Ökosysteme und insbesondere Wald verloren, dass wir dagegen nicht mehr nur mit Schaufel und Pflanze ankommen und vor allem – leider – auch nicht mehr warten können, bis die Natur sich selbst hilft. Naturnah deshalb, weil wir die Prinzipien der Natur im Grunde imitieren, nur eben mit technischen Hilfsmitteln. So säen wir – ganz wie die Bäume es selbst auch tun würden – aus der Luft. Nur eben mit einer Saatdrohne und extra dafür gefertigten Saat-Pellets, damit diese nicht sofort vertrocknen oder gefressen werden. Außerdem berücksichtigen wir die sogenannte „natürliche Sukzession“. Das heißt: Wo eine Freifläche entstanden ist, säen wir nicht direkt die Zielbäume alleine auf das freie Feld, sondern arbeiten auch mit Kraut- und Straucharten. Denn nur so kann ausreichend Wasser gehalten und Schatten gespendet werden, um Bäumen wieder eine Chance zu geben.
Wer kam auf die Idee? Und wie hat sich das Ganze entwickelt?
Mein Mitgründer Dominik Wind hatte maßgeblich die Idee aus einem privaten Grund: Als diese extrem trockenen Jahre 2018 losgingen, stand er eines Tages mit seinem jungen Sohn im Wald bei gefühlt über 30 Grad im Schatten. Sein Sohn Jakob fragte ihn dann, warum der Wald denn so still sei, denn kaum ein Vogel war zu hören. Da wurde ihm bewusst, dass etwas nicht stimmt. Zu Beginn der Corona-Zeit war es dann so weit: Wir holten die alte Idee aus der Schublade und dachten: „Wann, wenn nicht jetzt?“. Zum Glück kannten wir in unserem Umfeld jede Menge Drohnen-Fans und -Profis, die sofort mitmachen wollten, aber auch erste Investoren, die an uns glaubten.
Heute hat sich die Idee viel mehr zu einem Bio-Tech-Start-up entwickelt, neudeutsch spricht man wohl von einer „Nature based solution“. Zwar haben wir auch ein eigenes Drohnen- und Software-Team, aber entscheidend ist natürlich das, was sich auf der Fläche abspielt. Hier hat unsere nach außen hin sehr prominent dargestellte Saat-Drohne nur wenig Einfluss, so lange sie das Saatgut sicher ins Ziel fliegt.
Die Welt der Forst-Sämereien und Bodenkunde, die verschiedensten Fraßfeinde von Mäusen, Vögeln und Rehen, aber vor allem auch die zunehmend unberechenbaren klimatischen Einflüsse auf extremen Standorten machen uns da durchaus mehr Kopfzerbrechen.
Dabei versuchen wir einerseits, die negativen Einflüsse auf das Saatkorn mit unserem eigenen Pelletier-Verfahren zu puffern, in dem wir zum Beispiel mit Pflanzenkohle rund um das Saatkorn sowohl einen organischen Wasserspeicher, als auch viel Platz für Bio-Stimulanzien geschaffen haben. So können wir heute zumindest passiv Vögel, Mäuse und Schnecken erst einmal fernhalten und gleichzeitig die Keimung des Saatkorns und die Vitalität des jungen Sämlings steigern. In Zukunft wollen wir zudem auch die oft Monate lang andauernde Keimruhe der Samen verringern, damit diese nicht ewige Zeit im Freien verbringen müssen, was ja das Risiko des Austrocknens, von Schimmelpilzen oder auch jenes, gefressen zu werden, stark steigern würde.
Auf der anderen Seite werden wir auch das Ökosystem rund um das junge Pflänzchen herum mitdenken. Das heißt, wir werden voraussichtlich nicht mehr nur flächig säen, sondern konzentrierte kleine Waldinseln mit einer Vielzahl an Kraut-, Strauch- und Baumarten ausbringen und durch Steckhölzer, aber auch Pflanzen ergänzen, um unmittelbar eine starke Strukturvielfalt innerhalb dieser Insel zu etablieren. Die Idee: Je mehr Schatten, Windbruch und Nischen für weitere Bestäuber, Vögel und so weiter vorhanden sind, desto eher erweckt dies unser kleines Ökosystem unmittelbar zum Leben.
Welche Technologien werden bei Skyseed verwendet?
Im Zentrum steht unsere Samen-Behandlung, die sämtliche Kraut-, Strauch- und Baumarten überhaupt erst sinnvoll dosierbar macht. Dies ist deshalb so wichtig, weil viele dieser Samen ultrafein und für das menschliche Auge schon fast nicht zu erkennen sind. So wiegen etwa 1.000 Samen des Waldweiden-Röschens nur 0,05 Gramm. Würde man diese auf freier Fläche einfach von der Drohne fallen lassen, wehten diese irgendwo hin, nur gewiss nicht auf die Fläche, die wir gerade zu besäen versuchen. Neben dem Gewicht und der leichteren Dosierbarkeit geht es uns aber vor allem um die Überlebenschancen möglichst vieler Samen auf der Fläche. Dafür muss man sich vor Augen halten, wie viele Samen ein gesunder Mutterbaum in aller Regel abwerfen würde – verglichen mit jener geringen Zahl, die wir am Markt von Saatgut-Händlern kaufen können. So wirft eine Eiche gut und gerne mal 300 Kilogramm oder mehr an Eicheln ab. Eine Birke derweil kommt auf mehrere Millionen Samen, wofür sonst mindestens ein, wenn nicht gar zwei Kilogramm des Saatguts gekauft und ausgebracht werden müssten.
Das Pellet muss also eine ganze Menge leisten, um auch bei weniger Saatgut je Hektar ein gutes Ergebnis zu erzielen, das sonst nur qua Menge zu erreichen wäre. Dies ist neben dem Preis schon allein deshalb wichtig, weil die Samenverfügbarkeit auch zusehends abnimmt. Einerseits ist die Ernte häufig sehr aufwändig, andererseits geraten auch die Samenbäume unter Klimastress und bilden deshalb immer öfter Samen nicht richtig aus, sondern werfen diese im Rahmen von Not-Masten frühzeitig ab.

Darüber hinaus haben wir zur Ausbringung – wie der Name „Skyseed“ schon sagt, eine eigene Saatdrohne entwickelt und wollen derzeit in einer Partnerschaft mit einer Fachhochschule einen Forst-Rover mitentwickeln, der auch unmittelbar am Boden säen und weitere Dienste übernehmen kann. So könnten wir dann auch Steckhölzer von Pappel und Weide ausbringen oder Eicheln in den Boden stecken.
Wann kommen Eure Methoden zum Einsatz?
Vor allem bei schwer erreichbaren oder sehr, sehr großen Freiflächen. Dabei kann es sich zum Beispiel um Waldbrand-Flächen handeln, die noch mit Munition verseucht sind. Davon hat es allein in Brandenburg rund 300.000 Hektar. Aber es kann sich auch um 20 Hektar Fichten-Schadfläche am Stück handeln oder einen Steilhang in den Alpen, an dem der Hang samt Baumbestand abgerutscht ist. Leider stellen wir immer häufiger fest, dass der zunehmend schlechte Personalschlüssel im Wald angesichts der riesigen Schadflächen zu einem Liegenlassen dieser Flächen und damit deren Degradation führt. Da ist dann erst einmal der Wiederaufbau von gesundem Boden und eine erste Beschattung angezeigt, das heißt: Wir bringen nur Gründüngung und Kraut aus, aber keine Zielbaumarten.
Wie funktioniert die Aussaat und welche Baumarten kommen überhaupt als Samen in den Boden?
Wir pelletieren die Samen vorweg, sodass wir kleine Kügelchen von etwa drei bis sechs Millimeter Durchmesser in unsere Drohne füllen können. Diese überfliegt dann in fünf bis zehn Minuten einen Hektar und betätigt an den vorab geplanten Flächen unterhalb der Drohne den Saatmechanismus. Dieser besteht letztlich aus einer sich drehenden Walze und einem Streuteller. Die Walze befördert die Samen-Pellets nach unten, der Streuteller kann den Radius der abgedeckten Fläche noch einmal deutlich erhöhen, sodass wir insgesamt weniger Bahnen fliegen müssen. Bei Freiflächen ist die Aussaat von Pionierarten unbedingt geboten, das heißt solche Arten, die die dort einwirkenden Bedingungen überhaupt aushalten können und schnell vorneweg wachsen. Dazu gehören etwa Birke, Pappel, Eberesche oder auch Straucharten wie der rote Holunder. Ein Sprung unmittelbar zu den gewohnten Zielbaumarten wird auf diesen Flächen immer schwerer möglich, stellen wir fest.
Wieso nehmt Ihr Samen und keine fertigen Setzlinge?
Wir sind seit Anbeginn des Unternehmens auf der Suche nach einer skalierbaren Lösung, um im Wettlauf mit Klimawandel und Artensterben eine Chance zu haben. Daher geriet die Saat schnell in den Fokus, da wir hier nicht auf vorgezogene Setzlinge aus der Baumschule setzen müssen, was erstens die Artenauswahl einschränkt und zweitens logistisch kaum skalierbar ist. Auf dem Weg merkten wir dann, dass insbesondere die für Bodenleben und natürliche Sukzession so wichtige Krautschicht überhaupt nicht gepflanzt werden kann, weil diese schlicht nicht als Pflanze erhältlich ist. Dazu kommt der Vorteil der natürlichen Wurzelentwicklung bei der Saat: Die Etablierung einer gesäten Pflanze muss zwar unzählige Hürden nehmen, bevor sie gelingt. Doch wenn es geklappt hat, sind sämtliche Pflanzen deutlich resilienter als solche aus der Baumschule, da diese nicht erst gepäppelt wurden und auch die Wurzeln nicht durch die Pflanzung geschädigt werden. Wir werden in Zukunft dennoch auch ergänzend Pflanzen oder Steckhölzer nutzen, um unmittelbar einen ersten Schatten und Windbruch auf der Fläche zu etablieren.
Gibt es Bedenken bezüglich der Auswirkungen von Skyseed auf das Ökosystem?
Nein. Wir arbeiten nach bestem Wissen und Gewissen mit solchen Arten, die die Gesundheit und Stabilität der Ökosysteme verbessern. Unsere Drohnen beziehen zwar in gewissem Maße Bauteile aus China oder von großen Internetshops, die wir schwierig finden, aber sind sonst auch eher unkritisch. Die Brutzeit von Greifvögeln zum Beispiel respektieren wir, und auch sonst gehen wir mit unseren Ressourcen sparsam um.
Welche Vorteile könnte Skyseed für den Klimawandel und die globale Erwärmung haben?
Der wesentliche Vorteil besteht in der Vereinigung von Tempo und Naturnähe unseres methodischen Ansatzes. So bauen wir ganzheitlich Ökosysteme wieder auf, lassen uns aber gern von den heutigen technischen Möglichkeiten dabei helfen, um dies auch in einer Geschwindigkeit zu tun, die überhaupt relevant ist. Wenn das gelingt, könnte Skyseed eines Tages Tausende Hektar wieder begründen und so deren Ökosystemleistungen wie den Aufbau von Humus, das Senken von CO2, das Filtern und Speichern von Wasser und so weiter erhalten oder wiederherstellen.
Welche Länder oder Organisationen sind an der Forschung und Umsetzung von Skyseed beteiligt?
Wir arbeiten insbesondere mit der TU München, Prof. Axel Göttlein, und der TU Freiberg, Jun. Prof. Conrad Jackisch, intensiv zusammen. Bisher fokussieren wir uns auf den deutschen Wald, beginnen aber in der kommenden Saison mit Testflächen in Österreich. Ziel ist es, für Europa eine sinnvolle Lösung anzubieten. In Brasilien geht zwar auch viel Regenwald verloren, allerdings funktioniert dort das Ökosystem anders, und wir möchten uns auf unser Zuhause konzentrieren.

Gibt es bereits Tests oder Studien zu Skyseed, die seine Wirksamkeit oder potenzielle Nebenwirkungen untersuchen?
Ja, die gibt es. Insbesondere gemeinsam mit der TU München haben wir unter verschiedensten Bedingungen Testflächen angelegt. Die ersten dokumentierten Ergebnisse an steilen Flächen sowie auf Waldbrandflächen sind sehr positiv ausgefallen. Allerdings lässt sich auf großen Freiflächen dieses Ergebnis nur bedingt replizieren, hier gelten einfach andere ökologische Gesetzmäßigkeiten. Auch können wir unter Studienbedingungen viel freier agieren, was die Artenauswahl betrifft. Deshalb bleiben wir dran und arbeiten weiterhin an der optimalen Vereinigung aus ökologischem Anspruch und den Wünschen der Kunden.
Welche Rolle spielen Regierungen und Regulierungsbehörden bei der Regulierung von Skyseed?
Eine große Rolle. Beispielsweise sind die Gesetze im Forstvermehrungsgutgesetz, die den Bezug von Saatgut aus geeigneten Provenienzen regeln, sehr strikt und dabei so stark abhängig vom jeweiligen Bundesland, dass es für uns kaum möglich ist, die jeweils geeigneten Mengen und Qualitäten im ohnehin sehr schwierigen Saatbezug zu planen. Hier müsste angesichts der sich stark verändernden Klimaeinflüsse unbedingt eine flexiblere Gesetzgebung her, die dennoch gern standörtliche und genetische Faktoren berücksichtigen darf.
Wie würden die Kosten für die Implementierung von Skyseed aussehen und wer würde sie tragen?
Der jeweilige Flächenbesitzer beziehungsweise Waldbesitzer trägt bislang die Kosten, häufig aber gefördert. Hier kommen etwa 3.000 bis 5.000 Euro je Hektar auf den Besitzer zu.